Zunz

[1020] Zunz, Leopold, jüd. Gelehrter, geb. 10. Ang. 1794 in Detmold, gest. 18. März 1886 in Berlin, studierte von 1815 ab in Berlin Philologie, Philosophie und Geschichte. 1820 ward er Prediger an dem zur Gemeindesynagoge erhobenen »Beerschen Tempel«, 1824 Mitredakteur der »Spenerschen Zeitung« und wirkte gleichzeitig 1825–29 als provisorischer Direktor der neugegründeten jüdischen Gemeindeschule in Berlin. 1835 ging er als Prediger nach Prag, kehrte aber bald nach Berlin zurück, um die Leitung des 1839 hier errichteten, 1850 wieder eingegangenen Lehrerseminars zu übernehmen. 1845 ward er auch Mitglied der vom Kultusministerium ernannten Kommission, die über Gemeinde- und Schulverhältnisse der Israeliten in Preußen ein Gutachten ausarbeitete. Z., der seit 1850 nur noch literarisch tätig war, ist der Schöpfer der modernen Wissenschaft des Judentums, zu der er den Plan bereits 1818 in seiner Schrift »Etwas über die rabbinische Literatur« entwarf. Zur Ausführung dieses Planes tat er den ersten Schritt mit der Begründung der »Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums« (Berl. 1822–23), in der er die musterhafte Monographie »Raschi« veröffentlichte. Epochemachend war sein Werk »Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden« (Berl. 1832; 2. Aufl., Frankf. a. M. 1892), in dem er die Haggada und über sie hinaus die Entwickelung der synagogalen Vorträge von Esra bis auf die Neuzeit wissenschaftlich untersuchte. Seine Studien über die synagogale Poesie legte er nieder in den drei Hauptwerken: »Die synagogale Poesie des Mittelalters« (Berl. 1855), »Die Ritus des synagogalen Gottesdienstes« (das. 1859) und »Literaturgeschichte der synagogalen Poesie« (das. 1865, Nachtrag 1867). Von seinen vielen übrigen Schriften sind hervorzuheben: »Die Namen der Juden« (Berl. 1836); »Zur geographischen Literatur der Juden« (engl. in der Asherschen Ausgabe der Reisen des Benjamin von Tudela, das. 1840–41); »Zur Geschichte und Literatur« (das. 1845); »Die Vorschriften über Eidesleistungen der Juden« (das. 1859); »Die Monatstage des Kalenderjahrs« (das. 1872). Seine politischen und sonstigen Vorträge sind mit zahlreichen Einzelarbeiten seines eigentlichen Forschungsgebietes abgedruckt in den »Gesammelten Schriften« (Berl. 1875–76, 3 Bde.), herausgegeben von dem Kuratorium der Z.-Stiftung, die ihm zum 90. Geburtstag eine »Jubelschrift« widmete (das. 1884). Unter Zunz' Redaktion erschien auch von 1839 an eine Bibelübersetzung, für die neben ihm Arnheim, Sachs und Jul. Fürst tätig waren. Vgl. Braun und Kaufmann, Leopold Z. und seine Familie (Bresl. 1895); Maybaum, Aus dem Leben von Leopold Z. (Berl. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 1020.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika