[525] Weltpostverein, Gesamtheit der dem Weltpostvertrage (s. d.) beigetretenen Staaten. Bis 1850 wurde der internationale Postverkehr von einer engherzigen Verkehrspolitik beherrscht; bei Abschließung der zahlreichen Postverträge kam es weniger auf Hebung, Vereinfachung und Erleichterung des Verkehrs als auf Erlangung hoher Portoanteile, insbes. Transitgebühren und allerlei Sondervorteile an. Allein zwischen den deutschen Staaten bestanden gegen 100 Postverträge mit etwa 2000 verschiedenen Brieftaxen. Der 1850 von Preußen, Österreich, den übrigen deutschen Staaten und der Thurn- und Taxisschen Postverwaltung errichtete Deutsch-Österreichische Postverein brachte für diese Gebiete eine gleichmäßige internationale Postorganisation mit einheitlichen Taxen, den sogen. Wechselverkehr. Nach Auflösung dieses Vereins infolge des Krieges von 1866 schlossen der Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich bis 1873: 24 Postverträge mit dem Auslande nach übereinstimmenden Grundsätzen. Nach dem erfolglosen Pariser Postkongreß von!863 betrieb das deutsche Generalpostamt von 1868 ab die Gründung eines allgemeinen Postvereins, und veranlaßte, daß das Deutsche Reich 1873 alle europäischen Staaten und die Vereinigten Staaten von Amerika unter Übersendung eines Entwurfs zu einem allgemeinen Postverträge zu einem Postkongreß nach Bern einlud. Das Ergebnis dieses Kongresses war der Allgemeine Postvereinsvertrag vom 9. Okt. 1874. Auf dem Kongreß in Paris 1878 konnte der Verein die Bezeichnung W. annehmen Bis dahin erstreckte sich die Tätigkeit des Vereins nur auf Briefsendungen. Auf dem Pariser Kongreß 1878 vereinbarten eine Reihe von Staaten Nebenabkommen über Wertbriefe und Postanweisungen, auf der Konferenz in Paris 1880 über Postpakete, auf den Kongressen in Lissabon 1885 über Postaufträge und Ausweisbücher, in Wien 1891 über Kästchen mit Wertangabe und über den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften. Auf dem Kongreß in Washington wurde der Weltpostvertrag mit sämtlichen Nebenabkommen 15. Juni 1897 erneuert, ebenso in Rom unterm 26. Mai 1906. Von den infolge des letzten Kongresses eingetretenen Verkehrserleichterungen sind hervorzuheben: Vom 1. Okt. 1907 ab kosten in Deutschland bei Briefen die ersten 20 g 20 Pf., jede weitern 20 g 10 Pf.; ein Antwortschein (Ersatz der Weltbriefmarke) nach dem Ausland kostet 25 Pf., ein solcher aus dem Ausland wird gegen Marken im Wert von 20 Pf. umgetauscht; der linke Vorderteil jeder Postkarte kann beschrieben oder mit Bildchen beklebt werden; der Ausdruck Postkarte ist entbehrlich; die Postanweisungsgebühr nach dem Ausland beträgt höchstens 20 Pf. für 40 Mk.; aus Deutschland nach Vereinsländern sind allgemein auf Abschnitten der Postpaketadressen schriftliche Privatmitteilungen zulässig; die Land- und Seetransitgebühren für Briefsendungen sind herabgesetzt etc. Das Weltposthandbuch, der Briefposttarif und der Paketposttarif sind vom Reichspostamt Berlin 1907 neu herausgegeben. Der nächste Postkongreß findet in Madrid statt. Der W. umfaßte 1874: 22 Staaten, 40 Mill. qkm und 250 Mill. Einw.; 1906: 54 Staaten und 18 stimmberechtigte Kolonialgebiete, einschließlich der von größern Postverwaltungen abhängigen Kleinstaaten, wie Liechtenstein, San Marino, Andorra, und der in andern Staaten unterhaltenen Postanstalten, z. B. seitens Deutschlands in China, zusammen 113 Mill. qkm und 1150 Mill. Einw., also die ganze zivilisierte Welt, mit Ausnahme des Innern von China, Marokko und einiger Gegenden in Afrika. Der gesamte Postverkehr, der für 1873 in den heute zum W. gehörigen Ländern auf 3300 Mill. Sendungen geschätzt wurde, betrug 1906: 31 Milliarden Briefsendungen und 4 Milliarden andre Sendungen, auf Postanweisungen wurden 30 Milliarden Mk. umgesetzt. Dem W. dient als Zentrale das Internationale Bureau des Weltpostvereins, unter oberer Leitung der schweizerischen Postverwaltung; es verbreitet an die Vereinsmitglieder das Material zur Richtighaltung der Tarife und zur Nutzbarmachung neuer Postverkehrswege, gibt das Verzeichnis der Vereinspostanstalten, die Dokumente der Postkongresse und die Zeitschrift »L'Union Postale« heraus, auch gibt es auf Wunsch Gutachten ab; im J. 1906 glich es über 71,7 Mill. Frank Abrechnungen der Vereinsländer durch Zentralabrechnung (Clearingsystem) aus. Vgl. Weithase, Geschichte des Weltpostvereins (2. Aufl., Straßb. 1895); Schröter, Der W., Geschichte seiner Gründung und Entwickelung (Bern 1900); die vom Internationalen Bureau herausgegebene Schrift »L'Union postale universelle. Sa fondation et son développement« (Lausanne 1900); Jung, Der W. und sein Einfluß auf den Weltverkehr und die Weltwirtschaft (Straßb. 1903).