Elsaß-Lothringische Eisenbahnen

[291] Elsaß-Lothringische Eisenbahnen.1

I. Länge des Bahnnetzes. Geschichtliche Entwicklung. Die Länge der normalspurigen Eisenbahnen im Reichslande Elsaß-Lothringen betrug am 1. April 1912 1833∙32 km. Davon stehen im Eigentum des Reiches 1789∙80 km. Von den übrigen 43∙52 km gehören 11∙29 km (Grenze bei Esch-Dtsch. Oth-Redingen) der Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft, 12∙13 km (Saargemünd-bayerische Grenze bei Bliesbrücken) dem bayrischen Staat; 4 km (Rappoltsweiler-Stadt-Rappoltsweiler-Bahnhof), 11∙65 km (Rosheim-Ottrott-St. Nabor) und 4∙45 km Farschweiler-Püttlingen sind Privatbahnen. An schmalspurigen Bahnen sind vorhanden 314∙10 km, von denen 78∙10 km dem Reich gehören, 236 km im Privatbesitz sind. Von den letzteren werden die Strecken a) einer Mülhauser Gesellschaft: Mülhausen-Ensisheim, Mülhausen-Wittenheim, Mülhausen-Pfastatt; b) der Kaysersberger Talbahn: Colmar-Schnierlach, Colmar-Winzenheim; c) der Straßburger Straßenbahngesellschaft: Straßburg-Truchtersheim, Straßburg-Westhofen, Straßburg-Markolsheim mit Abzweigung nach Erstein und Rheinau; d) der Gesellschaft Vering und Wächter: Diedenhofen-Mondorf, Ottrott-Bahnhof Erstein mit Dampf; e) die Bahn Kleinrosseln-Forbach-Stieringen-Wendel und die Bergbahnen Türkheim-Drei-Ähren und Münster-Schlucht elektrisch betrieben. Im folgenden werden nur die Reichseisenbahnen behandelt. Zu ihrem unter dem Namen »Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen« (»E.«) betriebenen und im Eigentum des Reiches stehenden Netz gehören noch einige über die preußische Grenze nach Dillingen, Bous und Völklingen hinausreichende Strecken mit 29∙46 km, so daß die Eigentumslänge der vollspurigen Bahnen 1819∙26 km betrug. Die Länge der von den »E« betriebenen Bahnen weicht von der Eigentumslänge etwas ab. Einerseits sind 1∙04 km Saargemünd-preußische Grenze an die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft verpachtet, anderseits ist die Strecke schweizerische Grenze-Basel mit 5∙26 km von den schweizerischen Bundesbahnen gepachtet. Danach stellt sich die Betriebslänge auf 1823∙48 km.

Von den im Eigentum des Reiches stehenden vollspurigen Bahnen wurden am 1. April 1912 1372∙89 km als Hauptbahnen, 446∙37 km als Nebenbahnen betrieben. Von den vollspurigen Bahnen sind 1027∙78 km zweigleisig, 4∙14 km dreigleisig, 26∙18 km viergleisig. Die 78∙10 km schmalspuriger Eisenbahnen sind sämtlich eingleisig.

Die Vorgeschichte der Reichseisenbahnen fällt in die Zeit von 1839–1871. Sie beginnt mit der Eröffnung der ersten im Elsaß angelegten Eisenbahn und schließt ab mit dem Übergang aller in dem von Frankreich abgetretenen Gebiet vorhandenen Bahnen auf das Deutsche Reich. Die älteste Bahn des Netzes ist die auf Betreiben oberelsässischer Industrie erbaute Bahn von Mülhausen nach Thann, die schon am 12. September 1839 eröffnet wurde, d.i. nur 4 Jahre später als die[291] ersten auf dem europäischen Festlande mit Lokomotiven betriebenen Bahnen.

Schon vor der Eröffnung hatte sich eine zweite Gesellschaft für den Bau und Betrieb einer Bahn von Straßburg nach Basel gebildet. Diese, von der französischen Regierung durch reiche Beihilfen unterstützt, konnte den Bau der gesamten Strecke im Jahr 1844 vollenden. Die dritte, ein Jahr darauf gebildete Gesellschaft der Paris-Straßburger Bahn nahm nach Verschmelzung mit dem letztgenannten Unternehmen die Firma »Compagnie des chemins de fer de l'Est« an, erwarb außer der Bahn Mülhausen-Thann die zum Netz einer inzwischen genehmigten vierten Gesellschaft, der »Société des chemins de fer des Ardennes« gehörigen Bahnstrecken und besaß schließlich, abgesehen von der im Eigentum der Stadt Münster befindlichen Linie Colmar-Münster, die sämtlichen bei Ausbruch des Krieges in Elsaß-Lothringen dem öffentlichen Verkehr dienenden Bahnen, die nachstehend angeführt sind.

1. Straßburg-Mülhausen-schweizer. Grenze gegen Basel 138∙93 km, 2. Straßburg-Vendenheim-Deutsch-Avricourt-Grenze gegen Nancy 90∙97 km, 3. Straßburg-Hagenau-Weißenburg-Grenze gegen die bayrische Pfalz 57∙34 km, 4. Preußische Grenze zwischen Saarbrücken und Forbach-Remilly-Metz-Novéant-Grenze gegen Nancy, mit Verbindungskurve bei Metz 89∙02 km. 5. Metz-Diedenhofen-Grenze bei Bettemburg gegen Luxemburg 46∙42 km, 6. Mülhausen- Grenze bei Altmünsterol gegen Belfort 34∙75 km, sowie eine Reihe von Zweigbahnen im Gesamtumfange von 739∙98 km.

Nachdem im Jahr 1870 die deutsche Armee Elsaß-Lothringen besetzt hatte, wurden die sämtlichen Bahnen des Lands so schnell als möglich wieder in betriebsfähigen Zustand gebracht und unter die Verwaltung von zwei Betriebskommissionen gestellt, von denen die eine in Straßburg, die andere in Saarbrücken ihren Sitz hatte und deren besondere Aufgabe es war, den Betrieb für militärische Zwecke einzurichten und auszuführen. Der Erwerb dieser Bahnen durch das Deutsche Reich vollzog sich auf Grund der Zusatzkonvention zu dem zwischen diesem und Frankreich am 10. Mai 1871 zu Frankfurt abgeschlossenen Friedensvertrag, in dem die französische Regierung von dem ihr zustehenden Recht des Rückkaufs der an die Ostbahngesellschaft erteilten Konzessionen Gebrauch machte und das Deutsche Reich in alle dadurch erlangten Rechte gegen Zahlung eines auf die Kriegskostenentschädigung anzurechnenden Betrags von 325 Mill. Frs. einsetzte. Der vom Deutschen Reich bei dieser Gelegenheit angestrebte Kauf der auf schweizerischem Gebiet belegenen Teilstrecke von der Grenze bei St. Ludwig bis nach Basel wurde nicht erreicht, doch übertrug die französische Ostbahn ihr Eigentum daran auf die schweizerische Zentralbahn, die die 3∙49 km lange Strecke für einen jährlichen Zins von 105.000 Frs. an die Reichseisenbahnen verpachtete und ihnen das Mitbenutzungsrecht am Bahnhof Basel unter ähnlichen Bedingungen einräumte, wie es die französische Ostbahn besessen hatte. Endlich wurde unterm 12. Dezember 1871 mit der Stadt Münster ein Vertrag geschlossen, durch den auch die Eisenbahn Colmar-Münster für 2,700.000 Frs. Eigentum des Reichs wurde. Hiermit war der Erwerb aller beim Ausbruch des Kriegs im Betrieb befindlichen Bahnstrecken durchgeführt. Einige Lokalbahnen, zu deren Herstellung sich gegen Empfang bestimmter Beihilfe die »Société beige des chemins de fer« in Brüssel verpflichtet hatte, befanden sich noch im Bau. Diese Bahnen, von denen die von Saarburg nach Saargemünd am 1. November 1872, die von Courcelles nach Bolchen am 15. Juni 1873 und die von Bolchen nach Teterchen am 15. Oktober 1876 eröffnet wurden, wurden nach einem mit der »Lothringischen Eisenbahngesellschaft« als Rechtsnachfolgerin des belgischen Unternehmens getroffenen Übereinkommen von der Reichseisenbahnverwaltung zunächst in Pacht genommen und durch Vertrag vom 23./25. Juni 1881 zum Eigentum erworben. Die derselben Gesellschaft gehörige, seit 21. Juni 1873 fertig gestellte Strecke Château-Salins-französische Grenze bei Chambrey mit Abzweigung von Burthecourt nach Vic ging auf Grund des Kaufvertrags vom 19./20. Oktober 1881 am 1. November desselben Jahrs in den Besitz und Betrieb des Reichs über. Der Gesamterwerbspreis aller dieser Bahnen (Reichsgesetz vom 24. Mai 1881) belief sich auf 9,907.564 M. Bei dem von der deutschen Verwaltung sofort in Angriff genommenen weiteren Ausbau des Netzes, kamen in erster Linie wichtige Interessen der Landesverteidigung und des großen Verkehrs in Frage, wobei es sich besonders darum handelte, neue Verbindungen mit Altdeutschland zu schaffen. Daneben galt es, einzelne von Eisenbahnen bisher nicht durchschnittene Teile des Lands an das bestehende Netz anzuschließen. Die Kosten der den ersteren Zwecken dienenden Neubauten hatte das Reich allein zu tragen, während für die mehr lokalen Interessen dienenden Nebenbahnen das Land Elsaß-Lothringen Zuschüsse leistete.[292]

In chronologischer Reihenfolge stellen sich die Neubauausführungen wie folgt:


A. Vollspurige Bahnen.


1873: 14∙99 km; Metz an die französische Grenze hinter Amanweiler gegen Verdun, zur Förderung des wechselseitigen Grenzverkehrs, eingleisig, eröffnet 1. April.

1876: 56∙84 km; Straßburg an die pfälzische Grenze hinter Lauterburg, in der Richtung nach Wörth, zweigleisig, eröffnet am 25. Juli.

1877: 128∙60 km; Schlettstadt-Barr 17∙45 km und Wasselnheim-Zabern 18∙31 km, eingleisig mit zweigleisigem Unterbau, 1. August eröffnet; Mutzig-Rothau 23∙06 km, eingleisig und Steinburg-Buchsweiler 12∙90 km, eingleisig, beide eröffnet am 15. Oktober; Berthelmingen-Remilly 54∙12 km und Rieding bis Anschluß Saaraltdorf 2∙76 km, beide zweigleisig, eröffnet am 10. Dezember. Hierdurch wurde die in der direkten Verbindung zwischen Straßburg und Metz bestehende Lücke geschlossen.

1878: 64∙13 km; Colmar über Neubreisach bis Mitte Rhein gegen Altbreisach in Baden mit fester Rheinbrücke, 20∙75 km, eingleisig, für den wechselseitigen Verkehr zwischen dem Elsaß und Baden, eröffnet am 5. Januar; Mülhausen bis Mitte Rhein gegen Müllheim in Baden mit fester Rheinbrücke, 17∙55 km, eingleisig, eröffnet am 6. Februar; St. Ludwig-Mitte Rhein gegen Leopoldshöhe in Baden mit fester Rheinbrücke, 3∙65 km, eingleisig, zur Umgehung des Schweizer Gebiets bei Basel, eröffnet am 11. Februar; Diedenhofen bis zur preußischen Grenze hinter Sierck, in der Richtung auf Trier, letztes Stück der durchgehenden Linie Berlin-Wetzlar-Koblenz-Metz, 22∙18 km, zweigleisig, mit Moselüberbrückung, eröffnet am 15. Mai.

1880: 21∙30 km; Teterchen über Wadgassen nach Bous, zum Anschluß an die preußische Staatsbahnstrecke Saarbrücken-Saarlouis, zweigleisig, eröffnet 1. April. Die Strecke liegt zum größten Teile auf preußischem Gebiet.

1881: 75∙18 km; Wadgassen-Völklingen, 5∙17 km, ganz auf preußischem Gebiet gelegen, zum Anschluß an die preußische Staatsbahnstrecke Saarbrücken-Saarlouis, zweigleisig, eröffnet 1. April; Buchsweiler-Schweighausen 20∙59 km, zweigleisig, eröffnet 1. November; Château-Salins-Saaralben 49∙42 km, (Château-Salins-Bensdorf eingleisig, Bensdorf-Saaralben zweigleisig) eröffnet 1. November.

1882: 21∙95 km; Dieuze-Bensdorf 13∙21 km, eingleisig; Karlingen-Hargarten 8∙74 km, Fortsetzung der Linie Saargemünd-Hargarten in der Richtung nach Diedenhoten, zweigleisig, eröffnet 1. Mai.

1883: 45∙64 km; Teterchen-Kedingen 28∙95 km und Fortsetzung Kedingen-Diedenhofen 16∙66 km, erstere Bahn eröffnet 1. April, letztere 1. Juni, zweigleisig. Hiermit war die direkte Verbindung zwischen Saargemünd und Diedenhofen hergestellt.

Das Jahr 1883 kennzeichnet einen gewissen Abschluß des Ausbaues der wichtigsten Bahnen des Landes, denn nunmehr bestanden zwischen allen größeren Städten direkte Linien. Von Basel bis Diedenhofen führt die große Hauptlinie über Mülhausen-Colmar-Straßburg-Zabern-Saarburg-Metz. Von Saargemünd nach Diedenhofen ist der direkte Weg über Beningen-Hargarten-Kedingen hergestellt. Das Netz ist auf vier Rheinübergängen (Leopoldshöhe, Müllheim, Breisach, Kehl) an Baden angeschlossen, hat in Lauterburg, Weißenburg und Saargemünd Übergänge zur Pfalz und reicht den preußischen Bahnen in Saargemünd, Völklingen, Bous und Sierck die Hand. Nur zwischen Straßburg und Saargemünd ist trotz der beiden bestehenden Verbindungen über Zabern-Berthelmingen und Hagenau-Bitsch noch eine erheblich kürzere diagonale Verbindung möglich, deren Herstellung aber noch bis zum Jahre 1895 auf sich warten ließ.

1884: 13∙27 km; Sentheim-Masmünster 5∙37 km, eingleisig, eröffnet 1. September; Lauterburg-Rheinhafen, 1∙70 km, eingleisig, eröffnet 1. November; Gebweiler-Lautenbach 6∙20 km, eingleisig, eröffnet 15. Dezember.

1885: 4∙56 km; Abzweigung Straßburg-Schiltigheim 0∙86 km, eingleisig, eröffnet 15. Oktober und Zweigbahn Lutterbach-Mülhausen Nord 3∙70 km, eingleisig, eröffnet 1. November.

1886: Mülhausen Nord nach Mülhausen Hafen, 3∙47 km, eingleisig, eröffnet 5. August.

1888: Hagendingen-Groß-Moyeuvre, 10∙05 km, zweigleisig, eröffnet 15. November.

1889: Buchsweiler-Ingweiler 6∙58 km, eingleisig, eröffnet 16. Dezember.

1890: Rothau-Saales 16∙55 km, eingleisig, eröffnet 1. Oktober.

1891: 18∙33 km; Weilertal-Weiler, 9∙40 km, eingleisig, eröffnet 1. Oktober und Walburg-Wörth (Sauer) 8∙93 km, eingleisig, eröffnet 1. Dezember.

1892: 53∙98 km; Algringer Erzbahn Algringen-Ladestelle Ötringen 4∙46 km, eingleisig, eröffnet 4. Januar; Altkirch-Pfirt, 23∙84 km, eingleisig, eröffnet 4. Januar; Saarburg-Alberschweiler 16∙26 km, eingleisig, eröffnet 4. Januar; Oberhammer-Vallerystal 9∙42 km, eingleisig, eröffnet 1. Juni.

1893: 40∙43 km; Selz-Walburg-Merzweiler 34∙84 km, eingleisig, eröffnet 1. November und Münster-Metzeral 5∙62 km, eingleisig, eröffnet 1. November.

1895: 111∙05 km; Hagenau-Röschwoog-Mitte Rhein mit fester Rheinbrücke im Anschluß an die badische Bahn Rastatt-Mitte Rhein, 28∙54 km, zweigleisig, eröffnet 1. Mai. Hiermit war ein weiterer Rheinübergang nach Baden hergestellt, der die Verbindung Straßburg-Rastatt abkürzte. Zugleich war jetzt Hagenau mit den anschließenden Strecken auf direktem Wege mit Baden über Rastatt verbunden und eine neue auch strategisch wichtige Durchgangslinie von Osten nach Westen geschaffen; Mommenheim-Kalhausen-Saargemünd 74∙53 km und Kaihausen-Saaralben 7∙8 km, beide zweigleisig, Mommenheim-Saaralben eröffnet am 1. Mai, Kalhausen-Saargemünd am 1. Oktober.

1897: Wingen-Münztal 12∙05 km, eingleisig, eröffnet am 21. Juli.

1899: 16∙97 km; Verbindungsbahn von Mülhausen Nord nach Mülhausen Wanne und Rixheim 7∙57 km, eingleisig, eröffnet 1. Mai; Fentsch-Aumetz 9∙40 km, eingleisig, eröffnet 1. November, das erste Stück einer direkten Verbindung zwischen den Stationen Fentsch und Deutsch-Oth.

1900: 24∙42 km; Bischweiler-Oberhofen 3∙66, eingleisig, eröffnet 1. Mai. Weißenburg-Lauterburg 20∙76 km, eingleisig, eröffnet 1. Juli.

1901: 35∙88 km; Busendorf-Dillingen 20∙33 km, zweigleisig, zum Anschluß an die Bahn Saarbrücken-Trier, zum größeren Teil auf preußischem Gebiet gelegen, eröffnet am 1. Juli: Masmünster-Sewen 8∙52 km, eingleisig, eröffnet am 1. August; Aumetz Deutsch Oth-Berg 6∙96 km, eingleisig, eröffnet am 1. Dezember.

1904: 63∙00 km; Deutsch-Oth Berg-Deutsch-Oth 4∙79 km, eingleisig, eröffnet 1. März. Hiermit war eine weitere direkte Verbindung (Fentsch-Deutsch-Oth) zwischen den Linien Diedenhofen-Fentsch und Bettemburg-Esch-Deutsch-Oth vollendet. Château-Salins-Liocourt 23∙24 km, eingleisig, eröffnet 1. Mai;[293] Liocourt-Metz 34∙97 km eingleisig, eröffnet 1. Dezember. Strategisch bedeutsame Bahn längs der Grenze von Metz nach Château-Salins.

1905: Verlängerung der Bahn Lutterbach-Wesserling bis Krüt 4∙80 km, eingleisig, eröffnet 2. Januar.

1908: 44∙67 km; Metz-Vigy-Anzelingen 30∙88 km, zweigleisig, eröffnet am 1. April; direkte Linie von Metz nach Woippy unter Umgestaltung der Bahnanlagen bei Metz 13∙79 km, zweigleisig, eröffnet am 17. August.

1909: Schlettstadt-Sundhausen 14∙92 km, eingleisig, eröffnet am 30. Oktober.

1910: Dammerkirch-Pfetterhausen-schweizerische Grenze 20∙12 km, eingleisig, eröffnet am 1. November.

Von den Nebenbahnen sind etwa die Hälfte mit rund 211 km Stichbahnen, nämlich Altkirch-Pfirt-(23∙84 km), Sennheim-Sewen (27∙54 km), Bollweiler-Lautenbach (13∙31 km), Colmar-Metzeral (24∙56 km), Schlettstadt-Markirch (21∙46 km), Weilertal-Weiler (9∙40 km), Rothau-Saales (16∙55 km), Lauterburg-Rheinhafen (1∙70 km), Walburg-Wörth-Lembach (17∙38 km), Wingen-Münztal (12∙05 km), Saarburg-Alberschweiler (16∙26 km), Oberhammer-Vallerystal (9∙42 km), Burthecourt-Vic (3∙03 km), Hagendingen-Großmoyeuvre (10∙05 km), Hayingen-Algringen (4∙46 km). Nebenbahnen, die auf beiden Seiten an andere Strecken anschließen, sind: Lutterbach-Mülhausen Nord-Rixheim (14∙83 km), Bischweiler-Oberhofen (3∙66 km), Buchsweiler-Ingweiler (6∙60 km), Merzweiler-Walburg-Selz (34∙81 km), Lauterburg-Weißenburg (20∙76 km), Deutsch-Avricourt-Bensdorf (34∙54 km), Metz-Château-Salins (58∙21 km), Fentsch-Deutsch-Oth (21∙15 km).

Am 1. April 1913 waren weitere rund 100 km vollspurige Nebenbahnen im Bau und für 66 km Mittel bewilligt. Im Bau waren die Strecken: Saarburg-Drulingen-Diemeringen 36∙83 km; St. Ludwig-Waldighofen 22∙57 km; Bettsdorf-Waldwiese-Merzig 40∙30 km zum Anschluß an die preußische Strecke Saarbrücken-Trier. Mittel sind bewilligt für die Linien Ingweiler-Lützelstein 14∙33 km; Münztal-Wolmünster pfälzische Grenze 20∙3 km, die auf pfälzischem Gebiet bis Zweibrücken durchgeführt werden soll; Weißenburg-Dahn pfälzische Grenze 6∙25 km die auf pfälzischem Gebiet bis Bundental zum Anschluß an das pfälzische Netz weitergeführt werden soll; Bollingen-Ottingen-Rümelingen 10∙2 km zur Erschließung weiterer Erzfelder und Herstellung einer weiteren Verbindung mit der Wilhelm-Luxemburg-Bahn; Berchem-Ötringen in Luxemburg 12∙23 km zur Schaffung einer neuen leistungsfähigen Verbindung mit dem Erz- und Hüttenbezirk bei Esch. Endlich sind noch geplant eine Verbindung der pfälzischen Station Pirmasens mit Philippsburg oder einem benachbarten Punkt der Linie Hagenau-Bitsch. und die Strecke Metzeral-Sondernach und die Entlastung der Linie Basel-Straßburg durch eine selbständige Parallelbahn zwischen der jetzigen Linie und dem Rhein oder durch einen viergleisigen Ausbau der bestehenden Linie.


B. Schmalspurige Bahnen.


1883: Ankauf der Bahn Lützelburg-Pfalzburg 5∙77 km, eröffnet 1. September.

1885: Ankauf der Bahn Colmar-Horburg 4∙94 km, eröffnet 1. Dezember.

1890: Verlängerung der Linie Colmar-Horburg bis Markolsheim 17∙67 km, eröffnet 3. November. Anschluß an die Straßenbahn Straßburg-Markolsheim.

1901: Colmar-Ensisheim-Bollweiler 34∙65 km, eröffnet 24. Oktober.

1903: Verlängerung der Linie Lützelburg-Pfalzburg bis Drulingen 15∙07 km, eröffnet 1. Oktober.


Die Erwerbs- und Herstellungskosten für das im Eigentum des Reiches stehende Bahnnetz betrugen am 1. April 1912 rund 829∙3 Millionen Mark von denen rund 40∙7 Millionen von dritten, der Hauptsache nach aber aus Landesmitteln als Zuschüsse aufgebracht wurden.


Ausschließlich dem Güterverkehr dienen folgende, zusammen 35∙81 km lange Strecken: Lutterbach-Mülhausen Nord-Rixheim mit Abzweigung nach Kanalhafen und Mülhausen-Wanne (16∙77 km), Straßburg-Königshofen (3∙43 km), Abzweigung Straßburg-Schiltigheim (0∙90 km), Lauterburg-Rheinhafen (1∙70 km), Sablon Ost-Devant-les-Ponts-Woippy und Sablon Ost-Güterbahnhof Metz (13∙01 km).


Die Wilhelm-Luxemburg-Bahn ist vom Deutschen Reich gepachtet und wird von der Reichsverwaltung der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen betrieben. Nach § 6 der Zusatzkonvention zum Frankfurter Friedensvertrag hatte die französische Ostbahn, die bis dahin die Wilhelm-Luxemburg-Bahn gegen Zahlung einer Jahrespacht von 3 Millionen Fr. laut Vertrag vom 21. Januar 1868 betrieben hatte, ihre Rechte auf die französische Regierung übertragen müssen und diese wiederum hatte das Deutsche Reich in diese Rechte eingesetzt. Der Vertrag mit der Ostbahn wurde auf die kaiserl. Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen übertragen. Die Einwilligung der luxemburgischen Regierung zur Übernahme des Betriebes der im Großherzogtum Luxemburg belegenen Strecken durch die deutsche Verwaltung wurde durch den Staatsvertrag zwischen Deutschland und Luxemburg vom 11. Juni 1872 (R. G. Bl. 1872, S. 330) erteilt. Die Wilhelm-Luxemburg-Bahn besaß aber auch noch Strecken in Belgien, die in gleicher Weise von der Ostbahn pachtweise betrieben waren. Unter Übernahme von 1/6 des Pachtzinses von 3 Millionen, trat Belgien für diese Linien durch den Staatsvertrag mit dem Deutschen Reich vom 11. Juli 1872 (R. G. Bl. 1873, S. 339) in den Ostbahnvertrag ein. Die Übernahme der Verwaltung geschah am 16. September 1872. In den Betrieb der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen kamen hierdurch 170∙05 km, die sich auf folgende Strecken verteilen:


Luxemburg – Kleinbettingen (belgische Grenze) 18∙77 km, eröffnet 4. Oktober 1859; Luxemburglothringische Grenze bei Suftgen 16∙78 km, eröffnet 5. Oktober 1859; Bettemburg-Nörtzingen-Esch 9∙55 km, eröffnet 23. April 1860; Nörtzingen-Öttingen-Rümelingen 6∙63 km, eröffnet 1. Juni 1860; Luxemburg-Wasserbillig (preuß. Grenze) 37∙44 km, eröffnet 29. August 1861; Ettelbrück-Diekirch 4∙13 km, eröffnet 21. November 1862; Luxemburg-Ulflingen (belgische Grenze) 76∙75 km, eröffnet 20. Februar 1867.


