[690] Wisent (Bison Sund. Bonasus Wagn.). Gruppe der Gattung Rind (Bos L.). charakterisiert durch kleine runde, nach vorn gerückte und aufwärts gekrümmte Hörner, mehr breite als lange Stirn, lange, wollige Mähne an Stirn, Kopf und Hals, langen Kinnbart und fehlende Wamme. Der europäische W. (fälschlich Auerochs, Bison europaeus Ow., s. Tafel »Rinder II«, Fig. 4), das größte Säugetier des europäischen [690] Festlandes, gegenwärtig 1,8 m hoch, 3,5 m lang und 600800 kg schwer, früher aber ohne Zweifel erheblich größer, hat einen mäßig großen, wohlgestalteten Kopf mit plumper Schnauze, breiter Muffel, kurzem, gerundetem Ohr, sehr kräftigen kurzen Hals, kräftige Beine und kurzen, dicken Schwanz. Den Körper bedeckt ein überall dichter, fahlbrauner Pelz; an der Kopfseite und am Bart ist das Haar schwarzbraun, auf den Läufen dunkelbraun und die Schwanzquaste braunschwarz. Der W. wird jetzt in der Heide von Bjeloweschkij (sogen. Bialowiez, etwa 400 Stück) und im Walde von Mezerzitz und Jankowitz, auch in Pleß gehegt und findet sich wild noch an den Ufern des Kuban im Kaukasus. Er lebt in Rudeln, im Winter in kleinen Herden, nährt sich von Gräsern, Blättern, Knospen und Baumrinde, besonders von Eschenrinde, ist ziemlich lebhaft, im Alter höchst reizbar und jähzornig und lebt dann auch meist einsam. Die Kühe kalben 9 Monate nach der Brunstzeit, gewöhnlich im Mai oder Juni, aber kaum alle 3 Jahre einmal und viele sind unfruchtbar; das Junge erreicht erst mit 8 oder 9 Jahren seine volle Größe. Das Alter, welches der W. erreicht, wird auf 3050 Jahre angegeben. In der Diluvialzeit und später fand sich der W., wie Knochenfunde beweisen, weitverbreitet in ganz Europa und einem großen Teil Asiens. Aristoteles und Plinius kannten ihn, nach dem Nibelungenliede fand er sich im Wasgau, unter Karl d. Gr. im Harz und im Sachsenland. Im 14. Jahrh. lebte er noch in Pommern, und in Preußen wurde der letzte 1755 erlegt. In Ungarn traf man ihn noch 1729 an und gegen Ende des 18. Jahrh. in den Szekler Bergwaldungen. Seit dem 17. Jahrh. wurde er mit dem Auerochsen verwechselt, der vielfach neben ihm vorkam, aber früher ausstarb. Die Jagd auf den W. schildert schon Cäsar als sehr ruhmvoll, und dies blieb sie auch im Mittelalter. In den Zoologischen Gärten ist der W. selten, hält aber gut aus und pflanzt sich auch fort. Das Fleisch wird sehr gerühmt und soll zwischen Rindfleisch und Hirschwildbret stehen. Das Fell gibt lockeres, schwammiges Leder. Die schönen, festen Hörner verwendet man zu Trinkgeschirren. Der nordamerikanische W. (Bison, Büffel, B. americanus Gm., s. Tafel »Rinder II«, Fig. 3), 2,62,9 m lang, mit 65 cm langem Schwanz, am Widerrist 2 m hoch, hat einen sehr großen, etwas plumpen Kopf und kurzen Hals, der steil zu dem unförmlich erhöhten Widerrist ansteigt. Die Rückenlinie fällt bis zur Wurzel des kurzen, dicken Schwanzes stark ab, und der in der Brustgegend verbreiterte Leib verschmächtigt sich nach hinten auffallend. Die Hörner sind sehr stark, an der Wurzel dicker, an der Spitze stumpfer und in ihrer Biegung einfacher als die des vorigen. Die Beine sind verhältnismäßig kurz und sehr schlank. Kopf, Hals, Schultern, Vorderleib und Vorderschenkel, der Vorderteil der Hinterschenkel und die Schwanzspitze sind lang, die Schulterteile mähnig. Kinn und Unterhals bartartig, die übrigen Leibesteile kurz und dicht gleichmäßig graubraun behaart. Der W. ist sehr lebhaft, geht stets eiligen Schrittes, wird im Galopp nur mit Mühe vom Pferd eingeholt, schwimmt auch gut, ist geistig wenig begabt, furchtsam, nicht leicht erregbar, entwickelt aber in der Wut große Wildheit. Der W. lebt in Herden, in denen die Stiere für sich und die Kühe mit den noch nicht zeugungsfähigen Kälbern gesonderte Trupps bilden, und zieht vom Juli an südwärts, um im Frühjahr wieder nach dem Norden zurückzukehren. Im Winter sucht er die waldigen Gegenden auf. Das hauptsächlichste Futter bildet ein die Prärien bedeckendes niedriges Gras. Während der Brunstzeit entwickelt der Stier einen unerträglichen Moschusgeruch, der auch das Fleisch durchdringt. Die Kühe kalben neun Monate nach der Brunstzeit. Der amerikanische W. bewohnte einst fast das ganze Nordamerika, westlich bis Nevada und Oregon, zwischen 65 und 25° nördl. Br., besonders die Prärien; er war in Herden von Millionen verbreitet und gewissermaßen das Haustier der Indianer, das ihm Nahrung und Kleidung lieferte; durch die Weißen wurde er zurückgedrängt und in weiten Strecken ausgerottet, aber erst seit Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrh. begann von den Pacificbahnen aus ein Vernichtungskampf, bei dem geringen Gewinnes halber die Tiere massenweise getötet wurden. 1907 lebten in den Vereinigten Staaten nur noch 650 Stück und ebensoviel in Kanada, die meisten im Privat- oder Staatsbesitz, höchstens 500 im wilden Zustand. In der Gefangenschaft hält sich der Büffel sehr gut und pflanzt sich regelmäßig fort, er soll sich auch mit Hausrindern paaren und fruchtbare Nachkommen erzeugen. Vgl. Allen, The American Bisons, in den »Memoirs of the Museum of comparative zoology at Harvey College« (1876, Bd. 4); Westberg, Über die Verbreitung des W. (Riga 1900).