[307] Opfer (v. lat. offerre, darbringen), jede Gabe, die man einem göttlichen Wesen darbringt, von welchem man sich mit seinem Dasein u. Besitz, Wirken u. Leiden abhängig weiß. Die Darbringung solcher Gaben geschieht entweder aus Liebe u. Dankbarkeit für die von dem Gotte empfangenen Wohlthaten, od. aus Furcht u. dem Streben, die Rache des beleidigten Gottes abzuwenden od. dessen Gnade wieder zu erwerben. Die Opfergabe muß aus dem Besitz des Darbringenden sein, womit die Idee der eigenen Entäußerung zu Ehren des Gottes ausgedrückt wird, u. zwar besteht sie entweder in einem Gegenstande, welcher zur bleibenden Disposition des Gottes gestellt wird, wozu die Weihgeschenke gehören; od. in einem solchen, welcher sofort zu Ehren des Gottes verwendet wird u. immer erneuert werden muß, O. im engeren Sinne. Der Gebrauch des O-s reicht hinan bis an die Anfänge der Menschheit, denn schon Kain u. Abel brachten O. dar. Bei allen Völkern, wo ein geordnetes Cultuswesen besteht, wird das O. durch Vermittelung der Priesterschaft nach einem bestimmten Rituale gebracht u. sind verschiedene Arten von O-n bestimmt.
I. Von den O-n der Heiden kommen hier nur die der Griechen u. Römer zur Darstellung, indem die der andern Völker unter den bezüglichen Artikelnüber deren Religion aufgeführt sind. A) Nach dem Material der O. unterscheidet man blutige u. unblutige. a) Die blutigen O. bestanden: aa) aus Thieren. Die Wahl derselben war durch gewisse Rücksichten bestimmt; gewöhnlich hatte jeder Gott seine besonderen Thiere, welche ihm geopfert wurden, entweder weil ihm deren Fleisch angenehm od. weil das Thier den Werken schädlich war, als deren Schutzgottheit u. Förderer er galt, in letzter Beziehung wurden z.B. der Demeter Schweine u. dem Bakchos Böcke geopfert, weil jene die Saaten, diese die Reben beschädigen. Zu den seltenern Thieropfern gehörten Pferde, welche den Flußgöttern, Hirsche, welche der Artemis, Vögel, z.B. Hähne,[307] welche dem Asklepios, Tauben, welche der Aphrodite, Wachteln, welche dem Herakles, ferner Hunde, welche in Rom den Laren, der Mana Geneta u. dem Robigus geopfert wurden. Die gewöhnlichen O. wurden von den gezüchteten Heerdenthieren gewählt, namentlich Rinder, Schafe, Schweine u. Ziegen, von denen bei den Römern die größeren Victimae, die kleineren Thiere Hostiae hießen. Zuweilen wurden verschiedene Gattungen vereinigt dargebracht, wie Stiere, Schafe u. Eber (Trittys, Suovetaurilia). Bei großen öffentlichen Festen war die Zahl der geopferten Thiere sehr groß, solche große O. hießen Hekatomben (s.d.), eigentlich O. von hundert Thieren, wiewohl sie gewöhnlich nicht diese Zahl erreichten (in Rom wurde im zweiten Punischen Kriege ein O. von 300 Stieren dargebracht). Als Regel galt, daß die zu opfernden Thiere makellos u. größere noch nicht zu menschlichen Diensten gebraucht waren; weiße wurden den obern, schwarze den Göttern der Unterwelt u. des Meeres gebracht; männliche Thiere den Göttern, weibliche den Göttinnen geopfert, so in Rom Stiere dem Neptun u. Apollo, Eber dem Mars, Kühe der Diana, Kuhkälber der Minerva, trächtige Kühe der Tellus, unfruchtbare Kühe der Proserpina etc.; bb) Menschenopfer kommen in der ältesten Zeit in Griechenland vor, so für den Lykäischen Zeus in Arkadien, für den Laphystischen Zeus in Thessalien u. für denselben Gott auf Creta. Sie erscheinen als Sühnopfer, wo durch die Darbringung Eines Individuums dem Zorn über die Gemeinde Genüge geleistet werden soll. Doch hörten sie mit der Gesittung des Hellenischen Volkes auf, u. es wurden entweder an der Stelle von Menschen Thiere dargebracht, wie eine Hindin statt der Iphigenia in Aulis; od. man wählte zu O. auch schon dem Tode bestimmte Missethäter; od. die zum Tode bestimmte Person konnte sich durch die Flucht retten, wie bei den Agrionien zu Orchomenos; od. es reichte die Vergießung von Blut hin, wie bei der Diamostigosis der spartanischen Knaben zu Ehren der Artemis. Bei den Römern kamen solche Menschenopfer auch vor; schon unter den ersten Königen wurden z.B. Verräther den unterirdischen Göttern, Verbrecher dem Jupiter Latiaris, der Mania Kinder geopfert; doch auch hier wurde diese rohe Sitte gemildert u. der Mania in der Zeit der Republik statt der Kinder blose Köpfe von Mohn u. Knoblauch dargebracht, gesetzlich abgeschafft wurden sie aber erst 97 v. Chr. b) Zu den unblutigen O-n gehörten: aa) die trocknen O., namentlich Erstlinge des Feldbaues, gesalzenes Schrot von gedörrtem u. gestampftem Spelt (Mola salsa), Kuchen, bes. Honigkuchen, u.a. Backwerk, welches oft die Gestalt von Thieren hatte; auch brachte man solche Thierfiguren aus Holz, Teig u. Wachs als Surrogate von Thieropfern dar (Victimae fictae); bb) Rauchopfer, wobei anfangs einheimische Räucherwerke, wie Cedernholz, Lorbeerblätter, Harz etc. verbrannt wurde, an deren Stelle später der Weihrauch allgemein trat. Diese O. wurden gewöhnlich in Verbindung mit andern gebracht. c) Trankopfer (Sponde, Loibe, Libatio), welche in dem Ausgießen einer Flüssigkeit, bes. Weins, bestanden u. entweder in Verbindung mit Brandopfern vorkamen, od. auch selbständig, so beim Gebet um das Gelingen eines Unternehmens, bei feierlichen Verträgen, bei Todtenopfern (Choä). Der Wein zur Spende mußte unvermischt, dagegen Öl, Milch, auch Honig konnte gemischt sein. Bei den O-n der Musen, Nymphen, Eumeniden, so wie des Helios u. der Aphrodite Urania in Griechenland durfte kein Wein gespendet werden; Milchspenden erhielten bei den Römern Pan, Silvanus, Rumina, Pales, Cumina u. die Camönen. B) Das Opferrituale wurde von besonderen Priestern vollzogen. Bei den Griechen wurde das Opferthier mit Kränzen u. Bändern (Stemmata) geschmückt, auch wohl an den Hörnern vergoldet, zum Altar geführt. Nachdem sich die Theilnehmer am O. durch Besprengen mit Wasser, in welches ein Brand vom Opferfeuer getaucht war, geweiht hatten, u. feierliche Stille geboten worden war, bestreuten die Opferpriester den Nacken des Thieres mit gerösteten Gerstenkörnern, schnitten demselben einen Büschel Haare von der Stirn, welcher in das Feuer geworfen wurde, schlugen es mit einer Keule od. einem Beil vor die Stirn u. zerschnitten die Kehle mit dem Opfermesser. Mit dem Blute wurde der Altar besprengt, von dem zerlegten Thiere wurde das Fett, von jedem Theil ein Stück od. auch besondere Stücken, namentlich die Schenkelknochen, mit Rauchwerk u. Opferkuchen auf dem Altare verbrannt u. dabei gespendet (s. oben), das Übrige wurde von den Theilnehmern bei der Opfermahlzeit verzehrt od. auch, so von den Priestern, mit nach Hause genommen. Von Todtenopfern u. solchen, welche mit einem Fluche beladen waren, wurde nichts gegessen Bei Staatsopfern in Rom ging der Festzug in gehörigem Schmuck nach dem im Freien stehenden Opferaltar; der Herold gebot Ruhe u. wies die Unreinen fort; die Theilnehmer am O. sprachen, den Altar erfassend, ein von dem Priester vorgesagtes Gebet; der Priester weihete das, vorher geprüfte u. dann von dem Opferdiener herbeigeführte Opferthier, indem er demselben Mola salsa auf den Kopf streuete, schnitt demselben einen Büschel Haare von der Stirn, welches er ins Feuer auf dem Altare warf, u. bestimmte es durch einen Zug mit dem Messer über den ganzen Rücken dem Tode. Darauf schlachtete der Opferdiener (Victimarius) das Thier; das Blut, mit Wein, Mola salsa u. Weihrauch vermischt, wurde auf den Altar gegossen u. dazu eine Weinlibation gebracht, das Thier selbst aber zerlegt u., nach Untersuchung der Richtigkeit des O-s durch Betrachtung der Eingeweide (s. Haruspices), diese dreimal um den Altar getragen u. dann die den Göttern gebührenden Theile mit Mehl u. Weihrauch bestreut u. mit Wein übergossen, unter Gebeten auf dem Altar verbrannt. Unter einer Libation wurde das Volk entlassen, u. die Priester hielten ein Opfermahl. Bei Privatopfern nahmen diejenigen, welche das O. brachten, an dem Mahl Theil.
II. Der Opfercultus der Israeliten war in dem Mosaischen Gesetz geordnet. A) Hinsichtlich des Materials gab es hier auch blutige u. unblutige O. a) Zu blutigen O-n wurden blos Thiere genommen u. zwar Heerdethiere, sofern sie als rein galten, wie Rinder, Schafe, Ziegen, u. obgleich beide Geschlechter opferfähig waren, so hatten doch zu O-n höheren Ranges die männlichen Thiere den Vorzug; von Geflügel bes. Turteltauben u. junge Tauben, u. zwar bei einigen Reinigungsopfern, sonst wurden sie von ärmeren Leuten als Stellvertreter für größere Opferthiere gebracht; Gänse u. Hühner waren ausgeschlossen; Wildpret u. Fische wurden nicht zu O-n verwendet. Die opferfähigen Thiere mußten makellos, ohne[308] körperliche Gebrechen, wenigstens achttägig, übrigens noch jugendlich kräftig, am liebsten ein- u. nicht über dreijährig sein. Die versuchten Nachweise, daß auch Menschenopfer dem Mosaischen Cultus wesentlich gewesen wären (Ghillany, Die Menschenopfer der älteren Hebräer, 1842), beziehen sich wenigstens nicht auf die legitime Verehrung Jehova's. b) Die unblutigen O. (Speisopfer) waren: Getreide, u. zwar am Feuer geröstete Ähren od. Geschrolenes (Charmel); Mehl (Sileth) von Weizen, beim Eiferopfer von Gerste, mit Olivenöl u. Weihrauch; Kuchen, u. zwar gebacken, entweder im Ofen (Thanur), mit Öl gekneten (Halloth) od. mit Öl bestrichen (Rekikim); od. auf der Platte (Machabath), welche in Stücke zerbrochen u. mit Öl übergossen wurden; od. im Tiegel in Öl gesotten (Marechoseth). Kein Gebäck durfte mit Sauerteig od. mit Honig vermischt sein, wogegen der Gebrauch des Salzes dabei, sowie bei den blutigen O-n, gewöhnlich war. Zu Trankoppfern wurde Wein verwendet; über die Sorten desselben war im Gesetz nichts bestimmt, dagegen enthält der Talmud darüber, sowie über die Aufbewahrung, das Alter etc. des Opferweines genaue Vorschriften. B) Das Opferrituale: a) bei blutigen O-n: die Darstellung des Opferthieres vor dem Altar