[361] Hiātus (lat.), 1) Öffnung, besonders des Mundes; 2) (gr. Chasmodia), in der Metrik das Zusammentreffen eines kurzen Vocals am Ende des einen u. eines Vocals am Anfang des anderen Wortes. Die Griechen vermieden den H. entweder durch den Apostroph: τὸν δ' (für δὲ) ἠμείβετ' [für ἠμείβετο ἔπειτα ϑεά); od. durch die Synalöphe (ταὐτό für τὸ αὐτό); od. durch das Nyephelkystikon; wo keins von diesen Mitteln zur Vermeidung des H. angewendet ist, so ist derselbe blos scheinbar, indem der Anfang des zweiten Wortes ein nicht geschriebenes Digamma (s.d.) enthält (z.B. αἴϑοπα οἰνον). Die Römer unterschieden den großen H., wenn zwei lange Vocale, wie a-o, o-a, zusammentraten, u. den kleinen H., wenn derselbe Vocal folgt. Man vermeidet im lateinischen Vers den H. durch die Krasis u. die Elision (s.d.), doch ist er in der Komödie gestattet. Auch im Deutschen sucht der Dichter den H. zu vermeiden durch geschickte Wahl u. Stellung der Wörter u. durch Elision. Gemildert wird der H. durch geringere Pausen (Interpunctionen); größere heben ihn fast ganz ans. 3) (Philos.), so v.w. Leere; 4) in Stammbäumen, so v.w. lücke; 5) (Anat.), Ausgangsmündung von Kanälen, Drüsengänge etc. Hiatus aorticus (Aortenspalte), spaltartige Öffnung im Zwerchfell (s.d.) zum Durchgang der Aortenarterie aus der Brust in die Bauchhöhle.