[254] Geruch (als Sinn). Der Geruchssinn ist im ganzen Thierreich verbreitet u. ist um so entwickelter, je mehr die Respirationsorgane ausgebildet sind. Bei den Insecten hält man die Stigmata für Riechorgane; bei Fischen u. Amphibien erkennt man zwei Nasenöffnungen u. ein Riechnervenorgan; am ausgebidetsten ist dieser Sinn bei Vögeln u. Säugethieren u. das Organ, in welchem der Geruchssinn bei diesen seinen Sitz hat, ist die Nasenhöhle, u. als Erfordernisse zum deutlichen Riechen sind zu betrachten, daß der in der Nasenhöhle befindliche specifische Geruchsnerv (Nervus olfactorius) gehörig empfindlich sei, daß eigenthümliche, in der Luft befindliche, riechbare Stoffe, u. zwar mit Hülfe von Strömungen der Luft, der die Riechnerven deckenden feuchten Schleimhaut zugeführt werden u. daß durch Thätigkeit der Seele die richtige Empfindung möglich gemacht werde. Der Sitz des Geruchssinnes ist die Schleimhaut der Nasenhöhle; die Nebenhöhlen haben an der Empfindung des G-s keinen Antheil, sondern unterstützen nur das Riechen dadurch, daß sie viel wässerigen Schleim (Schleimsaft) absondern, welcher die sogenannte Schneidersche Haut fortwährend feucht erhält u. die riechbaren Stoffe aufzulösen u. länger an der Oberfläche der nervenreichen Schleimhaut zurückzuhalten scheint; die Schleimhaut der Nasenhöhle wird aber erst durch den Geruchsnerven befähigt, Gerüche zu empfinden, u. seine materiellen Veränderungen werden als Abweichungen im G. empfunden; Mangel od. Krankheit dieses Nerven heben den G. auf u. haben Geruchlosigkeit (Anosmie) zur Folge. Als zweite Bedingung zum Riechen gehört, daß durch den Reiz od. das Riechbare, nachdem es im Nasenschleime aufgelöst worden, eine bestimmte materielle Veränderung dieses Nervens hervorgerufen wird;[254] darum ist aber auch die Befeuchtung der Nasenschleimhaut so wichtig, denn die Feuchtigkeit allein vermittelt, daß die Riechstoffe den Nerven afficiren können. Dieser Eindruck wird zu einem verstärkten, wenn man nur durch die Nase, nicht zugleich durch den Mund, einathmet, die Nase sich nach der Gegend hinrichtet, von woher die Riechstoffe zu ihr gelangen, u. das Einathmen mit einiger Hast, in kurzen Absätzen bewirkt (Schnüffeln, Schnuppern). Hierzu ist auch der äußeren Nase durch die Fähigkeit der Erweiterung der Nasenlöcher einiger Vortheil verliehen, der jedoch bei Thieren, zumal auch bei mehrerer Vorwärtsstreckung der Nase, zum Theil bedeutender ist, u. wesentlich mit beiträgt, um die Nase zum Spürorgan zu machen, vornehmlich bei Hunden. Bei den Menschen ist der G. für die höhere Geistesthätigkeit fast ganz unbenutzbar. Es entrathet daher auch die Sprache eigentliche Bezeichnungen der Gerüche u. um über sie sich auszudrücken, müssen schon Gerüche einzelner Stoffe bekannt sein, mit denen man die anderen, ihnen ähnlichen vergleicht. Im Allgemeinen kann man, nach dem Eindruck, den sie erregen, die Gerüche in drei Klassen bringen: in Wohlgerüche, indifferente u. Übelgerüche. Etwas mehr Deutlichkeit scheint dem Geruchsorgan dadurch verliehen, daß zu der Nasenschleimhaut auch Nervenzweige vom ersten u. bes. dem zweiten Aste des fünften Paars der Gehirnnerven gelangen, Geruchsnerv (s.u. Gehirnnerven). Höchst wahrscheinlich beruht es auf der Nervenverzweigung, die zwischen diesen u. dem Riechnerven hierdurch bewirkt wird, daß auch andere Eindrücke, welche Riechstoffe machen, wie das Stechende, Beißende u. Prickelnde, das mit mehreren Gerüchen verbunden ist, unterschieden wird, so wie auch die Sympathie dadurch verwickelt wird, in der das Geruchsorgan mit anderen Körpertheilen steht, u. die sich bes. in dem Niesen als Folge gewisser Gerüche andeutet. Auch erhält die nähere Verbindung, in welcher der Geruchs- u. Geschmacksinn mit einander stehen, dadurch einige Erklärung. Der Überzug der inneren Nasenhaut mit Schleim ist zwar Vermittelung des Riechens, aber zu starker Zufluß desselben, wie beim Schnupfen, stumpft das Nervengefühl ab. Der G. dient aber nicht blos zu Erkenntniß der Außendinge, bes. für die Wahl der Nahrungsmittel, sondern wirkt auch auf das Gefühlsvermögen im Allgemeinen u. ist in dieser Hinsicht eine Quelle sinnlicher Genüsse. Die Natur bietet dafür in der Blumen- u. Pflanzenwelt dem Menschen einen reichen Schatz dar. Jeder Wohlgeruch ist zugleich ein wohlthuendes Aufregungsmittel für das sensuelle Leben überhaupt, daher auch Lüstlinge Parfümerien zur Aufregung der Sinne u. des Geschlechtslebens brauchen. Wegen der engen Verbindung mit dem Geschmacksinn ist ferner der G. von zur Nahrung dienenden Stoffen geeignet, den Appetit für dieselben anzuregen, aber auch zu unterdrücken u. Ekel zu erregen, wenn der G. uns Beimischungen in Nahrungsmitteln, od. Zersetzungen derselben andeutet, die im Geschmack auch nicht unterschieden werden. Bei der so verbreiteten Empfänglichkeit der Menschen für Wohlgerüche sind auch Räucherungen aller Art in das gesellige Leben verwebt worden u. bilden sogar einen Theil des Ceremoniells bei gemeinschaftlichen Gottesverehrungen. Gegenseitig wird aber auch bei Erhöhung der Sensibilität, namentlich in krankhaften Affectionen, die Empfänglichkeit für Gerüche gesteigert, so daß, was sonst als wohlriechend gilt, Blumenduft, bes. gewisser Art, wie von Tuberosen, Jasmin u.a., als schädlicher Reiz wirkt u. in eingeschlossenen Zimmern, während der Nachtzeit u. von schlafenden Personen eingezogen, wegen der Betäubung selbst tödtlich werden kann. Ebenso werden Gerüche als sogenannte Riechmittel (Olfactoria), namentlich Erweckungsmittel, um durch den Riechnerven auf das Gehirn zu wirken, in Anwendung gebracht, so bes. die flüchtigen Ammonpräparate (Englisches Riechsalz), brenzliche Stoffe (angebrannte Federn). Mehr in erquickender, kühlender Weise werden die sauren Gerüche (Essig) angewendet, die aromatischen Gerüche (Eau de Cologne) zur Belebung, Erheiterung u. Erfrischung; ebenso dienen die ätherischen Mittel (Äther, Naphtha) als krampfstillende u. hirnweckende Gerüche. Die Homöopathie hält das Riechen an ihre Medicamente zu gewissen Einwirkungen für ausreichend.