Derivatĭon

[856] Derivatĭon (v. lat.), 1) Ableitung; 2) in der Grammatik u. Medicin, s. Ableitung, dort auch Derivirende Mittel (Derivantia), u. Derivirende Methode; zur Ableitung des Blutes von einem Theil des Körpers dienen die Derivationsbinden, s. Ableitung; 3) (Math.), läßt sich eine Function, y = f (x), nachdem man statt x in ihr x + h gesetzt hat (wo h eine beliebige von x unabhängige Größe bedeutet), in eine nach den ganzen Potenzen von h aufsteigende geordnete Reihe entwickeln, so heißt der Coefficient der ersten Potenz von h die D. der Function, od. auch die abgleitete Function. Man bezeichnet sie y' = f' (x), sie ist gleichbedeutend mit dem Differentialquotient, s. Differentialrechnung. Daher Derivationsrechnung, Methode, eine Function einer od. mehrerer veränderlicher Größen so zu entwickeln, daß die Glieder der entwickelten Function nach einem bestimmten Derivationsgesetz aus einander abgeleitet (derivirt) werden, so daß das dritte Glied auf dieselbe Art aus dem zweiten hergeleitet wird, als das zweite aus dem ersten u.s.f. Lagrange, welcher in seiner Theorie des fonctions analytiques (Paris 1797, n. A. ebd. 1813) sich bestrebt, alle bis dahin durch die Differential- u. Integralrechnung erhaltenen Resultate auf eine von der Vorstellung des Unendlichkleinen unabhängige Weise herzuleiten, faßt die Methode in einem specielleren Sinne auf. Indem er von dem Princip ausgeht, daß eine Function f (x + h), wo h eine von x ganz unabhängige Größe bedeutet, sich immer in eine nach den ganzen positiven Potenzen von h fortschreitende Reihe entwickeln lasse, deren erstes Glied dieselbe Function von x enthalte, so daß also f (x + h) = fx + ah + bh2 + ch3 + .., so nennt er die Coefficienten a, b, c, welche nur von fx, nicht aber von h abhängen, derivirte od. abgeleitete Functionen von fx, u. die Methode, nach welcher dieselben hergeleitet werden, T. Jeder mit den Elementen der Differentialrechnung Vertraute weiß, daß diese D-en, die übrigens bei Lagrange die Bezeichnung fx, f'x, erhalten, nichts sind, als die auf einander folgenden Differentialquotienten von fx, u. daß die Methode nur unter Voraussetzung der Stetigkeit der Functionen, wobei doch auch das Unendlich kleine berücksichtigt werden muß, richtig ist, daß also die Lagrangsche D. nur in der Bezeichnungs- u. Herleitungsart der Grundformeln, nicht in der Rechnungsart im Allgemeinen von der Differentialrechnung verschieden ist. Vgl. Arbogast, Du calcul des dérivations. Strasb. 1800; Hindenburg, Der Derivationscalcül u. die combinatorische Analysis, Lpz. 1803, brachte die D. mit der combinatorischen Analysis in nähere Verbindung.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 856.
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