Flachs

[647] Flachs, die Faser des zur Gattung Linum (s.d.) aus der Familie der Linazeen gehörenden gemeinen Flachses (Linum usitatissimum L., s. Tafel »Faserpflanzen I«, Fig. 9), der schon im alten Ägypten angebaut wurde, während in der jüngern Steinzeit nur das im Mittelmeergebiet heimische L. angustifolium Huds. mit aufspringenden Kapseln und kleinern Samen bekannt war. Man unterscheidet: Schließ- oder Dreschlein (L. vulgare Boennigh.), mit nicht aufspringenden Samenkapseln, hohem, wenig verästeltem Stengel und minder feiner und weicher Faser, vorzüglich in Rußland, Norddeutschland, Österreich, Belgien, Holland und England angebaut; Spring- oder Klanglein (L. crepitans Boennigh.), dessen Kapseln aufspringen, mit kürzerm, ästigerm Stengel, größern Blättern, Blüten und Samenkapseln, feinerer, weicherer, aber kürzerer Faser, etwas hellerm und ölreicherm Samen und von kürzerer Vegetation als der Schließlein, häufig in Süddeutschland kultiviert; weiß blühender, auch amerikanischer Lein (L. americanum album), wird selten gebaut. Winterlein, vorzüglich in Italien, Südfrankreich, Spanien, Algerien und Ägypten angebaut, bleibt im Stengel kurz, bringt aber reichlich Samen. Im Handel erscheinen vorzüglich die Dreschleinsorten: Pernauer, Pskower, Wiedauer, Libauer und Rigaer, auch unter dem Namen russischer, Liv- oder Kurländer, in Tonnen verpackt als »Tonnenlein«, in Säcke verpackt als »Sacklein«, ferner Zeeländer, Tiroler und rheinländischer Lein. Der Rigaer und der Zeeländer Lein werden vielfach zur Frühsaat benutzt, während bei Spätanbau der Wiedauer dient. Kronen- oder Rosenlein bezeichnet keine eigne Sorte, sondern nur den aus eingeführten Originalsamen gezogenen Säelein, auch »einmal gesäter« Lein genannt.

Flachsbau.

Der F. gedeiht am sichersten in feuchtem, kühlem Klima, bei Trockenheit bleibt er kurz im Stengel, Kälte verträgt er in seiner Jugend nur bei kräftiger Entwickelung. Zu seiner vollständigen Vegetation braucht[647] er 84–120 Tage. Er wird vorzüglich in ganz Europa, Ägypten, Algerien, Australien, Ostindien angebaut. Die klimatischen Verhältnisse haben einen weit größeren Einfluß auf die Qualität und Quantität des geernteten Flachses als die Bodenbeschaffenheit. Unter dem Einfluß des Seeklimas in den Ostseeprovinzen Rußlands, in Belgien, Holland und vor allem in Irland werden die wertvollsten Flachse gezogen; die feinsten Gewächse erhält man auf humosem Lehmboden; Tonboden und dürrer Sand sagen dem F. nicht zu. Gewöhnlich baut man den F. nach frisch umbrochenem Rotklee oder einer Grünfutterpflanze, häufig auch nach Getreide oder gut gedüngter Hackfrucht. Nach sich selbst versagt er (Leinenmüdigkeit), weshalb er nur alle 7–9 Jahre auf dasselbe Feld wiederkehren darf. Frischer Stallmist ist zu vermeiden, derselbe ist zur Vorfrucht zu geben. Vorzüglichen Erfolg hat das Überfahren mit Jauche und Latrine sowie das Überstreuen von Kompost, Holzasche, Kainit. Die Vorbereitung muß gartenmäßig gegeben werden, besonders um gleichmäßigen F. zu erhalten. Als Saatgut dient teils im Samenwechsel bezogener Original-, teils selbstgezogener Same. Alter, zwei- auch dreijähriger Same wird oft vorgezogen, da er bessern Bast liefern soll; zu demselben Zweck wird der Same vor der Aussaat nicht selten bei 30° gedörrt. Zum Reinigen der Saatfrucht dient die Leinsamenklapper und Drahtsiebe mit zwölf Maschen auf 2,5 cm. Die Aussaat erfolgt möglichst frühzeitig. Um gleichmäßigen Stand zu erhalten, sät man breitwürfig oder auf 12 cm gedrillt der Länge und Quere des Feldes nach. Der Same wird angewalzt oder bei Breitsaat mit dem Rechen eingeharkt. Der Samenaufwand beträgt bei Basterzeugung 200 kg, bei Samenzucht 100 kg und bei Gewinnung des Länderflachses 300 kg pro Hektar. Ist der F. 6,5 cm hoch, so wird gejätet. Feinde des Flachses sind: Erdflöhe, die Raupe der Gammaeule (Plusia gamma), Engerlinge, der Flachsknotenwickler (Conchylis epilinana), Flachsseide (Cuscuta epilinum) und verschiedene Unkrautpflanzen sowie ein Rostpilz (Melampsora lini), der den Brand (Firing oder Feuer) verursacht. Sobald das untere Drittel der Stengel gelblich geworden und die Blätter abgefallen sind, wird der F. gerauft; nur bei Samengewinnung wartet man die Hartreife ab. Beim Raufen des Flachses beginnt schon das Sortieren nach Länge, Stärke und Reife der Stengel, die dann auf dem Feld ausgebreitet werden. Die auf dem Feld ausgebreiteten Stengel bleiben meist so lange liegen, bis sie lufttrocken sind; besser stellt man sie nach dem Ziehen in Hocken oder kleinen Kapellen auf. Lufttrocken geworden, werden die Samenkapseln (Leinknoten) abgedroschen, besser mit der Riffel, Riffelbank, einem eisernen Kamm, abgeriffelt oder abgebottet. Den vom lufttrocknen F. abgelösten Samen läßt man bis zum Verbrauch in den Samenkapseln liegen; die grün abgeriffelten Bollen werden auf einem Tuch ausgebreitet und der Sonne ausgesetzt, getrocknet, gereinigt und in Fässern gut verpackt.

Zubereitung des Flachses.

Zur Gewinnung der Flachsfaser (Flachs) unterwirft man den geriffelten F. (Rohflachs, Strohflachs) vier aufeinander folgenden Operationen: dem Rotten, dem Brechen, dem Schwingen und dem Hecheln. Das Rotten (Rösten; Rotte, Röste) bezweckt die Zerstörung des Pflanzenleims, der den Bast (das eigentliche Fasermaterial) mit dem Stengel verklebt, durch einen Gärungsprozeß, also auf chemischem Wege. Bei der gewöhnlichen Wasserrotte läßt man den Strohflachs mit den Wurzelenden nach abwärts in Gruben, mit Wasser bedeckt, so lange stehen, bis der unter Bildung von Essigsäure, Ammoniak Schwefelwasserstoff u. Kohlensäure verlaufende Zersetzungsprozeß so weit fortgeschritten ist, daß sich der Bast leicht vom Holz abstreifen läßt. Man unterscheidet Rotte im stehenden und im fließenden Wasser, je nachdem das Wasser erst nach der Rotte oder auch während der Rotte abgelassen und erneuert wird. Bei der Schlamm- oder blauen Rotte (in Belgien) werden Schlamm und Erlenzweige mit in die Gruben geworfen, wodurch der F. eine stahlgraue Farbe erhält. Der je nach der Witterung in 5–14 Tagen sich vollziehenden Wasserrotte stehen die sehr langsam verlaufenden Luft-, Tau- und Schneerotten gegenüber, wobei der F. auf dem freien Feld ausgebreitet wird. Sehr gebräuchlich ist die gemischte Rotte, mit einer Vorrotte im Wasser und einer Nachrotte im Tau, wobei der F. reine gleichmäßige Farbe, große Festigkeit und Geschmeidigkeit erhält. In Flachsbereitungsanstalten erfolgt das Rotten unabhängig von der Witterung mitunter in Wasserdampf (Dampfröste), gewöhnlich aber in Wasser (Schenksche, amerikanische oder Warmwasser-Rotte) bei etwa 20 bis 32° in großen, mit Dampfröhren versehenen Bottichen in 60–72 Stunden, oder nach der Methode von Baur mit sehr verdünnter Schwefelsäure (5 Schwefelsäure auf 100 Stengel) bei erhöhter Temperatur (90–100°) in geschlossenen, verbleiten Kesseln unter starker Luftverdünnung und darauf folgender Neutralisation der Säure mit Soda, nachdem die erste Brühe abgelassen, ebenfalls mit Luftverdünnung. Dann folgt noch ein Spülen und Trocknen. Zur Röste bringt man den frisch gezogenen und abgeriffelten, oder den vorher lufttrocken gemachten F. Das erstere Verfahren (Grünröste) liefert weniger gute Qualität als das zweite Verfahren, bei dem man den F. erst im kommenden Jahr zur Röste bringt, weil durch das Liegenlassen die Faser an Festigkeit und Griff gewinnt. Vor dem Brechen unterliegt der F. gewöhnlich einem einfachen Wasch- oder Quetschprozeß in einem hölzernen Walzwerk und wird dann in Dörrgruben, Dörrkammern oder Ofen, selbst in Backöfen getrocknet, wobei die Erwärmung nicht über 50° steigen darf, weil dann die Faser mehr oder weniger an Milde und Griff verliert. Vorteilhaft dörrt man den F. in der Sonnenwärme.

Der mechanische Prozeß der Flachsbereitung beginnt nach sorgfältiger Sortierung mit dem Knicken oder Brechen, um den holzigen Kern des Flachsstengels in kleine Stückchen zu brechen.

Fig. 1. Brake.
Fig. 1. Brake.

Es dient dazu meist noch die ein- oder zweizüngige hölzerne, selten eiserne Handbreche (Brake, Fig. 1) mit dem aus zwei Zungen bb gebildeten Messer M und der mit drei Schienen a a a versehenen Lade L L, die auf die zwischengelegten Stengel gestoßen wird, daher die Faser leicht beschädigt und eine geringe Ausbeute an spinnbarer Faser liefert. Zweckmäßig wird z. B. in Belgien der geröstete F. vor dem Brechen auf einer Tenne mit einem hölzernen,[648] gekerbten Botthammer geknickt, oder besonders in Deutschland vielfach mit glatten hölzernen Bleueln (Blauel, Bocker; Plauel- oder Pockmühlen) geschlagen. Der Abfall beim Brechen heißt Schäbe (Annen, Achenen, Agen) und besteht aus den holzigen Teilen des Stengels mit möglichst wenig Fasern.

Fig. 2. Brechmaschine.
Fig. 2. Brechmaschine.

Bei der Flachsbereitung im großen dienen zum Brechen Brech- (Knick-) oder Stechmaschinen von sehr verschiedener Konstruktion. Die gebräuchlichsten bestehen aus mehreren gekerbten Walzenpaaren, die der F. passiert, und deren Walzen am besten (Fig. 2) aus messerartigen Schienen m m gebildet sind, die durch Scheiben s s zusammengehalten werden. Die Brechmaschine von Kaselowsky (Fig. 3) besteht aus dem Hackklotz L, der mit vier Messern versehen ist und durch die Kurbel B schnell auf und ab bewegt wird, während der F. von dem Walzenpaar o vorgeschoben, von der drehenden Trommel W mit den vier Messerpaaren l l l l dem hackenden Werkzeug L dargeboten wird, das durch die Stange f eine Geradeführung erhält. Der Antrieb dieser Maschine erfolgt durch die Riemenscheibe R auf das Rad c und von c auf d und W sowie durch die Stiftenräder g und h auf die untere Einziehwalze o in der Weise, daß L bei jeder Vierteldrehung von W einmal zustößt.

Fig. 3. Kaselowskys Brechmaschine.
Fig. 3. Kaselowskys Brechmaschine.

Mit höchst schonender Wirkung erfolgt die Zerteilung des Holzes auf der in neuester Zeit eingeführten Stechmaschine. Die hierbei benutzten Werkzeuge bestehen aus einem Paar viereckiger Platten a b (Fig. 4), die auf ihrer innern Seite mit kegelförmig zugespitzten Zinken oder Nadeln besetzt sind, so daß die Nadeln zwischeneinander treten und an möglichst vielen Stellen das Material durchstechen, das von einer Kluppe B gehalten, von oben eingehängt und nach jedem Stoß in der Richtung des Pfeiles p etwas vorgerückt wird, während zwei feststehende Roste r1 und r2 den F. von den Nadeln abstreifen.

Fig. 4. Stechplatten.
Fig. 4. Stechplatten.

In der Schäbestechmaschine (Fig. 5) hängen diese Platten mit den Schwingen a a an den Achsen b, und b2 und erhalten ihre Pendelbewegung (230mal in der Minute) von Kurbelzapfen der Wellen d, und d2 durch die Lenkstangen e e. Die Träger f f stützen die Roste. Die Bahn B1 bewegt sich auf und ab und nimmt Wanderkluppen (wie bei den Hechelmaschinen) mit Flachsbündeln (Risten) auf, die an einer Seite auf die Bahn gelegt, nach jeder Hebung des letztern von einer Stoßstange der andern Seite um eine passende Länge zugeschoben werden. In der Regel enthält eine solche Maschine vier Paar Platten mit Nadeln von 80 mm Länge und von absteigender Feinheit.

Die vollständige Entfernung der holzigen Teilchen von der Flachsfaser wird durch das Schwingen erreicht.

Fig. 5. Schäbestechmaschine.
Fig. 5. Schäbestechmaschine.

Dazu dient entweder nur das einfache hölzerne schwert- oder flügelförmige Schwingmesser, mit dem der mit der linken Hand festgehaltene, frei über das Schwingbrett herabhängende F. wiederholt gestrichen wird; oder man benutzt Schwingmaschinen, bei denen 4,6,8 und mehr Messer mit elastischen Stielen radial auf einer Drehachse sitzen u. an einem Schwingstock, über dem der F. von dem Arbeiter gehalten wird, vorüberstreichen. Bei einem andern Systeme sitzen Schwingmesser achsial auf einer Trommel oder sternförmig angebrachten Armen, während der Schwingstock, auf dem der F. aufgelegt wird, einen verstellbaren, federnden Mantel bildet. Vielfach geht mit dem Schwingen das Ribben mit dem Ribbenmesser Hand in Hand, indem man den auf einem Leder (Ribbeleder) liegenden F. an besonders festen Stellen mit der stumpfen Schneide einer Klinge behutsam schabt. Seitdem der F. nur noch wenig auf dem Spinnrad versponnen wird, kommt er gewöhnlich als Schwingflachs in zopfartig zusammengedrehten Bündeln auf den Markt, die man unter andern in Holland in Säcke packt und damit in einem dunkeln, nicht allzu trocknen Raum in drei Schichten auseinander liegen läßt, weil der F. dadurch ungemein an Milde und Griff gewinnt. Auch das Werg, das beim Hecheln gewonnen wird, wird wesentlich besser, wenn es bis zum Verspinnen, in starke leinene Tücher fest eingeschlagen, an einem kühlen und trocknen Ort aufbewahrt wird.

Die letzte Vorbereitung des Flachses besteht im Hecheln, wodurch die im Schwingflachs noch bandartig zusammenhängenden Fasern isoliert werden. Hierzu dient die Hechel, die aus einer viereckigen Platte mit aufrechtstehenden, schlanken, runden, sehr spitzen Stahlzähnen (Nadeln) von 7–15 mm Länge besteht, die reihenweise so befestigt sind, daß jeder einzelne Zahn eine Lücke der vor und hinter ihm laufenden [649] Reihe deckt, und in mehreren Abstufungen der Feinheit aufeinander folgen. Man beginnt mit einer groben und weitständigen Hechel (Abzugshechel) und schließt mit der feinsten (Ausmachehechel). Beim Durchziehen durch die Hechelzähne wird der Bast nicht nur durch Spalten in einzelne Fasern zerlegt, sondern auch eine Ausscheidung kurzer Fasern (Werg, Hede) und der noch eingeschlossenen Holzteilchen bewirkt, d. h. der sogen. Reinflachs erhalten, der sich durch einen seidenartigen Glanz, vorzügliche Feinheit und Weichheit auszeichnet. In den Spinnereien erfolgt das erste Hecheln gewöhnlich auf Hechelmaschinen, das weitere Feinhecheln aber auf Handhecheln. Die Haupteinrichtung einer viel verwendeten Hechelmaschine, die zugleich die Grundlage aller Hechelmaschinen erkennen läßt, geht aus Fig. 6 hervor. Auf den endlosen Tüchern a1, b1 und a2, b2, die über die Scheiben o und u gespannt sind und von u aus in der Pfeilrichtung bewegt werden, befinden sich Stäbe mit Hechelnadeln besetzt, die den in den Kluppen c, c festgehaltenen F. hecheln, während diese Kluppen sich mit den Bahnen d, und d2 langsam auf- und abwärts bewegen.

Fig. 6. Hechelmaschine.
Fig. 6. Hechelmaschine.

Zu dem Zwecke ruhen die Bahnen auf den Schienen g, g, die bei f, und f2 ihre Führungen erhalten und sich bei r1 und r2 auf Rollen des Hebels h stützen, der eine schwingende Bewegung ausführt, indem dessen Rolle z in eine exzentrische Nute der sich mit o drehenden Scheibe r eintritt. Zum Ausstoßen der Hede aus den Hechelstäben dienen Stäbe, die sich in radikalen Schlitzen der Scheiben u, u durch ihr eignes Gewicht abwärts zwischen die Hechelstäbe bewegen und die Hede von den Hecheln abschieben, so daß sie von den Kämmen m, m, m, m aufgenommen wird. Um den F. stufenweise immer feiner hecheln zu können, werden die Hechelmaschinen mit mehreren nebeneinander liegenden Hechelfeldern mit Hecheln von zunehmender Feinheit ausgestattet. Jedesmal nun, wenn eine Flachskluppe, z. B. c rechts, oben angekommen ist, wird sie in der Bahn um die Breite eines Hechelfeldes horizontal verschoben und somit in den Bereich des Nachbarfeldes geschoben. Hierzu dient der um den Zapfen p schwingende Hebel p n, der von einer Nutscheibe auf o und Rolle x in Schwingung versetzt wird und diese durch die Schiebstangen s1 und s2 und die Schienen f1 und f2 mittels Stoßklinken auf die Kluppen c, c überträgt. Der Erfinder der oben beschriebenen Stechmaschine (Cardon) hat diese mit einer Brechmaschine, Schwingmaschine und Hechelmaschine derart vereinigt, daß die Kluppen mit dem F. in ununterbrochener Reihenfolge sämtliche Maschinen passiert. – Beim Hecheln des Flachses entsteht als Abfall das unter Werg (Hede) bekannte kurzfaserige Material, das für sich versponnen wird. Aus dem Rohflachs kann im Durchschnitt 12–15 Proz. Fasern (Hechelflachs und Werg) gewonnen werden. Über Flachsindustrie s. Textilindustrie.

Eigenschaften der Flachsfaser. Handelssorten.

Der vollkommen ausgehechelte F. (Hechelflachs) hat Fasern von 300–600, höchstens 700 mm Länge. Je länger die Faser ist bei gleicher Feinheit, um so höher wird der F. geschätzt. Jede Faser besteht ferner aus einer Anzahl feinerer und kürzerer (20–40 mm langer) Fasern, die durch den Rest des Pflanzenleims zusammengehalten werden, fast zylindrisch rund und etwa 0,012–0,025 mm dick. Wird der F. in warmes Wasser gelegt, so lassen sich infolge der Erweichung des Leimes diese Elementarfasern auseinander ziehen, worauf das Spinnen (s.d.) in warmem Wasser beruht. Die Farbe des besten Flachses ist lichtblond oder silbergrau; dunkle braune oder braungelbe Farbe ist ein Zeichen unrichtiger Behandlung. Der beste F. zeigt einen schönen Seidenglanz. Lufttrocken enthält die Flachsfaser 5,70–7,22 Proz. Wasser, jedoch steigt, in einen mit Wasserdampf gesättigten Raum gebracht, ihr Wassergehalt auf 13,9–23,36 Proz. Der Aschengehalt der völlig getrockneten Faser schwankt von 1,18 bis 5,93 Proz. Im Handel unterscheidet man russischen (besonders Rigaer), Königsberger, Danziger (podolischen), belgischen, holländischen, deutschen und neuerdings auch ägyptischen (Ben Saïd, alexandrinischen) F. mit zahlreichen Qualitätsstufen.

Gegenwärtig produzieren nur Rußland und die Niederlande regelmäßig mehr F., als sie verbrauchen. In Deutschland besitzt der Flachsbau eine über den Durchschnitt sich erhebende Ausdehnung in einzelnen Gegenden von Ostpreußen, Hessen-Nassau u. Bayern. Die Gesamtproduktion Europas wird auf 700,000 Ton. geschätzt. Davon entfallen 500,000 T. auf Rußland, ca. 100,000 T. auf Deutschland und Österreich. Seit den 1870er Jahren hat vielfach eine Abnahme der Flachskultur stattgefunden, und es wurden z. B. mit F. bebaut

Tabelle

In Holland, Belgien, Finnland wächst dagegen der Flachsbau. Britisch-Ostindien, die Vereinigten Staaten, Argentinien und einige andre außereuropäische Gebiete bauen F. fast ausschließlich zur Samengewinnung.

Der Leinsame wird 3,5–5,5 mm lang, ist gelbbraun, glänzend, riecht schwach unangenehm, schmeckt schleimig-fettig. Unausgereifte Samen, die man gewissermaßen als Nebenprodukt bei der Flachsgewinnung erhält, sind kleiner, leichter, meist auch mehr grünlich gefärbt. Diese Samen sind wohl für die Ölgewinnung (Schlaglein), aber nicht zur Aussaat (Saatlein) tauglich. Der Same enthält ca. 8 Proz. Wasser, 33 Proz. fettes Öl, 25 Proz. Eiweißstoffe, Spuren von Gerbsäure und 4–5 Proz. mineralische Stoffe. Man benutzt ihn auch zur Darstellung eines starken Schleims (1 Teil Same, mit 50 Teilen Wasser[650] mazeriert), der als einhüllendes Mittel Anwendung findet; gepulverter Leinsame dient zu erweichenden, schmerzlindernden Umschlägen; doch versteht man unter Leinmehl gewöhnlich gepulverte Leinölkuchen, die Rückstände vom Pressen des Leinöls. Vgl. Ölkuchen.

Vgl. Kodolányi, Kultur und Zubereitung des Flachses (5. Aufl., Wien 1891); Giersberg, Der Flachsbau (Leipz. 1877); Pfuhl, Fortschritte in der Flachsgewinnung (Riga 1886 u. 1895); Schindler, Die Flachsbau- und Flachshandelsverhältnisse in Rußland (Wien 1894); Kuhnert, Der F., seine Kultur und Verarbeitung (Berl. 1897); Herzog, Die Flachsfaser in mikroskopischer und chemischer Beziehung (Trautenau 1896); Hecker, Der F. (Schöneberg-Berlin 1897); Spennrath, Materiallehre für die Textilindustrie (Aachen 1899); Zipser, Die textilen Rohmaterialien (2. Aufl., Wien 1899); Wiesner, Die Rohstoffe des Pflanzenreichs, Bd. 2 (2. Aufl., Leipz. 1902); »F. und Leinen. Mitteilungen des Verbandes der österreichischen Flachs- und Leinen-Interessenten« (hrsg. von E. v. Stein, Trautenau u. Wien 1894ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 647-651.
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