[294] Nach dem Übergang des Betriebes auf die Reichsbahnverwaltung wurden noch folgende Strecken von der Wilhelm-Luxemburg-Bahn gebaut und unter verschiedenartigen Bedingungen der ersteren zum Betriebe überlassen:


Esch-Deutsch-Oth-Redingen mit Anschlußbahnen 12∙79 km, davon 11∙29 km auf lothringischem Gebiet, eröffnet 1. November 1881; Bettemburg-Düdelingen Werk 6∙38; Verbindungskurve Nörtzingen 1∙27 km; Öttingen-Rümelingen-Langenacker 1∙75 km; Tetingen-Langengrund 3∙50 km. Die letzteren vier in Betrieb seit 29. September 1884. Damit stieg das im Betriebe der Reichsbahn befindliche Netz der Wilhelm-Luxemburg-Bahn auf 195∙73 km. Davon sind 89∙72 km zweigleisig; ausschließlich dem Güterverkehr vorbehalten 12∙71 km. Außer den vorgenannten Linien baute die Wilhelm-Luxemburg-Bahn nur noch die Strecke Ulflingen-preußische Grenze zum Anschluß an die preußische Bahn von Stolberg-St. Vith-Grenze, die 6∙94 km lang, eingleisig, am 4. November 1889 eröffnet wurde und an die preußische Staatseisenbahnverwaltung verpachtet ist.


Der Pachtvertrag über die Wilhelm-Luxemburg-Bahn in den die deutsche Regierung eingetreten war, lief mit Ende 1912 ab. Aber bereits unterm 16. Juli 1902 kam ein neuer Pachtvertrag zustande, der nunmehr sämtliche bisher durch verschiedene Verträge gepachteten Strecken einheitlich umfaßt, die Pachtdauer bis zum Ablauf der Konzession Ende 1959 festsetzt, von einem Pachtzins von 4 Millionen M. ausgeht und diesen, der ja erst vom 1. Januar 1913 ab zu fordern gewesen wäre, in der Weise diskontierte, daß vom 1. Januar 1903 ab bis zum 1. Januar 1960 jährlich 3,866.400 M. zu zahlen sind. Gleichzeitig übernahm die deutsche Verwaltung alle aus dem Unternehmen erwachsenden Lasten unter völliger Freistellung der Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft von jedweder Verpflichtung. Diese wurde hiermit zu einer reinen Finanzgesellschaft, der nur noch die Verzinsung und Tilgung der angelegten Kapitalien aus der festen Pachtrente obliegt. Ihr Eigentum an der Bahn ist rein nominell. Dieser Vertrag wurde bestätigt durch den Staatsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Luxemburg vom 11. November 1902 (R. G. Bl. 1903, Nr. 18), durch den unter anderem die Rückzahlung der seinerzeit von der großherzoglichen Regierung der Wilhelm-Luxemburg-Bahn gewährten Subvention von 8 Millionen Franken in 16 gleichen Jahres raten von 500.000 Fr. von Deutschland an Luxemburg vereinbart wurde.

II. Bedeutung der E.-Verkehrs-Entwicklung. Die deutsche Verwaltung betreibt die Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen und Luxemburg als einheitliches Netz unter Gleichhaltung der Tarife und reglementarischen Bestimmungen.

Die Bedeutung der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen in Verbindung mit dem luxemburgischen Netz beruht auf der hohen Entwicklung der Industrie des Landes sowie auf der geographischen Grenzlage zu Belgien, Frankreich und der Schweiz, die sie bestimmt und befähigt, in dem internationalen Verkehr Deutschlands eine wichtige Rolle zu spielen. Die großen Weltverkehrstraßen von Paris nach Süddeutschland und Österreich, sowie von Belgien und einem großen Teile Deutschlands nach der Schweiz und Italien führen über Elsaß-Lothringen. 10 Übergangspunkte verbinden das Netz mit dem Auslande: Ulflingen und Kleinbettingen in Luxemburg sind Übergangspunkte nach Belgien, die Linien über Fentsch, Amanweiler, Novéant, Chambrey und Deutsch Avricourt in Lothringen und über Altmünsterol im Elsaß schließen an das Netz der französischen Ostbahn an, in Basel reicht die Reichsbahn den schweizerischen Bundesbahnen die Hand und bei Pfetterhausen ist eine zweite Verbindung nach der Schweiz mit der Privatbahn Bonfol-Pruntrut geschaffen. Auf der Grenze zu anderen deutschen Staaten befinden sich 16 Übergänge. 5 davon bestehen in festen Rheinbrücken nach Baden bei Hüningen, Müllheim, Breisach, Kehl und Roppenheim, 3 Linien schließen in Lauterburg, Weißenburg und Saargemünd an das Netz der pfälzischen Bahnen an und zu Preußen bestehen bei Saargemünd, Saarbrücken, Völklingen, Bous, Dillingen, Sierck, Wasserbillig und Ulflingen 8 Übergangspunkte.

Elsaß-Lothringen ist eines der dichtestbevölkerten, fruchbarsten und gewerbereichsten Gebiete Europas. In landwirtschaftlicher Beziehung ist besonders der Weinbau hervorzuheben. Etwa ein Drittel der gesamten deutschen Weinproduktion kommt auf dies verhältnismäßig kleine Gebiet. Daneben sind Tabak und Hopfen zu nennen. Die Vogesen liefern Holz. Die Viehzucht steht auf beträchtlicher Höhe und Obst ist reichlich vorhanden. An Bodenschätzen sind zu nennen Steine, die in zahlreichen Steinbrüchen als gutes und geschätztes Baumaterial gewonnen werden; in den Vogesen sind es neben Granit insbesondere Sandsteine, von denen der satt rote Vogesensandstein schon im Mittelalter sehr geschätzt wurde; in Lothringen sind es wetterbeständige Kalksteine. Erdölbergwerke finden sich im Unterelsaß, Salinen in Lothringen; neuerdings berechtigt ein mächtiges Kalivorkommen im Oberelsaß, das bereits im Abbau begriffen ist, zu den besten Hoffnungen. Bedeutende Kohlenbergwerke in[295] Lothringen an der Saar schaffen große Mengen dieser schwarzen Diamanten zutage, der größte Schatz aber besteht in den mächtigen Eisenerzlagern (Minette) Lothringens, die sich weit nach Luxemburg hineinerstrecken. Seit der Einführung des Thomasverfahrens hat die Minette eine bis dahin ungeahnte Verwendung und Bedeutung erlangt. Hierauf beruht es, daß die Eisenindustrie sich immer mächtiger in Lothringen und Luxemburg entfaltet und zum Schwerpunkt für den Verkehr der Reichseisenbahnen geworden ist. Im Elsaß nimmt unter den dort vorhandenen Gewerbebetrieben die Textilindustrie die erste Stelle ein, wenngleich es auch an bedeutenden, auf dem Weltmarkt in Wettbewerb tretenden Maschinenfabriken (Reichshofen, Grafenstaden, Mülhausen) nicht fehlt.

Infolge dieser Verhältnisse überwiegt der Güterverkehr auf den Reichsbahnen weitaus den Personenverkehr. Die Einnahmen aus diesen Verkehren verhalten sich etwa wie 3 : 1. Zwar besteht von französischen Zeiten her ein ausgedehntes Kanalnetz:


Von Paris her mündet der Rheinmarnekanal bei Straßburg in den Rhein. Hier schließt sich der Rhein-Rhonekanal an, der von Straßburg über Mülhausen (von dort geht ein Stichkanal bis Hüningen) führt und bei Belfort nach Frankreich zur Rhone geht. An den Rhein-Marnekanal hat der Saarkanal Anschluß.


Aber, obwohl die Wasserstraßen reichlich Lasten führen, ist ein nachteiliger Einfluß auf die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs nicht bemerkbar geworden. Die Fortschritte der Schiffahrt auf dem Oberrhein mit den bedeutenden Umschlagsplätzen in den Häfen Lauterburg und namentlich Straßburg, haben sogar eine belebende Wirkung auf den Eisenbahnverkehr ausgeübt. Die im Werke befindliche, nach den bisherigen Erfahrungen gute Erfolge versprechende Regulierung des Oberrheins von Mannheim bis Straßburg wird den Wasserverkehr voraussichtlich noch weiter heben. Welchen Erfolg indessen die bisher über das Versuchsstadium noch nicht hinausgekommene Benutzung des Rheinweges bis Basel haben wird, ist zurzeit noch nicht abzusehen. Bestrebungen, den Rhein bis zum Bodensee schiffbar zu machen, sind zwar hervorgetreten, ob sie verwirklicht werden werden, darüber kann man bisher noch kein Urteil abgeben.

Der Verkehr auf den Reichseisenbahnen hat sich unter der deutschen Verwaltung glänzend entwickelt. Daß in den ersten Jahren große Schwierigkeiten zu überwinden waren, lag in der Natur der Verhältnisse. Die von Frankreich abgetretenen Bahnen waren ohne Betriebsmittel übernommen worden, so daß es sich vor allem darum handeln mußte, für Wagen und Lokomotiven in genügender Zahl zu sorgen. Zunächst wurden die während des Krieges aus Kriegsfonds beschafften 86 Lokomotiven, 200 bedeckten und 341 offenen Güterwagen käuflich erworben. Sodann begannen in der zweiten Hälfte des Jahres 1871 die Lieferungen auf die gleich nach dem Erwerb des Bahnnetzes ergangenen Bestellungen von 92 Lokomotiven, 436 Personen-, 14 Gepäck-, 550 bedeckten und 4080 offenen Güterwagen.

Die Lieferung der Betriebsmittel ging so rasch von statten, daß Ende 1872 bereits 196 Lokomotiven, 437 Personen-, 49 Gepäck-, 890 bedeckte und 5814 offene Güterwagen vorhanden waren.

Gleichwohl mußten in der ersten Zeit die elsaß-lothringischen und die Luxemburger Bahnen zum Teil mit gemieteten fremden Maschinen und Wagen befahren werden.

Während des Krieges hatten die Bahnen fast nur militärischen Zwecken gedient und hatten dem Privatverkehr nur in beschränktem Maß zur Verfügung gestanden. Nach dem Krieg lagen Handel und Verkehr in den Reichslanden schwer danieder. Die Errichtung einer Zollgrenze gegen Frankreich erschwerte die Verbindung des Landes mit seinen früheren Bezugsquellen und Absatzgebieten und nötigte den Handel zur Aufsuchung neuer Verbindungen. Die reichsländische Bevölkerung konnte sich nur schwer und langsam dazu entschließen, einen lebhaften Verkehr mit Deutschland anzubahnen.

Unter diesen mißlichen Umständen konnte sich der Binnenverkehr sowie die Einfuhr auf den reichsländischen Bahnen nur sehr langsam entwickeln. Auch der durchgehende Verkehr bewegte sich in sehr bescheidenen Grenzen; nur die Ausfuhr nahm mit Hilfe von Zollvergünstigungen mitunter einen erfreulichen Aufschwung.

Die Lage der Verwaltung war bei der Übernahme durch das Reich sehr ungünstig. Der bauliche Zustand der Bahn hatte während des Krieges sehr stark gelitten; es fehlte nicht nur an Betriebsmaterial, sondern auch an Personal, namentlich an ausgebildeten Beamten. Gleichwohl wurde gleich nach Abschluß des Friedens das Bahnnetz für den Privatverkehr eröffnet, u. zw. zuerst für den Personen- und Wagenladungsverkehr; seit 1. August 1871 auch unbeschränkt für den Stückgut- und Eilgutverkehr. Mit dem 1. August 1871 wurde ein auf neuen Grundsätzen beruhender Gütertarif und mit 1. Januar 1872 ein neuer Personentarif[296] eingeführt. Letzterer hatte eine überraschende Zunahme des Personenverkehrs zur Folge. Auch der Gütertarif erwarb sich die Gunst des Verkehrspublikums. Dagegen bedurfte es noch für Aus- und Einfuhr und für den durchgehenden Verkehr der Schaffung direkter Tarife, was durch mancherlei Umstände erschwert und verzögert wurde.

Trotz all dieser Hindernisse konnten 1872 schon 8,413.640 Personen und 84 Mill. Zentner Güter befördert werden. Die Einnahmen betrugen in diesem Jahr 8∙4 Mill. Thaler, die Ausgaben 6∙3 Mill. (mit Ausschluß der Luxemburger Bahnen).

Auch die erste Hälfte des Jahres 1873 ließ noch eine bemerkenswerte Steigerung sowohl des Personen- als auch des Güterverkehrs erkennen, dagegen wurde der erhoffte weitere Aufschwung durch die damals beginnende allgemeine wirtschaftliche Krisis unterbrochen, unter der besonders die für das Gedeihen der elsaß-lothringischen Bahnen ausschlaggebende lothringischluxemburgische Montan- und Eisenindustrie schwer zu leiden hatte. Die Nachwirkungen dieser Krisis machten sich noch bis ins Jahr 1878 hinein bemerkbar, wenngleich sich die Einnahmen von 1873–1877 um etwa 3 Mill. gehoben hatten. Vom Jahre 1878 an begann aber ein stetiges Steigen des Verkehrs und der Einnahmen daraus, unterbrochen nur durch wenige ungünstige Jahre, in denen die Einnahmen gegen das Vorjahr zurückblieben. Dies war 1885, 1890, 1901 und 1908 der Fall. Während im Jahre 1873 die Einnahmen rund 32 Mill. M., die gefahrenen t/km rund 573 Mill. betrugen, stellten sich im Jahre 1911 die Einnahmen auf 1421/2 Mill. M., die Zahl der t/km auf über 3 Milliarden. Die am Schluß gegebene Übersicht läßt im einzelnen das Fortschreiten der Verkehrsentwicklung erkennen.

