Vampir [2]

[1003] Vampir (Mahr), nach dem Volksglauben, namentlich der slawischen Bevölkerung Polens, der untern Donauländer und der Balkanhalbinsel, der Geist eines Verstorbenen, der des Nachts sein Grab verläßt, um Lebenden das Blut auszusaugen, von dem er sich nährt. Da dieser Aberglaube noch jetzt sofort auftritt, wenn einem Familienmitglied andre schnell in den Tod nachfolgen oder hinsiechen, so sucht man sich durch Bedecken des Mundes, Mitgeben von allerlei Beschäftigungsmitteln im Sarg, durch Hauptabschlagen des wiederausgegrabenen Toten und Durchstoßen des Leibes mit einem Holzpfahl zu schützen. Noch heutigestags führt dieser Wahn häufig zu Leichenschändungen und Friedhofsentweihungen, und 1870–71 spielten ein halbes Dutzend Vampirprozesse in Westpreußen, Pommern und Mecklenburg. Abarten des Vampirs sind: der Nachzehrer der Mark, der Blutsauger in Preußen und der Gierfraß in Pommern; die Wilis oder Willis, vor der Hochzeit gestorbene Bräute, die junge Burschen zum Tanz verlocken, bis sie tot hinstürzen. Alle diese Sagen haben sich wohl aus den Träumen vom Alp (s. d.) mit Anlehnung an die klassischen Gestalten der Lamien und Empusen (s. Lamia) entwickelt. Dichterisch behandelt wurde die Vampirsage bereits im Altertum von Philostratus und Phlegon von Tralles (dem Goethe den Stoff zu seiner »Braut von Korinth« entnahm), dann von Byron und in verschiedenen Opern und Balletten. Vgl. Ranft, Traktat von dem Kauen und Schmatzen der Toten in Gräbern (Leipz. 1734); Hertz, Der Werwolf (Stuttg. 1862); Hock, Die Vampyrsagen und ihre Verwertung in der deutschen Literatur (Berl. 1900); Fischer, Aberglaube aller Zeiten, Bd. 3 (Stuttg. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 1003.
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