geschah durch den Opfernden, welcher, nachdem er sich geheiligt hatte, das Thier an den Eingang der Stiftshütte u. späterhin in den Vorhof des Tempels brachte u. dasselbe dort den Priestern übergab, welche es nach seiner Tauglichkeit untersuchten. Dann legte der Darbringer die Hand auf das Thier, zum Zeichen, daß er es aus seiner Gewalt entließ u. Gott übergab; waren es mehre Darbringer, so that es Einer nach dem Anderen, bei Gemeindeopfern thaten es die Ältesten. Die Schlachtung des Thieres verrichtete bei Privatopfern der Opfernde selbst, bei öffentlichen, regelmäßigen u. Reinigungsopfern für Aussätzige aber der Priester, u. zwar an der Nordseite des Brandopferaltares. Das von dem Priester aufgefangene Blut wurde fleißig umgerührt, daß es nichtgerann, u. dann an den Altar gesprengt, bei Sündopfern höherer Art aber auch in das Allerheiligste gebracht u. damit gegen den Vorhaug u. die Bundeslade gesprengt. Zuletzt wurde das Thier zerlegt u. sämmtliche Fettstücke, bei Brandopfern auch dazu die Fleischstücke verbrannt; wenn Fleisch übrigblieb, so erhielten dies bei Privatopfern zum größten Theil die Opferdarbringer, bei öffentlichen O-n die Priester, b) Bei Speisopfern nahm der Priester von dem dargebrachten Mehl u. Öl eine Handvoll u. den Weihrauch ganz u. verbrannte dies auf dem Altar; der Rest des ersteren gehörte den Priestern u. wurde gebacken u. im Vorhof verzehrt. Bei Trankopfern wurde der Wein an dem Boden um den Altaraus gegossen. C) Rücksichtlich der Bestimmung der O. theilt das Gesetz dieselben in Brand-, Heils-, Sünd- u. Schuldopfer, von denen die beiden ersteren Arten O. bei ungetrübten Bundesverhältnissen zwischen Gott u. dem Volke darstellen, während die beiden letzten, Sühnopfer für das gestörte Verhältniß mit Gott sind. a) Bei Brandopfern (Chalil, Holokautoma), mit welchen im Allgemeinen die Verehrung Gottes vollzogen wurde, wurde ein von den oben unter A) a) angeführten Thieren, nachdem das Blut ringsum an den Altar gesprengt war, ganz verbrannt (nur die abgezogene Haut gehörte den Priestern), verbunden damit war bei O-n von Rindern, Schafen, Ziegen ein Speis- u. Trankopfer. Das jeden Tag als Morgen- u. Abendopfer dargebrachte O. bestand in je einem Lamm; die Opferstunden waren zugleich die Stunden des allgemeinen Gebetes. An Festtagen wurden zu diesen einzelnen Opferthieren von Privatleuten noch eine große Menge freiwilliger O. gefügt. Auch Nicht-Israeliten konnten Brandopfer für sich bringen lassen, durften aber dabei in der alten Zeit nicht persönlich zugegen sein, erst in der letzten Zeit geschah es von ihnen selbst im Borhof der Heiden. b) Die Darbringung der Heilsopfer (Schelomim, Sephach, Soteria) drückte als Friedensopfer das Bestehen des Friedensverhältnisses des Darbringers zu Gott, nach Andern als Erstattungsopfer die Dankbarkeit des Darbringers gegen Gott aus; nach gewöhnlicher Annahme gab es drei Arten derselben: Lobopfer (Sebam al Thorah), als Anerkennung der unverdienten Wohlthaten Gottes; Gelübdeopfer (Neder), dargebracht in Folge der Zusage bei einer Bitte nach Erlangung des Gebetenen; u. freiwillige O. (Nedabah) als Beweise u. Äußerungen der Liebe des Darbringers zu Gott. Bei letzteren wurde es nicht ganz genau mitden vorschriftsmäßigen Eigenschaften des Opferthieres genommen. Beim Heilsopfer überhaupt konnten männliche u. weibliche Thiere gebracht werden, auch mit ihnen war ein Speis- u. Trankopfer verbunden. Von dem Brandopfer unterschied sich das Heilsopfer dadurch, daß nur die Fettheile des Thieres, als das Vorzüglichste, verbrannt wurden; außerdem hatte der Darbringer noch die Webebrust (Haseh), d.h. das Bruststück u. den Brustkern, welcher meist aus Knorpelfett besteht, u. die rechte Keule als Hebe (Sok, Aparchä) dem Priester zu übergeben. Die Webe bestand darin, daß der Priester dem Opfernden das zu webende Stück auf dessen Hände u. seine eigenen darunter legte u. dasselbe so in horizontaler Richtung vor- u. rückwärts u. nach rechts u. links, also nach den vier Himmelsgegenden, bewegte, zum Zeichen, daß das O. Gott dargebracht wird, welcher sie seinerseits dann wieder dem Priester zuweist. Die Hebe war eigentlich keine Ceremonie sondern bedeutet nur das von einem dargebrachten Gegenstand zu heiligem Zweck Enthobene od. den Abhub. Die Webebrust u. Hebekeule konnten gebraten od. gekocht von den Priestern an irgend einem reinen Orte verzehrt werden, dazu erhielten die Priester von dem Speisopfer einen Kuchen. Das Übrige fiel bei Privatopfern den Darbringern zu, welche dasselbe mit ihren Familiengliedern u. dazu Geladenen verzehrten, bei öffentlichen O-n den Priestern. Bei großen O-n, wie beim Pfingstheilsopfer, wurden Opfermahlzeiten für das Volk veranstaltet. Bei dem Lobopfer mußte das Fleisch am Tage des Opfers selbst, bei anderen Heilsopfern wenigstens bis zum zweiten Tag verzehrt sein, der etwaige Rest wurde verbrannt. c) Schuldopfer (Asam) sind zunächst O., welche nach irgendwelchen Veruntreuungen, außer dem Ersatze für den Beschädigten, noch Gotte dargebracht wurden, gegen welchen eine Schuld wegen Verletzung seiner Gebote begangen war; sodann wurden sie noch gebracht von solchen, welche die Leibeigene eines Andern beschlafen od. heidnische Weiber geheirathet hatten, von Aussätzigen nach ihrer Reinigung u. von Nasiräern, deren Gelübdezeit unterbrochen war. Als Schuldopfer wurden stets männliche Thiere, gewöhnlich Böcke, gebracht, u. zwar durfte keiner, der ein Schuldopfer zu bringen hatte, selbst wenn er arm[309] war, ein Surrogat für das bestimmte Thier stellen. Das nicht verbrannte Fleisch solcher O. wurde von den Priestern an heiliger Stätte gegessen. d) Sündopfer (Hattath) waren O. zur Entsündigung wegen übertretener Gebote Gottes im Allgemeinen u. zwar nicht blos für einzelne bewußte, sondern auch für unbekannte u. darum ungesühnt gebliebene, daher sie zu gewissen Zeiten an besondern Festen wiederholt wurden. Die Opfergaben waren hier besonders bestimmt: ein junger Ochs, wenn der Hohepriester als Vertreter des Volkes opferte, wenn sich eine ganze Gemeinde versündigt hatte, bei Priester- u. Levitenehen; ein Bock für das Volk am Versöhnungsfest u. andern Festen, für einen Stammfürsten, für eine Gemeinde ohne deren bewußte Versündigung; eine Ziege od. ein weibliches Lamm für einen gemeinen Israeliten; ein jähriges weibliches Lamm bei der Lösung des Nasiräatgelübdes u. nach der Reinigung der Aussätzigen; endlich Turteltauben od. ein Paar junge Tauben bei Reinigungen od. als Stellvertreter für die gesetzlichen Opferthiere bei Armen. Bei Sündopfern