[414] Wasserleitungen (hierzu Tafel »Wasserleitungen« mit Text), Anlagen zur Versorgung von Ortschaften mit gutem, reinem Wasser, das aus größerer oder geringerer Entfernung zugeleitet werden muß. Derartige Anlagen wurden in großartigem Maßstabe schon von den Alten, namentlich von den Römern, ausgeführt (vgl. Aquädukt). Das Mittelalter ließ diese Anlagen verfallen und beschränkte sich auf die Brunnen innerhalb der Stadtmauern. Erst die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrh. schufen neue W., während aber das Altertum nur gemauerte, gewöhnlich bedeckte Kanäle zur Leitung des Wassers benutzte, wendet man jetzt fast ausschließlich Röhrensysteme an und gewinnt dadurch die Möglichkeit, unter Anwendung von Druck das Wasser, das gewöhnlich durch Filtration gereinigt wird, auch in die obern Stockwerke der Häuser zu führen. Das zur Wasserversorgung der Städte zu benutzende Wasser muß eventuell nach der Filtration und anderweitiger Behandlung den Anforderungen entsprechen, die an gutes Trinkwasser (s. Wasser) gestellt werden. Ein großer Teil des Wassers wird zwar für Zwecke benutzt, für die auch minder reines Wasser genügt, indes erscheint es weder rentabel noch ratsam, eine besondere Leitung für derartiges Nutz- oder Brauchwasser auszuführen. Das Wasser wird Seen, Flüssen, Staubecken, Quellen etc. entnommen, indes ist man in neuester Zeit von der Benutzung des Oberflächenwassers vorwiegend zur Benutzung von Grundwasser übergegangen. Das Reichsgesundheitsamt hat 1905 Grundsätze für Anlage und Betrieb von Wasserwerken zur Beschaffung eines hygienisch einwandfreien Wassers aufgestellt, die bei Überwachung der öffentlichen Wasserversorgungsanstalten als Richtschnur dienen sollen. Über die Ausführung von W. s. beifolgende Tafel mit Text, und über die Reinigung des Wassers s. Wasserreinigung nebst Tafel mit Text.
Seitdem man die hohe Bedeutung einer reichlichen Versorgung der Städte mit gutem Wasser für die Gesundheit und Lebenshaltung der Bewohner erkannt hat, sind viele Städte mit W. versehen und dabei Einrichtungen getroffen worden, die eine Steigerung des Wasserverbrauchs in allen Schichten der Bevölkerung bezweckten. Die zunehmende Bevölkerung der Städte, das Anwachsen der Industrie, Verfeinerungen in der Lebenshaltung etc. haben aber den Wasserbedarf in den letzten Jahrzehnten so enorm erhöht, daß es heute, zumal bei der steigenden Boden- und Flußverunreinigung, oft sehr schwer fällt, genügende Mengen brauchbaren Wassers, die für absehbare Zeit vor Verunreinigung gesichert sind, in nicht zu großer Entfernung von den Versorgungsstellen zu finden. Der Wasserverbrauch zeigt ungemein starke Schwankungen. In 80 Städten (vorzugsweise deutschen, daneben österreichischen und schweizerischen) betrug der Hauswasserverbrauch für den Tag und Kopf 13446 Liter, am häufigsten 4060 Lit., mehrfach 6080, nicht allzuoft über 100 Lit. Dabei schwankt der Verbrauch nach Jahres- und Tageszeit und nach den Verhältnissen der Bevölkerung. In Berlin betrug der Verbrauch für den Tag und Kopf 1904. 