III. Verwaltung und Betrieb, Tarifwesen. Die Verwaltung der Reichseisenbahnen gehörte anfänglich zum Ressort des Reichskanzleramts, u. zw. der (III.) Abteilung für Elsaß-Lothringen. Durch allerh. Erlaß vom 27. Mai 1878 (RGB. 1879, S. 193) wurde als eine dem Reichskanzler unmittelbar unterstellte Zentralbehörde ein besonderes »Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen« errichtet und zu dessen Chef der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten ernannt. Das Reichsamt, das seinen Sitz in Berlin hat, besteht jetzt außer dem Chef aus vier vortragenden Räten, von denen einer als Dirigent tätig ist, und einem ständigen Hilfsarbeiter. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus seiner Stellung als Aufsichtsbehörde; außerdem wurden durch die»Bestimmungen über die Organisation der deutschen Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen« vom 18. Dezember 1871 gewisse, besonders wichtige Angelegenheiten ausdrücklich seiner Entscheidung vorbehalten. Zur unmittelbaren Verwaltung ist dagegen durch allerh. Ordre vom 9. Dezember 1871 (RGB. 1871, S. 480) die kaiserl. Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen zu Straßburg eingesetzt. Bis zum 1. Oktober 1909 bestand sie aus 3 Abteilungen (für Betrieb, für Bau, für Verkehrs- und allgemeine Verwaltung). Unter ihr leiteten Betriebsdirektionen, Verkehrsinspektionen, Maschineninspektionen, Werkstätteninspektionen und eine Telegrapheninspektion die verschiedenen Zweige des Betriebes und Verkehrs, während technische Zentralbureaus (das betriebstechnische, das bautechnische, das maschinentechnische und das Materialienbureau) einer Reihe allgemeiner in den Bereich der Zentralverwaltung fallender Geschäfte selbständig bearbeiteten. Mit dem 1. Oktober 1909 ist eine Reorganisation eingetreten, deren Bedeutung im Wesentlichen in der Beseitigung der Betriebsdirektionen ohne Ersatz und der Aufhebung der Zentralbureaus und der Telegrapheninspektion beruht, deren Geschäfte von der Generaldirektion selbst bearbeitet werden. Gleichzeitig ist die Zahl der Abteilungen auf 5 erhöht, indem jetzt solche bestehen: 1. für die allgemeine Verwaltung, Finanz- und Etatswesen; 2. für den Betrieb; 3. für das Verkehrswesen; 4. für den Bau; 5. für das Maschinen- und Werkstättenwesen.

Nunmehr stehen die Betriebsinspektionen unmittelbar unter der Generaldirektion.


Es sind deren in Elsaß-Lothringen 17, in Luxemburg 3 vorhanden. Das Verhältnis zur luxemburgischen Regierung macht eine einheitliche Vertretung der deutschen Verwaltung erforderlich. Dementsprechend ist der Vorstand der deutschen Betriebsverwaltung in Luxemburg den sämtlichen Dienststellen des Bezirkes sachlich übergeordnet. An Verkehrsinspektionen sind 8 vorhanden: in Basel, Mülhausen, Colmar, Straßburg, Saargemünd, Metz, Diedenhofen und Luxemburg. Der Verkehrsinspektor in Basel bekleidet zugleich die Stelle eines Repräsentanten der deutschen Verwaltung gegenüber der Schweiz. Maschineninspektionen gibt es 6: in Mülhausen, Straßburg, Saargemünd, Metz, Diedenhofen und Luxemburg.


Hauptwerkstätten befinden sich in Mülhausen, Bischheim bei Straßburg, Montigny bei Metz und Niederjeutz bei Diedenhofen. Sie sind Werkstätteninspektionen unterstellt, deren sich jedoch in Bischheim und Montigny je zwei (für Lokomotiv- und für Wagenbau je eins) befinden. Nebenwerkstätten die den Maschineninspektionen unterstellt sind, sind in Saargemünd und Luxemburg. Alle Inspektionen führen seit dem Jahre 1911 die Bezeichnung[297] Ämter (Betriebsamt, Maschinenamt u.s.w.).

An der Spitze der Generaldirektion steht ein Präsident, der für die ganze Verwaltung verantwortlich ist und dessen Entscheidungen maßgebend sind. Die frühere kollegialische Verfassung ist aufgehoben. Den Abteilungen stehen Oberregierungsräte oder Oberbauräte vor. Die Amtsbezeichnung der Mitglieder ist für die administrativen Regierungsrat, für die technischen Regierungs- und Baurat.

Als Beirat für die Generaldirektion besteht ein »Eisenbahnausschuß«, der bereits im Jahr 1874 gebildet wurde und aus Vertretern der Handelskammern, der Landwirtschaft, der Industrie und der Handwerkskammer Elsaß-Lothringens zusammengesetzt ist. Er hat den Zweck, in wirtschaftlichen Fragen Rat zu erteilen sowie Wünsche der interessierten Kreise zur Kenntnis der Eisenbahnverwaltung zu bringen. Die Reichseisenbahnen sind mit dieser Einrichtung allen übrigen Bahnen vorangegangen (vgl. den Art. Beiräte).

Die Beamten der Reichseisenbahnverwaltung sind Reichsbeamte im Sinn des Gesetzes vom 31. März 1873 (RGB. 1873, S. 61 ff.). Für das förmliche Disziplinarverfahren gegen Reichseisenbahnbeamte ist in erster Instanz die durch kais. Verordnung vom 7. Januar 1874 (RGB. 1874, S. 3) errichtete Disziplinarkammer zu Straßburg, in zweiter Instanz der Disziplinarhof in Leipzig zuständig. Den reichsgesetzlichen Vorschriften über die Arbeiter-Krankenversicherung wird genügt durch eine Betriebskrankenkasse. Für die Unfallversicherung ist die kais. Generaldirektion in Straßburg als Ausführungsbehörde bestellt und ein Schiedsgericht für deren Geschäftsbereich in Straßburg errichtet. Ebenso ist zur Durchführung der Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung in der Pensionskasse für die Arbeiter der Reichseisenbahnverwaltung in Elsaß-Lothringen eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Sonderanstalt geschaffen worden, die aus 2 Abteilungen besteht, von denen die Abteilungen A für die gesetzlichen Leistungen errichtet ist, während die Abteilung B darüberhinaus Zusatzrenten und Sterbegeld sowie Witwen- und Waisengelder für die Hinterbliebenen gewährt.

Ihren ordentlichen Gerichtsstand hat die Verwaltung ausschließlich am Sitz der kais. Generaldirektion in Straßburg.

Für die auf luxemburgischem und schweizerischem Gebiet betriebenen Bahnstrecken greifen teilweise abweichende Grundsätze Platz. Insbesondere verpflichtet der mit der luxemburgischen Regierung geschlossene Staatsvertrag die Generaldirektion, für die Verwaltung der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen in der Stadt Luxemburg Domizil zu nehmen und sich wegen aller aus Anlaß des Betriebs jener Bahnstrecken geltend gemachten Ansprüche den luxemburgischen Gerichten zu unterwerfen. Die aus der Zahl der luxemburgischen Staatsangehörigen entnommenen Beamten sind nicht Reichsbeamte, werden aber in bezug auf Pensionierung, Fürsorge für ihre Hinterbliebenen, Entschädigung bei Betriebsunfällen u.s.w. diesen analog behandelt. Die Invaliditäts- und Altersversicherung kommt den beim Betrieb der luxemburgischen Strecken beschäftigten Arbeitern nicht zu gute, wohl aber ist auch für sie durch Errichtung einer Pensionskasse gesorgt.

