Wolfenbüttel

[725] Wolfenbüttel, Kreisstadt im Herzogtum Braunschweig, an der Oker, mit zwei Bahnhöfen Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Jerxheim-Braunschweig und W.-Harzburg sowie der Eisenbahn W.-Hohenweg und einer elektrischen Straßenbahn nach Braunschweig, 75 m ü. M., hat 3 evang. Kirchen, darunter die Hauptkirche (Beatae Mariae Virginis) mit großer Orgel und den fürstlichen und herzoglichen Erbbegräbnissen, eine kath. Kirche, Synagoge und ein altes fürstliches Residenzschloß, jetzt Lehrerinnenseminar mit höherer Töchterschule.

Wappen von Wolfenbüttel.
Wappen von Wolfenbüttel.

Dem Schlosse gegenüber liegt das Gebäude der berühmten Bibliothek, deren Bibliothekar Lessing einst war, 1887 neu errichtet, mit zwei mächtigen ehernen Löwen vor dem Eingang und einem Denkmal Lessings in der Vorhalle. Die Bibliothek enthält 300,000 Bände, darunter 800 Bibeln, eine große Anzahl Inkunabeln und 10,000 Handschriften, dabei Bruchstücke aus Ulfilas'gotischer Bibelübersetzung. Vor dem Rathaus ein Brunnen mit dem Standbild des Herzogs August, Gründers der Bibliothek. W. zählte 1905 mit der Garnison (eine Abteilung Feldartillerie Nr. 46) 19,083 Einw., davon 1520 Katholiken und 280 Juden. Die Industrie besteht in Flachs- und Jutespinnerei, Fabrikation von Maschinen, Armaturen, Kupferwaren, Korken, Seife, Leder, Tabak etc., Bereitung von Konserven, Zucker- und Wurstwaren, hat Kunsttischlerei, ein Elektrizitätswerk, Ziegel- und Kalkbrennerei sowie Müllerei. Bedeutend ist der Gartenbau. W. hat ein Gymnasium, eine Realschule, eine jüdische höhere Lehranstalt (Samsonschule), ein Prediger-, ein Lehrer- und ein Lehrerinnenseminar, eine Erziehungsanstalt für Mädchen, ein Waisenhaus, eine Diakonissenanstalt, ein Feierabendhaus für Lehrerinnen, eine Strafanstalt, ein Theater, ein Gewerbe- und ein Altertumsmuseum und ist Sitz des herzoglichen Konsistoriums, eines Amtsgerichts, eines Forst- und eines Hauptsteueramts und des Landeshauptarchivs. Die ehemaligen Festungswerke sind in Promenaden verwandelt. Unweit W. liegt das im J. 1000 gestiftete Frauenstift Steterburg. – Neben der Burg W., die, 1118 zuerst erwähnt, 1283 zum Schutz der nunmehr über W. geführten westöstlichen Straße von Herzog Heinrich neu aufgebaut wurde, entstand seit 1300 die Stadt, deren Teile (Heinrichsstadt, Juliusstadt, Gotteslager, Auguststadt) erst 1747 zu einer Gemeinde vereinigt wurden. Seit 1267 nannte sich eine Linie des Hauses Braunschweig nach W., und die Herzoge residierten bis 1754 meist hier. 1542–47 war W. im Besitz der Schmalkaldischen. Bei W. siegten 29. Juni 1641 die Schweden über die Kaiserlichen; zum Andenken daran prägte man die sogen. Glockentaler. Vgl. Bege, Geschichte der Stadt W. (Lüneb. 1832); Voges, Erzählungen aus der Geschichte der Stadt W. (Wolfenb. 1882); v. Heinemann, Die herzogliche Bibliothek zu W. (2. Aufl., das. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 725.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: