[74] Accrescenz (Accretion), Zuwachs, Zunahme, Vermehrung; daher Accrescenzrecht (, Jusacerescendi), das nach römischem Rechte durch den Wegfall[74] eines od. mehrerer Testaments- od. Intestaterben, od. eines od. mehrerer Legatare den übrigen Miterben u. bezüglich Collegataren entstehende Recht auf die Erbportionen u. bezüglich Legate der wegfallenden Erben u. Collegatare. a) Das A. der Erben beruht auf der eigenthümlichen Ansicht des römischen Rechts, daß die einmal erfolgte Delation jedem Erben nicht blos ein Recht zu seinem Theile, sondern zu dem Ganzen gibt, daher der Eintritt anderer Erben nicht erfolgen darf, so lange aus der ersten Delation noch ein Berufener übrig ist. Es fällt daher, wenn neben dem wegfallenden Testamentserben noch ein anderer berufen war, das freigewordene Erbtheil nicht auf die Intestaterben, sondern auf den andern Testamentserben. Das A. kann auch im Testamente nicht ohne weiteres verboten, wohl aber indirect durch Substitution (s.d.) umgangen werden, u. es tritt von Rechtswegen ein, so daß es einer besonderen Antretung der accrescirenden Portion nicht bedarf, es vielmehr sogar gegen den Willen des übrig bleibenden Erben seine Wirkung auf ihn äußert. Ausgeschlossen wird es jedoch, wenn der weggefallene Erbe ein Transmissionsrecht (Transmissio hereditatis) hatte, weil dies als Übertragung der ersten Delation gilt, u. bei dem militärischen Testament, weil hier nur der Wille des Testators entscheidet. Außerdem fällt es weg, wenn der abgehende Erbe die Erbschaft schon erworben hatte; ferner wenn der Erbe die Erbschaft nur verlor, weil er derselben gesetzlich unwürdig war (s. Indignität). Der armen Wittwe, dem Pflichttheilsberechtigten u. dem Erben, der nur zu einer bestimmten Sache gerufen ist, kann das A. nicht abgesprochen werden; doch tritt es bei dem Letztern nur dann ein, wenn er von allen anderen Erben noch allein übrig ist; bis dahin ist er nur als Legatar anzusehen. Einen Vorzug bei dem A. gewährt noch die Conjunction mehrerer Erben. Der Regel nach wächst nämlich die wegfallende Portion allen übrigen Erben nach Verhältniß ihrer ihnen sonst bestimmten Erbtheile zu. Ist aber ein Erbe mit einem oder mehreren andern zugleich zu demselben bestimmten od. unbestimmten Antheile gerufen (Conjuncti, Conjunctim instituti), so wächst, wenn er wegfällt, sein Antheil blos den mit ihm Verbundenen zu, wenn sie auch nicht in Einer Redeformel mit ihm verbunden sind. b) Das A. der Collegatare beruht auf der Präsumtion, daß der Testirer den Theil des wegfallenden Legatars lieber den Collegataren, als den Erben habe zuwenden wollen. Die Collegatare sind entweder in demselben Satze der letzten Willensstiftung ohne Vertheilung der Sache verbunden (Re mixtim conjuncti et ver- bis conjuncti); od. sie sind zu gleichen od. ungleichen, jedoch verschieden angegebenen Theilen derselben Sache in derselben Verfügung berufen (Verbis conjuncti); od. sie sind in verschiedenen Sätzen genannt (Disjuncti s. re tantum con-, juncti, verbis disjuncti). Der wegfallende Antheil eines Conjunctus fällt (wenn dies geschah, ehe Letzterer ein Recht darauf erhielt), blos den mit ihm Verbundenen, der eines Disjunctus aber allen Collegataren zu. Schlägt Jemand ein Legat aus, der keinen Collegatar hat, so fällt es dem zu, der es nach dem Testamente hätte entrichten sollen. Nie hat aber der Legatar das A. an der ganzen Erbschaft, wenn auch alle Erben wegfallen. Das A. gilt zwar jetzt noch als Theil des gemeinen Rechtes, neuere Particulargesetze (z.B. Österreich, Preußen, Frankreich) haben indessen es meist abgeschafft u. die Entscheidung darüber, was mit der freigewordenen Portion eines wegfallenden Erben zu geschehen habe, wie dies das römische Recht schon bei dem A. des Collegatar gethan hat, blos auf den muthmaßlichen Willen des Erblassers gestellt. Bei Testamenten fällt die freigewordene Portion daher nicht den anderen Testaments-, sondern den Intestaterben zu, wenn nicht etwa der Erblasser ausdrücklich einen entgegengesetzten Willen zu erkennen gegeben hat.