Brahmanen

[171] Brahmanen (Braminen, d.i. Brahma's Söhne, die Göttlichen), die Gottesgelehrten in Indien, bilden die vornehmste Kaste, sie gelten als aus Brahma's Haupte hervorgegangen u. sind heilig u. unverletzlich u. der Priesterwürde allein fähig. Ihre Auszeichnung: der Dschagnapavadan od. Punal, der Schultergürtel, bestehend aus 9 Fäden, von der Länge, daß man ihn 108 Mal um die geschlossene Hand winden kann; u. der Kudumi (Kondubi), kleiner Haarschopf, der beim Kahlscheeren des Kopfes am Hinterhaupte gelassen wird. Vor der Stirn, auf der Brust u. an den Armen tragen sie Schiwen zu Ehren das heilige Zeichen Brahmanen od. dem Wischnu zu Ehren blos an der Stirn das heilige Zeichen Kuri ♁. Sie haben eine doppelte Ordensregel: a) die äußere (Jaman) besteht in 5 Pflichten: immer die Wahrheit zu reden; kein lebendiges Geschöpf zu tödten; auf keine Art etwas zu veruntreuen; die strengste Keuschheit zu beobachten; nach dem Tode der Gattin nicht wieder zu heirathen; b) die innere Regel (Nijama) enthielt auch 5 Pflichten: höchste innere Reinigkeit zu beobachten; nach innerem Frieden zu streben; in beständiger Buße, Betrachtung u. Anschauung der Gottheit zu leben; die vollkommenste Kenntniß des göttlichen Gesetzes sich zu verschaffen u. es anzuwenden: unablässiges Denken an Schiwen als höchsten Gott. Ihre Beschäftigung ist, die Veda's zu lesen u. zu lehren, den Tempeldienst zu verrichten, bes. den Opfern vorzustehen, Almosen zu geben, den Gerichten beisitzen u. als Ärzte zu dienen. Ihre Aussprüche sind überall entscheidend, ein Verbrechen gegen sie das strafbarste; selbst der König muß sie hoch ehren, auch wenn sie die niedrigsten Beschäftigungen treiben, s. Indische Mythologie. Das Leben des B. zerfällt in 4 Stufen: a) Brahmatschark, die erste Stufe als Schüler, hier erhält der B. durch die feierliche Anlegung des Punal die Aufnahme in die Kaste u. studirt die Veda's, ist verpflichtet zu pünktlichem Gehorsam, Enthaltsamkeit, Reinheit des Herzens u. Bescheidenheit; nach 12 Jahren werden sie b) Grihasthen, sie werden jetzt entweder Priester bei einer Pagode, od. Hauspriester einer Familie od. gründen einen Hausstand u. beschäftigen sich mit Feld- u. Gartenbau u. bes. mit der Heranbildung der Söhne zu B-s; auf der 3. Stufe werden sie c) Vanaprasthen, vom 40. od. 50. Jahre bis zum 72. Der B. muß nun sein Familienhaus verlassen u. im Walde als Einsiedler leben, allen Bequemlichkeiten u. sinnlichen Genüssen entsagen, sich kasteien, fasten u. ein Kleid aus Baumrinde od. ein schwarzes Antilopenfell tragen, Haare u. Nägel dürfen nicht mehr beschnitten werden. Er nimmt nur das heilige Feuer mit u. verrichtet alle Festopfer; auf der 4. Stufe heißt der B. d) Bhikschu od. Sannyasi, wo er zum Anschauen Gottes kommt, um zu demselben im Tode zurückzukehren. Er entsagt deshalb Allem, was ihm angehört, u. überläßt sein Vermögen seiner Familie. Der Haarschopf wird ihm abgeschnitten, er entkleidet sich u. erhält als einzige Bekleidung ein weißes Tuch, ein kupfernes Gefäß, worin er stets etwas Wasser haben muß, um die erhaltenen Speisen damit zu reinigen, u. den Stab Dandam mit 7 natürlichen Knoten zur Erinnerung an die 7 großen Heiligen. So leben sie von Almosen, welches sie schweigend erbitten, baden sich täglich dreimal u. bestreichen Stirn u. Brust mit Asche von Kuhmist. Sie stehen im Geruch der höchsten Heiligkeit; wer zu ihnen geht, wirst sich andächtig vor ihnen nieder. Man begräbt sie in einer mit Salz angefüllten Grube, in sitzender Stellung, zerschlägt den Schädel mit einer Kokosnuß u. theilt das Gehirn unter die Umstehenden. Vgl. Brachmanen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 171.
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