Postkarte

[220] Postkarte (früher Korrespondenzkarte, franz. Carte postale, engl. Post-card, ital. Cartolina postale), Karte aus steifem Papier von vorgeschriebenen Abmessungen mit dem Ausdruck »Postkarte«, zur Niederschrift von Nachrichten, wird an die auf der Vorderseite anzugebende Adresse zu einem wesentlich billigeren Porto als dem für Briefe offen, d. h. ohne Briefumschlag, durch die Post befördert. Im Weltpostverkehr soll die P. nicht über 14 cm lang und 9 cm breit sein. Postkarten mit einem für die Frankierung aufgedruckten Wertstempel werden in Deutschland, Österreich-Ungarn und den meisten übrigen Ländern zum Nennwert des Stempels verkauft, England erhebt einen Zuschlag für das Papier. Statt die Adresse zu schreiben, können auch kleine Adreßzettel aufgeklebt werden. Ihre Beliebtheit und Verbreitung verdankt die P. außer dem billigen Porto besonders dem Umstand, daß sie schneller und leichter postfertig gemacht werden kann als ein Brief. In der Geschichte der P. ist zwischen den Vorschlägen zu ihrer Einführung und der Einführung selbst zu unterscheiden. Auf der Postkonferenz zu Karlsruhe war 30. Nov. 1865 von dem nachmaligen Staatssekretär des Reichspostamts Stephan an die Konferenzmitglieder außeramtlich eine kleine Denkschrift über die Einführung eines neuen, »Postblatt« genannten Formulars zu offenen Mitteilungen verteilt worden. Das Postblatt zeigt bereits die wesentlichen Merkmale der heutigen P., der Portobetrag war jedoch zu hoch, auf einen Silbergroschen, bemessen. Stephans Vorschlag blieb ohne praktische Wirkung. Ohne von Stephans Vorschlag Kenntnis zu haben, schlug Hermann, Professor der Militärakademie in Wiener-Neustadt, in der »Neuen Freien Presse« vom 26. Jan. 1869 vor: daß Karten, die Hermann schon als Postkarten bezeichnete, offen mit einer 2-Kreuzermarke durch die Post versendet werden dürfen, wenn sie mit Einschluß der Adresse und Unterschrift nicht mehr als 20 Wörter enthalten. Abgesehen von dieser Einschränkung, die dem Postbetrieb und dem Publikum unüberwindliche Schwierigkeiten verursacht hätte, trägt die Hermannsche P. alle wesentlichen Merkmale der heutigen P. Unter Zurückgehen auf Stephans Vorschlag und unter Zuziehung von Hermann, der die Beibehaltung des von ihm vorgeschlagenen billigen Portos durchsetzte, stellte[220] die österreichische Postverwaltung die ersten Postkarten her und führte sie 22. Sept. 1869 ein; sie trugen den Ausdruck: »Korrespondenzkarte«. In Deutschland erfolgte die Einführung erst nach dem Amtsantritt Stephans als Generalpostdirektor, 6. Juni 1870, und zwar zuerst als ein mit einer Marke zu 1 Silbergroschen zu beklebendes Formular. Während des deutsch-französischen Krieges erwarb sich die P. große Beliebtheit; es wurden allein im ersten Kriegsjahr 10 Mill. Feldpostkarten zwischen der Armee und der Heimat ausgetauscht. Nach 1870 wurde die P. in der Schweiz und in England eingeführt; es folgten: 1871 Belgien, die Niederlande, Dänemark; 1872 Schweden, Norwegen, Rußland; 1873 die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Frankreich, Spanien; 1874 Italien. Durch den Weltpostvertrag vom 1. Juni 1878 fand die P. endlich über alle Kulturstaaten der Erde Ausbreitung. Im Bereich des Weltpostvereins hat sich der Umsatz an Postkarten 1904 auf 4,8 Milliarden beziffert. Postkarten mit Antwort wurden zuerst von Deutschland vom 1. Jan. 1872 ab eingeführt.

Bald nach Einführung der Postkarten wurden sie gelegentlich mit Bildern bedruckt: 1870 von Schwartz in Oldenburg, von Lithograph Miesler in Berlin, 1872 von einem Nürnberger Kupferstecher für die Schweiz etc. Seit 1875 wurde die P. mit Ansicht zu einem vielbegehrten Handelsartikel. Der Hauptsitz dieser Industrie ist Deutschland. Heute gibt es in allen Kulturländern Postkarten mit Bildern in unabsehbarer Mannigfaltigkeit, gedruckt. geprägt, photographiert, mit Metallbelag verziert etc. 1900 waren nach amtlicher Zählung im Reichspostgebiet an sieben Tagen unter 20 Mill. ausgelieferter Postkarten 10 Mill. mit Ansicht. An Ausflugsorten finden oft Massenauflieferungen statt, in Douglas auf der Insel Man an einem Tage 100,000 Stück. Bei Ansichtspostkarten darf auch die linke Hälfte der Vorderseite im Verkehr nach europäischen Ländern und den deutschen Schutzgebieten beschrieben werden. Literatur s. Briefmarke.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 220-221.
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