82,1 Lit., 1905: 83,3 und 1906: 85,12 Lit. In Bezirken mit wohlhabender Bevölkerung beträgt der Verbrauch für den Kopf mehr als 20mal soviel wie in Bezirken mit armer Bevölkerung. Der größte Tagesbedarf beträgt etwa das 1,5fache des durchschnittlichen Tagesbedarfs und der größte Stundenbedarf 10 Proz. des letztern. In England und namentlich in Amerika ist der Wasserverbrauch erheblich größer als in Deutschland. Der Verbrauch für gewerbliche Zwecke schwankt noch stärker als der für häusliche Zwecke, und er ist ebensowenig allgemein bestimmbar wie der für öffentliche Zwecke. Am größten ist der Wasserverbrauch, wo das Wasser in unbeschränkter Menge den Verbrauchern unentgeltlich verabfolgt wird, d. h. wo die Kosten desselben aus den gewöhnlichen städtischen Einnahmen gedeckt werden und keine besondere Wasserabgabe erhoben wird. Diese Fälle bilden die Ausnahme; wo eine Wasserabgabe erhoben wird, ist die Bezahlungsweise und ihre Höhe sehr verschieden. Es kommen vor: Erhebung der Wasserabgabe in Form eines festen Zuschlags zur Gebäudesteuer, Erhebung einer besondern Abgabe, bemessen nach dem Mietwert oder der Wohnungsgröße oder nach der Kopfzahl der Bewohnerschaft eines Hauses, endlich lediglich nach der Höhe des Wasserverbrauchs mit steigender oder fallender Preisskala und ohne Rücksicht auf den Gebrauchszweck des Wassers. Der geringste Wasserverbrauch tritt ein, wenn nach Verabfolgung eines gewissen »normalen« Bedarfs gegen normalen Einheitspreis ein etwaiger Mehrverbrauch nach progressiv steigenden Sätzen bezahlt[414] werden muß. Folgende Übersicht zeigt die Verteilung des Wasserverbrauchs in sechs deutschen Städten mittlerer Größe mit großen Ungleichheiten im Gesamtcharakter:
Für gewisse Verbrauchszwecke ergeben sich nach Grahn und Thiem folgende Wassermengen für den Tag und Kopf:
Vgl. Curtius, Über städtische Wasserbauten der Hellenen (Berl. 1847); des Sextus Frontinus (s. d.) Schrift über die W. der Stadt Rom (deutsch von Dederich, Wesel 1841); Bauer, Die Wasserwerke Roms im Anfange der Kaiserzeit (Berl. 1876); Merckel, Die Ingenieurtechnik im Altertum (das. 1899); Lueger, Die Wasserversorgung der Städte (in »Der Städtische Tiefbau«, Bd. 2, Darmst. 1895); Östen und Frühling, Wasserversorgung der Städte (im 3. Bd. des »Handbuches der Ingenieurwissenschaften«, 4. Aufl., Leipz. 1904); Grahn, Die städtische Wasserversorgung im Deutschen Reich sowie in einigen Nachbarländern (Münch. 18981902, 2 Bde.); Iben, Tabellarische Zusammenstellung der Abgabebestimmungen, Wasserpreise etc. für die Wasserversorgung von 137 Städten (das. 1895); Riedler, Neuere Wasserwerkspumpmaschinen (Berl. 1900); König, Anlage und Ausführung von Wasserleitungen und Wasserwerken (4. Aufl., Leipz. 1907); Lange, Die Wasserversorgung der Gebäude (das. 1902); Macpherson, Waterworks distribution (2. Aufl., Lond. 1907); Turneaure und Russell, Public water supplies (New York 1901); Tudsbery und Brightmore, The principles of waterworks engineering (3. Aufl., Lond. 1905); »Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung« (Münch., seit 1878); »Der Hydrotekt« (Berl., seit 1902).
Buchempfehlung
Erst 1987 belegte eine in Amsterdam gefundene Handschrift Klingemann als Autor dieses vielbeachteten und hochgeschätzten Textes. In sechzehn Nachtwachen erlebt »Kreuzgang«, der als Findelkind in einem solchen gefunden und seither so genannt wird, die »absolute Verworrenheit« der Menschen und erkennt: »Eins ist nur möglich: entweder stehen die Menschen verkehrt, oder ich. Wenn die Stimmenmehrheit hier entscheiden soll, so bin ich rein verloren.«
94 Seiten, 5.80 Euro