Elsaß [2]

[657] Elsaß (Gesch.). E. ist der germanisirte Name von Alsatia, wie ihn die lateinischen Schriftsteller des 7. Jahrh., zuerst Fredegar, brauchen. Früher wohnten hier die Tribokker; seit 50 v. Chr. nahmen die Römer Besitz von dem Lande; unter den Kaisern zerfiel es schon in die zwei, in der Folge auch bleibenden Theile: Nieder-E. (Alsatia inferior), gehörte zu Germania prima, u. Ober-E (A. superior), zu Gallia lugdunensis. Als in der Mitte des 5. Jahrh. Germanen hier einwanderten, setzten sich in E. Alemannen fest, 496 aber unterwarfen die Franken unter Chlodwig das E. mit Schwaben u. vereinigten beide zu einem Lande Alemannien (s.d.). Gegen die Mitte des 1. Jahrh. wurden beide Länder wieder getrennt u. hatten eigene Herzöge, die von den fränkischen Königen eingesetzt wurden. Der erste war Gundon um 650; ihm folgten : 656 Bonifacius, 662 Adalrich (Ethich), wahrscheinlich ein Sohn des Herzogs Leuthar von Alemannien; 690–722 dessen älterer Sohn Adelbert, vorher Graf im Nordgau; mit dessen Sohn Luitfrid erlosch 769 die herzogliche Würde von E. In der Theilung unter Ludwig dem Frommen kam E. an Lothar, 841 nach der Schlacht bei Fontenay an Ludwig den Deutschen, im Verduner Vertrag 843 wieder an Lothar, u. dessen Sohn Lothar machte seinen Sohn Hugo 867 von Neuem zum Herzog von E. Nach Lothars Tode 870 erkannte Ludwig der Deutsche den Herzog Hugo nicht an, sondern vereinigte E. mit Deutschland, u. so blieb es unter Karl dem Dicken. König Arnulf gab E. mit Lothringen seinem natürlichen Sohne Zwentibold (s. Lothringen [ Gesch.]), u. erst 925 wurde es unter Heinrich dem Vogelsteller wieder mit dem Deutschen Reiche vereinigt u. kam unter Burkhard zum Herzogthum Schwaben, s.d. (Gesch.). Schon früher hatte das Herzogthum E. (Ducatus Elisacensis, D. Elisatius)' in seinen beiden Theilen neben den Herzögen noch Grafen, die sich später Landgrafen nannten.

A) In Ober-E. (Sundgau, Pagus meridionalis) war der erste Graf 673 Rodebert, dann 722 Eberhard, Sohn des Herzogs Adelbert, welcher 747 starb u. bis zum Tode seines Vaters keinen Nachfolger hatte; seit 769 folgten einander: Garin, 770 Pirahiilon, um 800 Luitfrid I., Sohn des Herzogs Luitfrid, 828 Erkinger, 829 Gerold, 837 Hugo I., Sohn Luitfrids I., u. bald darauf sein Sohn Luitfrid II., 864 dessen Sohn Hugo II., 880 sein Bruder Luitfrid III.; noch bei dessen Leben (er st. 910) kommt 896 sein Sohn Bernard als Graf vor; unter Luitfrid IV. (912–53) fielen 925 die Hunen in E. ein; sein Sohn Gontram d. Reiche (953–54), auch Graf vom Breisgau, half dem Herzog Ludolf von Schwaben in der Empörung gegen seinen Vater Otto, wurde aber nach der Besiegung Ludolfs entsetzt u. die Grafenwürde seinem Bruder Luitfrid V.[657] gegeben; diesem folgten 977 sein Sohn Luitfrid VI., um 1000 Otto I., 1027 Giselbert, 1048 Beringer 1052 Kuno, 1063 Rudolf, 1084 Heinrich. Der erste erbliche Graf des Sundgaues war Otto II., Graf von Habsburg, der 1090 zur Regierung kam; er stammte von Luitfrid IV. ab u. wurde 1111 ermordet; ihm folgten sein jüngerer Bruder Adelbert II. bis 1141, dann sein Neffe Werner, Ottos II. Sohn, Landgraf von Habsburg u. Graf von E.; sein Sohn Adelbert od. Albert III. der Reiche (1180–1199) nahm