Wessobrunn

[554] Wessobrunn, Dorf im bayr. Regbez. Oberbayern, Bezirksamt Weilheim, 702 m ü. M., hat eine kath. Kirche und (1905) 581 Einw. Die 1803 aufgehobene berühmte Benediktinerabtei daselbst wurde 753 gestiftet; von 955–1065 besaßen sie die Augustiner, worauf Kaiser Heinrich IV. die Benediktiner wieder einsetzte. Sie gehört jetzt dem Reichsrat Freiherrn v. Cramer-Klett. Vgl. Eberh. Graf von Fugger, Kloster W. (Münch. 1885); Hager, Die Bautätigkeit und Kunstpflege im Kloster W. (das. 1894). Die an Handschriften reiche Klosterbibliothek (jetzt in München) enthält das altdeutsche, nach diesem Kloster benannte Wessobrunner Gebet aus dem Ende des 8. Jahrh., das von Wackernagel (Berl. 1827), Müllenhoff (in den »Denkmälern deutscher Poesie und Prosa«, 3. Aufl., Berl. 1892) u. a. herausgegeben wurde. Es ist zu zwei Dritteln in alliterierenden Versen abgefaßt, der Schluß ist prosaisch, mit rohen und flüchtigen, aber kunsthistorisch interessanten Federzeichnungen verziert. Die erste Hälfte des poetischen Teiles mag einem ältern und größern poetischen Werk, einer Bearbeitung der Schöpfungsgeschichte, entlehnt sein und ist aus dem Niederdeutschen übersetzt. 1877 ließ Professor Sepp einen altertümlichen Denkstein in W. errichten, auf dem dieses älteste süddeutsche Sprachdenkmal eingemeißelt ist. Vgl. Müllenhoff, De carmine Wessofontano (Berl. 1861); Wackernagel, Die altsächsische Bibeldichtung und das Wessobrunner Gebet (»Zeitschrift für deutsche Philologie«, Bd. 1, Halle 1868).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 554.
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