Mittelmeer

[330] Mittelmeer 1) überhaupt ein zwischen zwei od. mehren Hauptländern sich verbreitender Meerestheil, vgl. Meer; 2) das Meer, welches sich von der Meerenge von Gibraltar an zwischen Europas Süd- u. Afrikas Nordküsten bis an die Westseite Asiens erstreckt u. durch die Meerenge von Gibraltar mit dem Atlantischen Ocean zusammenhängt, bildet tiefe Busen od. Becken, nämlich die Golfe von Lyon, Genua, Tarent, das Adriatische Meer, den Archipel, Marmora-, Schwarzes u. Asowsches Meer, den Busen von Sidra etc.; hat viele schöne, nur zum Theil benutzte Häfen, fast überall, zumal europäischen Theils, die fruchtbarsten Ufer mit sehr verschieden cultivirten Bewohnern, mehre große Inseln (Sicilien, Sardinien, Corsica, Candia, Cypern) u. viele kleine Inseln. Seine Größe beträgt, bei einer Länge von 500 Meilen u. einer durchschnittlichen Breite von etwa 100 Meilen, allein 55,000, mit allen Einbuchtungen u. Nebenmeeren gegen 80,000 QM.; es empfängt seine Zuflüsse aus einem großen Theile Spaniens (Ebro, Xucar u.a.), einem kleinern Frankreichs (Rhone), aus ganz Italien (Tiber, Po, Etsch), einem Theile Deutschlands, fast ganz Ungarns (Donau), der Europäischen Türkei (Donau, Drina, Maritza), Rußlands (Dniestr, Dniepr, Don, Kuban etc.) u. dem westlichen Theile von Kleinasien, aus Asien u. [330] Afrika (Ägypten mit dem Nilgebiete ausgenommen) nur wenig; dessen ungeachtet ist die Menge des, bes. aus dem Schwarzen Meer ihm zugeführten Flußwassers u. das bemerkte Einströmen des Atlantischen Meers so groß, daß es sich jährlich wenigstens um 30 Fuß erhöhen müßte, wenn es nicht durch die große Ausdünstung, durch einen unterirdischen Feuerherd, dessen Essen der Ätna u. Vesuv sind, u. durch eine starke, in der Tiefe bemerkbare Strömung (in der Gibraltarischen Meerenge) vermindert würde. Die beiden aus dem Schwarzen u. dem Atlantischen Meer herkommenden Strömungen begegnen sich bei Candia u. geben daher dem östlichen, bis an die Küsten von Syrien sich erstreckenden Busen des M. seinen eigenthümlichen, vollkommen dünenfreien Charakter. Ebbe u. Fluth sind im Ganzen schwach; eine ganz besondere ist die von Egribos (s.d.); die Winde auf ihm sind sehr veränderlich. Seine Tiefe ist verschieden, an der Straße von Gibraltar (östlich) hat es 980, im Meerbusen von Lyon bis 850, zwischen Sicilien u. Afrika an einigen Stellen nur 8 Faden Tiefe. Einige Theile desselben führen besondere Namen, z.B. an den Küsten von Genua das Ligurische, bei Italien das Tyrrhenische (Toscanische), bei den Siebeninseln das Jonische Meer etc. Obschon dieses Meer 3 Erdtheile verbindet, so hindern doch Glaube u. Verschiedenheit der Cultur die engere Verbindung der europäischen u. afrikanischen Küsten. Durch den Besitz von Gibraltar, Malta u. der Ionischen Inseln üben die Briten die Herrschaft über dies Meer aus, an welcher jedoch seit der Eroberung von Algier die Franzosen einen bedeutenden Antheil nehmen. Das M., in historischer Beziehung das berühmteste, für jetzt wenigstens noch in politischer Beziehung das wichtigste aller Meere, ist auch im Bezug auf seine Entstehung merkwürdig; denn wissenschaftlich ist festgesetzt worden, daß die Strecken, welche jetzt das M. einnimmt, in früheren Zeiten Tiefland gewesen sind; dieses wurde dadurch in Meer verwandelt, daß einerseits das Schwarze Meer, welches die Menge des ihm zugeführten Flußwassers nicht fassen konnte, sich an seinen südwestlichen Ufern einen Ausweg bahnte u. sich, eine Saat von Trümmern (die Inseln des Archipel) zurücklassend, in jenes Tiefland ergoß, u. daß andererseits der Atlantische Ocean durch vulkanische Thätigkeit unterstützt, sich nach Westen einen Ausfluß wühlte u. so sich mit der von Osten kommenden Strömung vereinigte. Vgl. Smyth, Mediterranean; Böttcher, Das Mittelmeer, eine Darstellung seiner physischen Geographie etc., Lpz. 1858 f.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 330-331.
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