Der Betrieb wird nach den für die Eisenbahnen Deutschlands gültigen Ordnungen geführt. Das Verhältnis zu den anschließenden deutschen und außerdeutschen Bahnen ist durch besondere Betriebsverträge geregelt.

Tarifwesen. Im Personenverkehr hatten sich die Reichseisenbahnen den bei ihren süddeutschen Nachbarbahnen bestehenden Einrichtungen angeschlossen und deren Einheitssätze angenommen. Eine vierte Klasse bestand nicht; ebensowenig wurde Freigepäck gewährt. Seit der Annahme einheitlicher Bestimmungen für den deutschen Personen- und Gepäckverkehr gelten diese auch auf den Reichseisenbahnen, wo die vierte Wagenklasse in einigen Zügen schon vorher eingeführt worden war. Im Güterverkehr galt ursprünglich das sog. natürliche System, das dem allgemeinen deutschen Reformtarif Platz machen mußte. Die Normaleinheitssätze sind die der preußischen Staatsbahnen.


IV. Statistische Angaben. Auf den reichseigenen vollspurigen Bahnen sowie auf den Wilhelm-Luxemburg-Bahnen waren 1. April 1912 vorhanden (wobei die Zahlen für die Wilhelm-Luxemburg-Bahnen in Klammern hinter die der Reichsbahnen gesetzt sind): 10 Bahnkreuzungen in Schienenhöhe, 334 (10) in verschiedener Höhenlage; 63 (4) Gleisanschlüsse auf freier Strecke; 2130 (219) Wegeübergänge in Schienenhöhe; 969 (117) Wegeüber- oder -Unterführungen; 630 (110) eiserne Brücken, davon 20 (1) mit mehr als 30 m Lichtweite der Öffnungen; 20 (4) Viadukte mit 4137 (755) m Gesamtlänge; 32 (25) Tunnel mit 15.640 (5939) m Gesamtlänge.

Die Länge der Hauptgleise der Vollspurstrecken betrug 2934 (292), die der Nebengleise 1487 (191) km. Die Länge der angeschlossenen Anschlußbahnen und -gleise, die nicht dem öffentlichen Verkehr dienen, stellte sich auf 388 (75) km. Die Hauptgleise sind fast durchweg auf Holzschwellen verlegt, nur 178 (4) km ruhen auf eisernen Schwellen. Alle Hauptgleise bestehen aus Stahlschienen. An Weichen waren 9545 (1235) vorhanden. Bahnhöfe, d.h. Stationen mit mindestens einer Weiche gab es 352 (39), Haltepunkte ohne Weiche 114 (7).[298]

An wichtigeren Nebenanlagen sind zu nennen: 41 (5) Verwaltungsgebäude, 1278 (158) Dienst- und Mietwohngebäude, 81 (14) Lokomotivschuppen mit 592 (143) Ständen, 128 (16) Wasserstationen, 4 Gasanstalten, 3 (1) Elektrizitätswerke, 480 (42) Lastkrane, 379 (74) Gleiswagen, 31 (2) Schiebebühnen, 409 (30) Drehscheiben.

Die Länge des Telegraphengestänges stellte sich auf 1910 (188) km mit 15.480 (996) km Bahnleitungen. Morseschreiber gab es 1271 (121). Fernsprecher waren 2890 (412) im Betrieb. Für den Privatdepeschenverkehr waren 187 (31) Bahntelegraphenstationen geöffnet.


Elsaß-Lothringische Eisenbahnen

Einen Überblick über die steigende Verkehrsentwicklung gibt die folgende Darstellung:


Elsaß-Lothringische Eisenbahnen

Der Fuhrpark der Reichsbahnen, der gleichzeitig dem Betriebe der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen dient, bestand aus 1111 Lokomotiven und 3 elektrischen Triebwagen, 2190 Personenwagen, 745 Gepäckwagen, 6639 gedeckten und 18.777 offenen Güterwagen. Dazu treten für die Schmalspurbahnen 20 Lokomotiven, 40 Personenwagen, 13 Gepäckwagen, 51 gedeckte und 130 offene Güterwagen.

Im Jahre 1911 waren im Bereich der Verwaltung der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen im ganzen 31.738 Personen beschäftigt, von denen 11.628 etatmäßige, 2294 nichtetatmäßige Beamte waren, während 17816 im Arbeiterverhältnis standen. Der Gesamtaufwand für persönliche Ausgaben betrug 541/4 Mill. M. Das Anlagekapital der reichseigenen Strecken betrug 1911, ungerechnet die etwa 40∙6 Mill. betragenden Zuschüsse aus Landesmitteln u.s.w., 829,360.000 M. Das der gepachteten Strecken stellte sich auf rund 72∙7 Mill. Davon kommen 3∙6 Mill. auf die Strecke schweizerische Grenze-Basel 69∙1 Mill. auf die Wilhelm-Luxemburg-Bahnen. Von den letzteren wiederum sind nur 45 Mill. von der Eigentümerin, die übrigen 24∙1 Mill. vom Deutschen Reich aufgewendet.

Zu Zwecken vergleichender Statistik wird neben dem wirklichen Anlagekapital noch ein gekürztes Anlagekapital nachgewiesen. Die Kürzung besteht in dem Betrage, um den der Kaufpreis für die nach dem Friedensvertrage vom 10. Mai 1871 erworbenen früheren Strecken der französischen Ostbahn und für die von der früheren société anonyme des chemins de fer de la Lorraine erworbenen Linien die Herstellungskosten überstieg. Dieser Betrag ist buchmäßig auf rund 93∙9 Mill. ermittelt, so daß das gekürzte Anlagekapital sich auf 735,476.000 M. stellt.

Die seit 1873 erzielten finanziellen Ergebnisse sind in der vorstehenden Übersicht dargestellt.


[299] Der Schwerpunkt des Güterverkehrs ruht bei den Gütern der billigen Ausnahmetarife, insbesondere der Kohlen, Erze und der Rohstoffe. Von den 42∙35 Mill. t des Jahres 1911 mit 101∙36 Mill. M. Einnahme kamen auf die Güter jener Ausnahmetarife nicht weniger als 27∙8 t mit 52∙6 Mill. M. Frachteinnahme.

Leese.

1

Vgl. die Karte zum Artikel Preußisch-hessische Staatseisenbahnen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 4. Berlin, Wien 1913, S. 291-300.
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