[591] Villèle (spr. Wilähl), Josephe, Graf V., geb. 1773 in Toulouse; trat jung in den königlichen Seedienst u. ging 1791 nach S. Domingo; 1803 kehrte er nach Frankreich zurück, ging aber bald darauf mit einem Stationscommandanten nach Ostindien u. nach der Insel Bourbon, wo er Mitglied der Colonialversammlung wurde. 1807 bis 1814 lebte er in Toulouse. Da er nach der Rückkehr der Bourbons eine Flugschrift verbreitete, welche sich durchaus gegen die repräsentative Verfassung u. die konstitutionelle Charte aussprach, so stellte ihn die absolutistische Partei an ihre Spitze; 1815 vom Departement der Ober-Garonne zum Deputirten gewählt, sprach er nun in der Kammer seine Grundsätze aus, wollte jedoch seine Entwürfe nur nach u. nach, nicht Plötzlich ausgeführt wissen. 1817 wurde er wieder zum Deputirten gewählt. 1820, nach der Ermordung des Herzogs von Berry, wurde er Vicepräsident der Deputirtenkammer u. im Dec. ins Ministerium Richelieu gezogen, welches er bald stürzte u. nun im Dec. 1821 Finanzminister u. im Herbst 1822 Präsident des Ministeriums wurde. Er waltete ganz im Sinne des Absolutismus; die Invasion in Spanien, um auch dort den Absolutismus zu restauriren, war bes. sein Werk, zugleich begünstigte er die Jesuiten, setzte die Entschädigung der Emigranten durch, schuf die Septennalität der Kammern, erfand die Dreiprocents u. brachte das Sacrilegiengesetz in Vorschlag; er führte mehrmals die Censur wieder ein, war jedoch durch die öffentliche Meinung gezwungen dieselbe immer wieder abzuschaffen, s. Frankreich S. 579. Die Stimme der Nation widersetzte sich aber allen seinen Maßregeln, die Mehrheit der Pairskammer war entschieden gegen ihn, u. da auch durch die Neuwahlen in die Deputirtenkammer 1827 die Opposition sich gegen das Ministerium verstärkte, so sah sich der König genöthigt V., nachdem er ihn zum Pair ernannt hatte, am 4. Jan. 1828 zu entlassen, worauf sich V. in seine Vaterstadt Toulouse zurückzog, wo er ohne thätigen Antheil an den öffentlichen Dingen lebte u. am 13. März 1854 starb.