zuerst den Titel Landgraf von E. an; ihm folgte Rudolf II. der Ältere od. Friedfertige (1199–1232); seine Söhne Albert (Albrecht) IV. der Weise u. Rudolf III. der Stille regierten gemeinschaftlich 1232–40; als Albert 1240 in Askalon gestorben war, regierte Rudolf III. mit seinem Neffen Rudolf IV. noch bis 1247, wo jener starb; als Rudolf 1273 deutscher Kaiser wurde, trat er E. an seine Söhne Albert V., Hartmann u. Rudolf V. ab; Hartmann ertrank 1281, Albert erhielt 1283 Österreich u. nun blieb Rudolf V. allein Landgre von E.; nach seinem Tode, 1290, fiel E. wieder an Albrecht, welcher 1298 deutscher Kaiser u. 1308 durch Rudolfs V. Sohn Johann ermordet wurde. Kaiser Albrecht hatte indessen das E. schon 1299 an seine Söhne Rudolf VI. u. Friedrich I. d. Schönen abgetreten, die es bis 1307 gemeinschaftlich regierten, wo Rudolf König von Böhmen wurde, als welcher er noch in diesem Jahre st.; darauf wurde Albrechts dritter Sohn, Leopold, Mitregent von Ober-E., u. Friedrich I. von E. u. Österreich wurde der Gegenkaiser Ludwigs des Baiern (1314), von welcher Zeit an Leopold Alleinherr von Ober-E. war. Er nahm lebhaft Partei für seinen Bruder Friedrich, st. aber 1326. Da er keine Söhne hinterließ, so folgten ihm seine zwei jüngeren Brüder Albert VI. u. Otto III., von denen aber der Letztere schon 1339 st., worauf Albrecht allein bis zu seinem Tode (1358) regierte. Seine Söhne Rudolf VII., Albert VII. u. Leopold II. besaßen jetzt E. ungetheilt, doch führte Rudolf die Regierung. Dieser war Herzog von Österreich, Kärnten u. Steyermark, Graf von Habsburg u. Kyburg, erbte 1363 auch Tyrol u. nannte sich zuerst Erzherzog von Österreich. Er st. 1365 kinderlos, u. seine Brüder führten nun die Regierung über E. gemeinschaftlich fort, während Österreich Albrecht allein gehörte; später, etwa 1378, trat Albrecht alle Besitzungen, außer Österreich, an Leopold II. ab, der durch Kauf in Schwaben seine Besitzungen vergrößerte, aber mit den Schweizern in einen Krieg verwickelt wurde u. 1386 bei Sempach fiel. Leopold III., sein Sohn, folgte ihm u. stand bis 1392 unter der Vormundschaft seines Oheims Albrecht von Österreich; er lebte in Wien u. st. dort 1411 kinderlos, weshalb E. an seinen Bruder Friedrich II., Herzog von Österreich u. Tyrol (letzteres hatte er von seinem Vater Leopold II.), fiel. Dieser nahm an dem Concil von Constanz lebhaften Antheil, brachte den Papst Johann XXII. 1415 von dort in Sicherheit, wurde deshalb excommunicirt u. vom Kaiser Sigismund in die Acht erklärt. Der Kaiser fiel in E. ein u. die Schweizer bemächtigten sich aller Besitzungen, die er noch in der Schweiz hatte. Friedrich II. versöhnte sich 1418 wieder mit Sigismund u. erhielt bis auf die schweizerischen Besitzungen Alles zurück; er st. 1439. Sigismund, Friedrichs Sohn, folgte ihm unter der Vormundschaft Albrechts von Österreich. 1444 fielen die Armagnacs (s.d.) unter dem Dauphin Ludwig in E. ein, um ein prätendirtes Recht Frankreichs an das E. geltend zu machen; aber bald wurden die Armagnacs nach Frankreich zurückgeworfen. 1457 gründete Albrecht die Universität Freiburg im Breisgau u. st. 1463, worauf Sigismund erst die Regierung antrat; dieser führte 1468 einen unglücklichen Krieg mit den Schweizern u. mußte 1469 alle seine Besitzungen an den Herzog Karl den Kühnen von Burgund für 80,000 Goldgulden verpfänden. Karl ernannte einen Herrn von Hegenbach zum Landvoigt von E., der das Land sehr bedrückte u. die benachbarten Fürsten u. Reichsstädte sehr belästigte. Diese brachten die Pfandsumme zusammen, damit Sigismund E. wieder einlösen könnte, aber Karl weigerte sich, das Land herauszugeben, u. nun trat Sigismund 1474 dem Bunde der Schweizer, Lothringer u. Reichsstädte im E. gegen Burgund bei, wodurch er wieder zu seinen Besitzungen kam, die er, da er keine Kinderhatte, 1489 anden König Maximilian I. abtrat. Nach Maximilians I. Tode (1519) fiel E. an Kaiser Karl V., der es 1521 an seinen Bruder Ferdinand abtrat. Unter ihm breitete sich die Lutherische Lehre E. aus Als Ferdinand J. 1556 deutscher Kaiser wurde, ernannte er Wilhelm von Rappelstein zum Statthalter im E. Nach Ferdinands Tode 1564 folgte ihm sein dritter Sohn Ferdinand II.; als dieser 1595 st., erhielten seine Söhne das E. nicht, da sie als Kinder von der Philippine Welser für unebenbürtig angesehen wurden, sondern es fiel an Kaiser Rudolf II., der es durch seinen Bruder Maximilian regieren ließ, welcher das Gouvernement auch unter Kaiser Matthias, der 1612 nach Rudolfs Tode E. erhielt, fortführte. Matthias st. 1619, u. nun wäre E. an den Erzherzog Albert, Statthalter der Niederlande, gefallen, aber dieser trat das Land an den Kaiser Ferdinand II. ab, der es 1626 seinem jüngeren Bruder Leopold übergab. Unter Leopold IV. wurde E. 1631 von den Schweden besetzt; doch bei seinem Tode, 1632, da sein Sohn Ferdinand Karl noch unmündig war, wurde seine Mutter Claudia von Medici Regentin des Landes. Aber die Schweden traten 1634 E. an Ludwig XIII. von Frankreich ab, u. der Westfälische Frieden bestätigte diese Abtretung, doch mußte Frankreich 3 Mill. Fr. an Österreich zahlen, u. die Reichsstädte nebst Strasburg blieben noch beim Deutschen Reiche, bis 1681 sich Ludwig XIV. auch der Stadt Strasburg bemächtigte. Im Ryswicker Frieden 1697 wurden die Reichsstädte an Frankreich definitiv abgetreten. Seit dieser Zeit hat Ober-E. die Schicksale Frankreichs getheilt.

B) Nieder-E. (Nordgau, Pagusseptentrionalis). Hier war der erste Graf 684 Adelbert, Sohn des Herzogs Adalrich, u. als er 690 Herzog wurde, folgte ihm als Graf sein Bruder Etichon; diesem folgten seit 720 sein Sohn Alberich; 736 Ruthard, Sohn des Herzogs Luitfrid (st. 765); 777 Eberhard I., Alberichs Sohn; 778 Ulrich (Udalrich); um 805 Ruthelin, dann Erkinger, der bei Ludwig dem Frommen u. Ludwig dem Deutschen sehr in Gunst stand; 864 Eberhard II., Sohn Eberhards I.; 864 Adelbert II., 898 Eberhard III., Ebehards II. Sohn; 900 sein Sohn Hugo, Graf von Hohenburg; 940 sein Sohn Eberhard IV.; dieser resignirte 951 u. st. 967 zu Altorf, u. ihm folgte sein Sohn Hugo III., 984–996 Eberhard[658] V. u. 996–1000 Hugo III., alle ausgezeichnet durch Freigebigkeit gegen die Klöster. Hugo III. hatte keine Kinder, daher folgte ihm sein Bruder Eberhard VI., der ebenfalls ohne Erben (nach 1016) starb. Um 1027 regierte Wesilon; nach diesem waren Grafen: 1035 Hugo IV., Sohn Hugos II., der seine Residenz im Schlosse Egisheim nahm; 1049 sein Enkel Heinrich; 1065 Gerhard, Enkel Hugos IV. u. Sohn Gerhards von Egisheim; 1078 Hugo V., Heinrichs Sohn; dieser verließ die Partei des Kaisers Heinrich IV. u. wurde ein eifriger Anhänger des Papstes Gregor VII.; dadurch wurde er in einen Krieg verwickelt u. 1086 aus E. vertrieben; ein Wiedereroberungsversuch 1088 scheiterte an der Feindschaft des Bischofs Otto von Strasburg gegen ihn; 1089 versöhnten sie sich; Hugo begab sich nach Strasburg, wurde aber mit seinen Begleitern von Ottos Dienstleuten ermordet. Hugo V. hinterließ keine Kinder, u. der Nordgau fiel an Gottfried I., Grafen von Metz, Enkel Hugos IV.; auf diesen folgte 1127 sein Sohn Dietrich, der sich zuerst Landgraf von Nieder-E. nannte. Gottfried II., sein Sohn u. Nachfolger, 1150 bis um 1180, starb ohne Erben, u. darauf zog Kaiser Friedrich I. das Lehen ein, welches erst Kaiser Heinrich VI. 1192 an den Grafen Sigbert von Werd, den Schwiegersohn des Landgrafen Dietrich, verlieh. Dieser st. 1228, gefolgt von seinem Sohn Heinrich, der schon seit 1213 mit seinem Vater gemeinschaftlich regiert hatte. Heinrich st. 1238; sein Postumus, Heinrich Sigbert, folgte ihm unter der Vormundschaft des Grafen Adolf von Waldeck. Als er die Regierung selbst antrat, erklärte er sich in einem Streite der Stadt Strasburg mit ihrem Bischof, Walther von Geroldseck, für Letzteren, während der Landgraf von Ober-E., Rudolf von Habsburg, der Stadt beistand. Am 8. März wurde Heinrich Sigbert von den Strasburgern bei Hugsbergen geschlagen u. gefangen u. mußte, um seine Freiheit wieder zu erlangen, mit der Stadt sich verbinden. Er st. 1278, u. ihm folgte sein ältester Sohn Johann I.; dieser stand Albrecht von Österreich gegen Adolf von Nassau bei, focht mit bei Göllheim am 2. Juli 1298, wo Adolf von Nassau blieb, u. st. 1308. Da sein einziger Sohn kurz nachher starb, folgte ihm sein Bruder Ulrich, Graf von Werd; dieser nahm die Partei Ludwigs des Baiern gegen Friedrich von Österreich, ging mit demselben 1328 nach Italien u. st. 1344, nachdem er schon 1340 die Regierung an seinen Sohn Johann II. u. dessen Schwager Friedrich, Friedrichs Sohn, u. Ludwig, Grafen von Öttingen, unter der Bedingung abgetreten hatte, daß sie gemeinschaftlich regieren sollten. Friedrich st. 1357 u. Landgraf Johann II., schwach an Körper u. Geist, wurde von der Regierung fern gehalten, daher Ludwig nun allein regierte; aber 1358 verkauften die Grafen Öttingen die Landgrafschaft an den Bischof Johann von Strasburg, u. Johann II. behielt sich blos den Titel Landgraf vor, den er bis zu seinem 1376 erfolgten Tode führte. Nieder-E. hatte nun mit dem Bisthum Strasburg gleiche Schicksale, bis es 1681 mit Ober-E. an Frankreich kam (s. oben). Vgl. Schöpflin, Alsatia illustr. Celt. Rom. Francica, Colmar 1751, Fol.; Dessen Alsatia illustr. Germanica, Gallica, ebd. 1761, Fol.; Dessen Alsatia aevi Meroving., Caroling., Sax., Salici, Suevici diplomatica, Manh. 1772, 2 Bde., Fol.; Belling, Geschichte u. Beschreibung des Elsasses, Bas. 1782; Strobel, Geschichte des Elsasses, Strasb. 1841–46, 5 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 657-659.
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