Jambische Poesie

[732] Jambische Poesie, eine Gattung der griechischen Poesie, welche unter den Joniern entstand u. als der am meisten charakteristische Kunstzweig dieses Stammes zu betrachten ist. Denn obgleich das Epos u. die Elegie auch auf ionischem Boden erwuchs, so bemächtigten sich dieser beiden Dichtgattungen auch bald die übrigen hellenischen Stämme, dieselben theils vollständig weiter bildend, theils wenigstens in ihr eigenstes Bewußtsein verarbeitend. Die Entwickelungsgeschichte der J. P. verläuft ausschließlich in Ionien; erst spät trieb sie in anderen Theilen Griechenlands, bes. in Sicilien, Keime. Die Athenienser nahmen nur den Geist der J. P. auf u. prägte ihn in der Komödie aus, welche sich nachweislich an die ionische Jambik anlehnt. Letztere selbst ging wiederum aus der Epik hervor; als das Mittelglied kann das dem homerischen Kreise zugewiesene Gedicht Margites gelten, in welchem willkürlich Hexameter mit jambischen Versen abwechseln. Einen Versuch, den Ursprung der jambischen Dichtart auf das religiöse Gebiet zu ziehen, stellt der Mythus von der Jambe (s.d.) dar. Das Wesen des Jambischen Gedichts besteht keineswegs blos im Lustigen, sondern es überwiegt in ihm das Polemische, Eindringende, Muthige, Frische, Rücksichtslose, so daß Carmen iambicum geradezu im Sinne von Schmähgedicht gebraucht werden konnte. Sonst wurde auch die Improvisatorische Poesie überhaupt jambisch genannt, u. die Improvisatoren selbst Jamben, weil die Jamben (jambischen Gedichte) recitirt wurden, wobei die Jambyke zur Begleitung diente. Die Choliamben scheinen zu dem Klepsiambos, einem anderen musikalischen Instrument. vorgetragen worden zu sein. Der alexandrinische Kritiker Aristarch nahm in seinem Canon der Jambographen od. der jambischen Dichter nur drei auf, Archilochos, Simonides aus Amorgos u. Hipponax. Archilochos ist der älteste, so wie reichste u. bedeutendste derselben; in[732] das Zeitalter der beiden anderen fallen noch Solon, der Gesetzgeber der Athener, u. Ananias. Später dichteten Äschrion, Archelaos, Asopodoros, Babrios, Kallimachos, Kleanthes, Demetrios, Diphilos Hermias, Hermippos, Phönix, die Moschine etc.; doch bat sich von allen diesen nur sehr Weniges erhalten. Die Reste der I. P. haben Schneidewin, Delectus poeseos Graecorum elegiacae, jambicae, melicae (Gött. 1838–39, 2 Bde.), u. Bergk, Poetae lyrici graeci (2. Aufl., Lpz. 1853), gesammelt. Die Jambographen unter den Römern waren Bassus, Catullus, Furius, Horatius (Epoden), Laberius, C. Licinius Calvus, Martialis, Mattius, Perlius (Prolog).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 732-733.
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