wurde das Blut bei Sühnungen gewöhnlicher Leute an die Hörner des Brandopferaltars gestrichen; bei denen für den Hohenpriester od. die Gemeinde siebenmal gegen den innern Vorhang gesprengt u. an die Hörner des Räucheraltars gestrichen u. der Rest am Brandopferaltar ausgegossen; am Versöhnungsfeste wurde vor dem Deckel der Bundeslade u. vor dem Räucheraltar gesprengt. Das Fleisch von der ersten Art der O. ward von den Priestern verzehrt, bei den beiden letztern aber außerhalb des Heiligthums verbrannt. Die Opferstätte war legitim da, wo die Bundeslade stand, doch finden sich einzeln auch andere Opferstätten, seit Salomos Zeit war es der Tempel in Jerusalem. Vgl. Outram, De sacrificiis, 1678; Saubert, De sacrificiis veterum, 1699; Sykes, Über Natur, Absicht u. Ursprung der O., 1778; Kurtz, Das Mosaische O., 1842; Thalhofer, Die unblutigen O. des Mosaischen Cultus, 1848.
III. Für das Christenthum hat Jesus selbst nicht ausdrücklich den Mosaischen Opfercultus aufgehoben, aber theils dadurch, daß er sich auf den Standpunkt der Propheten stellend die Barmherzigkeit höher stellte als die O. u. die Liebe für das höchste sittliche Gebot erklärte u. zugleich die Anbetung Gottes im Geist u. in der Wahrheit proclamirte, hat er die Befreiung seiner Gläubigen von dem alttestamentlichen Opferwesen indirect ausgesprochen. Dazu kommt, daß nach der Vorstellung der Apostel Christus sich als das wahre O. dargebracht u. dadurch die Sünde gesühnt hat, u. daß im Hebräerbrief die levitischen O. wegen der Nothwendigkeit ihrer steten Wiederholung als ohnmächtig die Darbringer zu heiligen, dagegen das einmalige O. Jesu als ewigen Hohenpriesters als kräftig zur Heiligung dargestellt wird. Deshalb erschien die fernere Betheiligung an O-n in alttestamentlichem Sinne überflüssig, während O. in geistigem Sinne nicht nur nichtgewehrt, sondern sogar geboten wurden. Als solche geistige O. galten Thaten aus Gottes- u. Menschenliebe, Begebung des Leibes zum lebendigen, heiligen, gottgefälligen O. u. so alles, wodurch der Mensch seine völlige Hingabe an Gott u. zu dessen Dienst beurkundet. Die Ausbildung der Idee, das Abendmahl als ein O. darzustellen, gehört erst der nachmaligen Kirchenlehre an; denn wenn auch diese Idee sich in der urchristlichen Zeit findet, so erschien dort die Darbringung von Wein u. Brod als ein Dankopfer, welches Gotte gebracht, von diesem aber der Gemeinde zum Genuß zurückgegeben wurde. Als im 3. Jahrh. die Vorstellung von einen, priesterlichen Stande, nach Art des levitischen, in der Kirche aufkam, ward auch wieder ein Opfercultus dazu gesucht u. derselbe in dem Abendmahl gefunden, u. zwar in dem Sinne, daß Leib u. Blut Christi geopfert wurden. Daraus entwickelte sich dann die in der Römisch-katholischen Kirche noch vorhandene Lehre von einem fortwährenden O. in der Gestalt des Meßopfers u. in der Messe (s.d.), welche in der Protestantischen Kirche verschiedene Betrachtung u. Aufnahme fand, s.u. Abendmahl. Auch die seit dem 4. Jahrh. in der Kirche Sitte gewordenen u. in der Katholischen Kirche noch jetzt üblichen Räucherungen sind Reste des vorchristlichen Opfercultus.
Buchempfehlung
Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.
286 Seiten, 12.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro