[457] Fahrkarte (ticket; billet; biglietto); Fahrausweis, Bescheinigung über die Bezahlung des Personenfahrgelds, die zur Fahrt nach Maßgabe ihres Wortlautes sowie der einschlägigen Tarif- und Reglementsbestimmungen berechtigt.
Inhalt: I. Das durch die F. begründete Rechtsverhältnis; II. Rechte aus der F.; III. Gültigkeitsdauer der F.; IV. Übertragbarkeit der F.; V. Form und Ausstattung der F.; VI. Fahrkartengattungen; VII. Bestellung und Ausgabe der F. an die Dienststellen. Verrechnung; VIII. Ausgabe der F. an die Reisenden; IX. Abnahme und Prüfung der F.
I. Das durch die F. begründete Rechtsverhältnis.
Nach den reglementarischen Bestimmungen muß der Reisende bei Antritt der Fahrt mit einem Fahrausweis versehen sein. Der Tarif kann Ausnahmen zulassen.
Der Reisende ist verpflichtet, den Fahrausweis aufzubewahren, ihn auf Verlangen dem Schaffner oder einem andern mit der Prüfung betrauten Beamten vorzuzeigen und ihn kurz vor oder nach Beendigung der Fahrt abzugeben.
Ein Reisender, der keinen gültigen Fahrausweis vorzeigen kann, hat in der Regel einen Preiszuschlag zu zahlen und ist unter Umständen strafrechtlich verantwortlich (vgl. unter IX).
Der Abschluß des Beförderungsvertrages liegt in der Ausfolgung der F. durch die Ausfolgestelle, die Zug um Zug gegen Zahlung des Fahrgeldes geschieht, soweit nicht Freifahrt gewährt wird (s. Freikarten).
Vgl. die deutsche EVO. vom 23. Dezember 1908, § 13, das österr.-ungar. BR vom 11. November 1909, § 13, den belgischen Personen- und Gepäckstarif vom 1. Mai 1910, Art. 2, die französischen tarifs généreaux de grande vitesse, Ztschr. f. d.i. Eisenbtr., Jahrg. 1908, Beilage S. 64 ff., Art. 4 u. 6, die Transportbedingungen im Verkehre der italienischen Eisenbahnen vom 1. Juli 1885, Art. 14, 32, das allg. Reglement für die Beförderung auf den Eisenbahnen in den Niederlanden vom 4. Januar 1901, Art. 4 und 15, das russische Eisenbahnges. vom 12. Juni 1885, Art. 20, 23, das Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen vom 1. Januar 1894, § 13 und 15; vgl. ferner den in der Berner Konferenz vom Jahre 1911 festgestellten Entwurf eines internationalen Übereinkommens über die Beförderung von Personen und Reisegepäck.
II. Rechte aus der F.
Dem Reisenden steht zunächst das Recht zu, die der Wagenklasse, für die seine F. lautet, entsprechenden Warteräume zu benutzen.
In Deutschland und Österreich-Ungarn gibt die F. Anspruch auf einen Platz in der entsprechenden Wagenklasse, soweit in dieser Plätze vorhanden sind oder beim Wechsel des Wagens vorhanden bleiben. Die mit durchgehenden Karten ankommenden Reisenden haben den Vorzug vor neu hinzutretenden. Direkte Wagen werden nach Tunlichkeit für Reisende mit durchgehenden Karten eingestellt. Erhält der Reisende weder in der ihm gebührenden Wagenklasse, noch wenigstens zeitweilig in einer höheren Klasse einen Platz, so kann er Beförderung in einer niedrigeren Klasse, in der noch Plätze frei sind, und Erstattung des Preisunterschiedes verlangen oder die Fahrt unterlassen und das Fahrgeld sowie die Gepäckfracht zurückfordern. Einen Anspruch auf Entschädigung hat er nicht. Auf der Zugangsstation darf der Reisende bis fünf Minuten vor der Abgangszeit des Zuges seine F., wenn sie noch nicht durchlocht oder nachweislich nur zum Betreten des Bahnsteigs benutzt ist, unter Ausgleich des Preisunterschiedes gegen eine andere umtauschen. Wer die Abfahrt versäumt und einen späteren Zug benutzen will, für den seine Karte nicht ohne weiteres gilt, kann sich die Karte für den gewählten Zug gültig schreiben lassen. Die Geltungsdauer der F. wird hierdurch nicht verlängert. Bei Benutzung eines Zuges mit höheren oder niedrigeren Fahrpreisen ist der Unterschied auszugleichen. Ein Anspruch auf Erstattung des bezahlten Fahrgeldes besteht nicht.
Für Teilstrecken kann, soweit der Tarif nichts anderes bestimmt, gegen Zahlung des tarifmäßigen Zuschlages eine höhere Klasse oder ein Zug mit höheren Fahrpreisen benutzt werden.
Im Lokalverkehr der österr. Staatsbahnen können F. zur Fahrt nach der gleichen Zielstation auch auf einem andern als auf dem Weg benutzt werden, auf den sie lauten. Die F. ist, wenn dieser Weg billiger ist, gültig zu schreiben; ist der Weg teurer, wird Nachzahlung erhoben und auf der Karte vermerkt »hierzu Nachzahlungsschein über ...«
In Deutschland können Scheine der Fahrscheinhefte des Vereinsreiseverkehrs auf Verlangen[457] für eine kürzere Strecke zwischen denselben Stationen umgeschrieben werden. Verschiedene Bahnhöfe desselben Ortes gelten hierbei als eine Station. Die Umschreibung ist auf der Abzweigestation oder einer vorgelegenen Station zu beantragen. Sie kann abgelehnt werden, wenn der Beamte sie bei ordnungsmäßiger Erfüllung seiner sonstigen Dienstpflicht und ohne Überschreitung der fahrplanmäßigen Aufenthaltszeit der Züge nicht vornehmen kann. Die Umschreibung wird auch von den amtlichen Auskunftsstellen und den Ausgabestellen für zusammengestellte Fahrscheinhefte innerhalb der festgesetzten Dienststunden vorgenommen.
Vgl. die EVO., § 20; das österr.-ungar. BR., § 20; die französischen tarifs généraux de grande vitesse, Art. 4 und 7; das allg. Reglement für die Beförderung: auf den Eisenbahnen in den Niederlanden, Art. 9 und 11; das russische Eisenbahnges., Art. 20 und 21; das Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen, § 10 und 11.
In Deutschland und Österreich-Ungarn begründet die verspätete Abfahrt oder Ankunft oder das Ausfallen eines Zuges keinen Anspruch auf Entschädigung. Wird infolge einer Zugverspätung der Anschluß an einen anderen Zug versäumt oder fällt ein Zug ganz oder teilweise aus, so kann der Reisende das Fahrgeld und die Gepäckfracht für die nicht durchfahrene Strecke zurückfordern. Gibt der Reisende die Weiterfahrt auf und kehrt mit dem nächsten günstigsten Zug ohne Fahrtunterbrechung zur Abgangsstation zurück, so ist ihm Fahrgeld und Gepäckfracht zu erstatten, auch freie Rückbeförderung in der für die Hinreise bezahlten Wagenklasse zu gewähren und, wenn der Zug diese nicht führt, in der nächst höheren Klasse. Der Reisende kann sich auch dafür entscheiden, daß er nebst seinem Gepäck ohne Preiszuschlag mit dem nächsten, günstigsten auf der gleichen oder auf einer anderen Strecke nach derselben Bestimmungsstation verkehrenden, dem Personenverkehr dienenden Zug die Reise fortsetzt, wenn hierdurch die Ankunft auf der Bestimmungsstation beschleunigt wird. Luxus-(Expreß)- Züge sind von der hilfsweisen Benutzung ausgeschlossen. Wenn Naturereignisse oder andere zwingende Umstände die Fahrt auf einer Strecke verhindern, so hat die Eisenbahn für die Weiterbeförderung bis zur fahrbaren Strecke tunlich in anderer Weise zu sorgen. Zugverspätungen, die mehr als 15 Minuten betragen, und Betriebsstörungen sind durch Anschlag bekannt zu machen.
Es entspricht diese Regelung zumeist auch den in anderen Ländern geltenden Reglements, die entweder ähnliche Bestimmungen enthalten oder eine Haftpflicht bei Verspätungen oder Anschlußversäumnissen zum mindesten nicht ausdrücklich festsetzen.
(Vgl. die EVO., § 26;
das österr.-ungar. BR., § 26;
den belgischen Personen- und Gepäcktarif, Art. 9;
die Transportbedingungen im Verkehre der italienischen Eisenbahnen, Art. 31;
das allg. Reglement für die Beförderung auf den Eisenbahnen in den Niederlanden. Art. 9, 11.)
Bei dem zu gewissen Zeiten gesteigerten Verkehr, bei dem komplizierten Ineinandergreifen der mannigfachen Anschlüsse, bei den im Eisenbahnbetrieb unvermeidlichen Zufällen wird ein Verschulden der Eisenbahn bei Verspätungen sich nur in seltenen Fällen nachweisen lassen. Verschieden ist in den einzelnen Staaten die Auffassung, ob nicht grobe Fahrlässigkeit oder Arglist die Eisenbahnen ersatzpflichtig machen soll, und ob nicht in diesen Fällen die Höhe der Entschädigung begrenzt, das Mehr durch Selbstversicherung gedeckt werden sollte.
In Frankreich macht die Rechtsprechung die Eisenbahn für Verspätungen verantwortlich, wenn der Reisende beweist, daß er einen materiellen Schaden erlitten hat, insoweit eine solche Schädigung zur Zeit des Vertragsabschlusses vorausgesehen werden konnte. Sie stellt die Präsumtion auf, daß in Verspätungsfällen die Eisenbahn ein Verschulden trifft, es wäre denn, daß die Eisenbahn den Nachweis höherer Gewalt erbringt.
Auch in der Schweiz1 ist die Bahn in Verspätungsfällen haftpflichtig. Verspätet sich der Abgang des Zuges um mehr als eine halbe Stunde, so kann der Reisende Rückzahlung des Fahrpreises verlangen. Wenn der Reisende durch eine Zugsverspätung einen Anschlußzug versäumt hat oder wenn die Verspätung mehr als den 5. Teil der auf die Reise fallenden fahrplanmäßigen Zeit, mindestens jedoch mehr als eine Stunde beträgt, und der Reisende in beiden Fällen mit dem nächsten Zug zurückkehrt, ist freie Rückfahrt zu bewilligen und das bezahlte Fahrgeld zu ersetzen. Wenn den Reisenden durch die Verspätung notwendige Auslagen erwachsen, so sind sie berechtigt, von der Unternehmung Ersatz der Auslagen zu verlangen. Falls durch eine Zugsverspätung mindestens 10 mit F. nach der gleichen Linie versehene Reisende einen Anschluß verfehlen und ein späterer direkter Anschluß durch den nächstfolgenden fahrplanmäßigen Zug nicht zu ermöglichen ist, während er durch Verwendung eines Extrazuges herzustellen wäre, so sind die Bahngesellschaften verpflichtet, einen Sonderzug abzufertigen, insofern dies mit der Betriebssicherheit vereinbar ist und die vorhandenen Betriebsmittel zureichen. Die Reisenden sind in diesem Falle unter keinen Umständen zu einer Nachzahlung anzuhalten. Ist das Nichteinhalten des Fahrplanes[458] Folge von Arglist oder grober Fahrlässigkeit, so ist der dadurch verspätete Reisende berechtigt, von der fehlbaren Unternehmung auch den Ersatz eines weitergehenden Schadens zu verlangen.
Der Mißbrauch der Rechte aus einer F. zieht, abgesehen von den durch die reglementarischen Bestimmungen der Bahnverwaltung ausgesprochenen Straffolgen die Ahndung nach den allgemeinen Strafgesetzen nach sich. Dies gilt insbesondere von der mißbräuchlichen Benutzung einer für eine bestimmte Person gewährten Freikarte, einer Begünstigungsanweisung für eine bestimmte Person, für Zeit- und Abonnementskarten, für Karten, die nur an bestimmte, sich legitimierende Personen verabfolgt werden (Arbeiterkarten, Schülerkarten u. dgl.), endlich für im Tarif und kraft Vordruck als unübertragbar erklärten F. Strafrechtlich verfolgbar ist auch die ungemeldete Fahrt ohne oder mit ungenügender F., wenn die Kriterien der versuchten Fahrpreishinterziehung gegeben sind, u. zw. auch wenn der Fahrpreis nebst Zuschlag bezahlt wird. Zu den strafbaren Handlungen gehört auch die Fahrkartenfälschung (s.d.).
III. Gültigkeitsdauer der F.
Die Gültigkeitsdauer der F. ist sehr verschieden. Früher war das Recht aus der einfachen Karte in der Regel auf den Zug (und dessen Anschlüsse) beschränkt, zu dem sie ausgegeben wurde, und nur durch die Gestattung, die Fahrt einmal für eine bestimmte Zeit zu unterbrechen (s. Fahrtunterbrechung) erweitert. Heute geht die Tendenz dahin, die Gültigkeitsdauer nach der Länge der Beförderungsstrecke zu regeln.
Die Geltungsdauer der F. beträgt in Deutschland vier Tage, in Österreich für Entfernungen bis zu 400 km zwei Tage, für Entfernungen über 400 km vier Tage; in Ungarn ist, abgesehen von den im Tarife zugelassenen Fahrtunterbrechungen, der Grundsatz der ununterbrochenen Fahrt bis zur Bestimmungsstation festgehalten.
Als erster Tag der Geltungsdauer gilt der Tag, mit dessen Datum die Karte abgestempelt worden ist. Die Reise muß spätestens um Mitternacht des letzten Geltungstages beendet sein. In Österreich und Ungarn muß die Reise am ersten Geltungstag, und wenn die F. die Bezeichnung eines bestimmten Zuges oder Tagesabschnittes ausweist, mit diesem Zug oder innerhalb dieses Tagesabschnittes angetreten werden. In Deutschland kann die Reise an einem beliebigen Tag innerhalb der Geltungsdauer angetreten werden. Letzteres gilt allgemein für Buchfahrkarten und Vereinsfahrscheinhefte. Inhaber von letzteren können die Reise in beliebiger Fahrtrichtung und auch auf einer Zwischenstation antreten. Ein Wechsel der einmal eingeschlagenen Fahrtrichtung ist unzulässig.
Die Vereinsfahrscheinhefte haben eine Gültigkeit bis zu 120 Tagen, bei Buchfahrkarten ist die Gültigkeitsdauer durch Vordruck bestimmt.
Bei Zeitkarten (Jahres- und Halbjahreskarten, Monatskarten, Wochenkarten) ergibt sich d e Gültigkeitsdauer aus der Art der Karte. Tausendmeilenkarten (Amerika), Kilometerkarten und ähnliche Karten können vielfach selbst über das Kalenderjahr hinaus benutzt werden.
In Belgien gilt eine einfache F. nur für den Tag der Ausgabe, der Rückfahrkupon von Hin- und Rückfahrkarten auf allen Strecken 2 Werktage.
In Frankreich gilt die F. nur für das auf ihr vermerkte Datum.
In Italien darf ein Zwischenaufenthalt nur bis zu der auf das Ende des folgenden Tages eintretenden Mitternacht dauern.
In den Niederlanden gilt die einfache F. 2 Tage.
In der Schweiz sind einfache F. nur für den Tag ihrer Ausgabe gültig, ausgenommen F. für Reisen von mehr als 200 km, die bis Mitternacht des folgenden Tages gelten. Hin- und Rückfahrkarten gelten bei Reisen bis zu 10 km 3 Tage, für alle übrigen Entfernungen 10 Tage.
Vgl. die EVO. § 13;
das österr.-ung. BR. § 13;
den belgischen Personen- und Gepäcktarif, Art. 4;
die französischen Tarifs généraux de grande vitesse, Art. 4;
die Transportbedingungen im Verkehre der italienischen Eisenbahnen, Art. 30;
das allg. Reglement für die Beförderung auf den Eisenbahnen in den Niederlanden, Art. 10;
das Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen, § 9.
Nach dem Berner Entwurf soll die Geltungsdauer der Fahrausweise durch den Tarif bestimmt werden. Die Geltungsdauer soll betragen:
»bei einfacher Fahrt für je auch nur angefangene 150 km mindestens 1 Tag;
bei Hin- und Rückfahrt:
für Entfernungen bis und mit 100 km mindestens 4 Tage,
und für je auch nur angefangene weitere 100 km 2 Tage.
Besondere Fahrausweise zu ermäßigten Preisen können eine geringere Geltungsdauer haben.«
IV. Übertragbarkeit der F.
In dieser Frage besteht in den einzelnen Ländern eine verschiedene Auffassung.
In Deutschland und in Österreich ist der Standpunkt vorherrschend, daß die F. als Inhaberpapiere übertragbar sind, wofern es sich nicht um F. handelt, die auf Namen lauten oder mit einer Fahrpreisermäßigung oder sonstigen Begünstigung verbunden sind.[459]
Diesem Standpunkte entspricht auch die Bestimmung, die in dem erwähnten Berner Entwurf Aufnahme gefunden hat; darnach sind Fahrausweise, die auf den Namen einer bestimmten Person lauten oder mit einer Fahrpreisermäßigung oder sonstigen Vergünstigung verbunden sind, die nur dem Reisenden, der die ganze im Fahrausweise angegebene Strecke befährt, zukommen soll (z.B. Fahrausweise des Differentialtarifes, ermäßigte Rückfahrkarten und Fahrscheinhefte, Fahrausweise, die wahlweise über verschiedene Strecken gelten u.a.) nicht übertragbar, alle anderen Fahrausweise jedoch übertragbar, insoferne der Tarif nicht weitere Ausnahmen bestimmt.
In Belgien, Frankreich und Italien geht man zumeist davon aus, daß die F. kein Inhaberpapier ist, sondern einen Vertrag verkörpert, der als mit einer bestimmten Person geschlossen anzusehen ist.
Nach den Bestimmungen des ungarischen Personentarifs ist jede F. nur für die Person gültig, die mit derselben die Reise angetreten hat.
Bestimmt ein Tarif, daß gewisse F., in denen der Berechtigte nicht benannt wird (z.B. ermäßigte Rückfahrkarten), unübertragbar sein sollen, so darf die ganze Leistung nur an eine Person bewirkt werden. Bis zum Beginn der Reise sind jedoch auch solche F. frei übertragbar.
V. Form und Ausstattung der F.
In der ersten Zeit der Eisenbahnen standen ausschließlich Zettelfahrkarten in Verwendung, die den Postfahrscheinen nachgebildet waren. Sie haben sich noch in den für wenig befahrene Strecken bestehenden Blankokarten (s.d.) erhalten. Dem rasch steigenden Personenverkehr konnte die Zettelkarte bald nicht mehr genügen.
Zu Anfang der Vierzigerjahre des vorigen Jahrhunderts wurde auf der Eisenbahn von Manchester nach Leeds das von Edmonson (s.d.) erfundene und nach ihm benannte Fahrkartensystem eingeführt. Es sind das Kärtchen aus starkem Karton von 5560 mm Länge und 30 mm Breite, auf denen Abgangs- und Ankunftsstation, Wagenklasse und Fahrpreis aufgedruckt sind. Im innerdeutschen Verkehr ist unterhalb der Klassenangabe die Gepäckzone mit arabischer Ziffer, die Nahzone mit dem Buchstaben N bezeichnet. Sie tragen, u. zw. vielfach auf beiden Schmalseiten, eine Nummer. Die Nummern beginnen mit 00001 und enden mit 10000, u. zw. für jede einzelne Fahrkartengattung und Relation gesondert. Zur leichteren äußeren Unterscheidung der Karten dient der Aufdruck von Serienbuchstaben, Diagonal- oder Querstreifen in verschiedenen Farben. Zur Unterscheidung der Wagenklassen werden gewöhnlich verschiedene Farben (I. Klasse gelb, II. Klasse grün, III. Klasse braun, IV. Klasse grau) gewählt.
Vgl. die EVO., § 13;
das österr.-ungar. BR., § 13;
den belgischen Personen- und Gepäckstarif, Art. 2;
die französischen Tarifs généraux de grande vitesse, Art. 4;
die Transportbedingungen im Verkehre der italienischen Eisenbahnen, Art. 16;
das allg. Reglement für die Beförderung auf den Eisenbahnen in den Niederlanden, Art. 10;
das russische Eisenbahnges., Art. 17;
das Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen, § 9.
Nach dem Berner Entwurf soll aus den Fahrausweisen ersichtlich sein, daß sie für eine diesem Übereinkommen unterstehende internationale Beförderung gelten. Hierfür genügt die Anbringung des Zeichens .
Ferner soll in den Fahrausweisen angegeben sein:
»Abgangs- und Bestimmungsstation, Beförderungsweg (wenn die Benutzung verschiedener Wege oder Beförderungsmittel gestattet werden soll, ist dies ersichtlich zu machen), Zuggattung und Wagenklasse, Fahrpreis, erster Geltungstag und Geltungsdauer.«
Besondere Bestimmungen auf die Karte aufzudrucken, bietet die Vorderseite wenig Platz; ein Vordruck auf der Rückseite erschwert die Revision und wird, besonders dort, wo die Karten mehrsprachig sind, in der Nacht völlig unlesbar.
Für ausgedehnte Reisen, insbesondere durch verschiedene Ländergebiete, werden Buchfahrkarten und Fahrscheinhefte ausgegeben, deren einzelne Scheine Platz für den nötigen Vordruck bieten und die Möglichkeit der Vormerkung öfterer Fahrtunterbrechungen gewähren.
Die Edmonsonsche Karte hat die Welt erobert, sie wird in Milliarden von Exemplaren gedruckt, und ihre Vorzüge überbieten ihre Mängel so weit, daß es bisher keinem der zahlreichen Erfinder gelungen ist, ein anderes System dauernd an deren Stelle zu setzen.
Erwähnt seien von den zahlreichen aufgetauchten Systemen die der Rollfahrkarten, bei denen mehrere tausend aus schwachem Karton nach Art der Telegraphenstreifen auf Rollen aufgewickelt sind und von diesen bei der Ausgabe abgetrennt werden. Als Vorzüge dieser F. führt man an: die Ermäßigung des Anschaffungspreises, die Verbesserung und Vereinfachung der Kontrolle, Vereinfachung und Erleichterung[460] des Schalterdienstes durch die Möglichkeit der Ausgabe einer sehr großen Anzahl von Relationen (etwa 600) aus einem Schrank.
Der Erfolg ist der Edmonsonschen F. nicht ganz leicht geworden. In England hat sie sich sehr rasch eingebürgert, einige deutsche Bahnen folgten nach, in Österreich war es die Kaiser Ferdinands-Nordbahn, die zuerst zu ihr überging. Aber noch im Oktober 1849, in der zu Wien abgehaltenen Generalversammlung der VDEV., wurde der von der Direktion der bergisch-märkischen Bahn gestellte Antrag auf Einführung dieses Systems mit 26 gegen 7 Stimmen verworfen. Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist es das herrschende.
Seine Vorteile liegen darin, daß es keiner Mitwirkung des Käufers bedarf, daß der Käufer rasch überblickt, was er erhält, der Schalterbeamte, was er ausgibt. Die Form ist handlich, die Herstellung einfach und billig. Das Verrechnungsgeschäft ist durch die fortlaufende Numerierung abgekürzt, die Kassenrevision einfach. Die Fälschung ist durch die Art der Abstemplung erschwert, die Prüfung durch die Schaffner geht rasch vor sich. Der Nachteil besteht in dem mit dem steigenden Verkehr ständigen Anwachsen der Vorräte und der damit verbundenen Erschwerung der Verwaltungsgeschäfte. Letzterer sucht man jetzt durch die Selbstdruckapparate (s. Fahrkartenselbstdrucker) entgegenzutreten, auf denen aber ebenfalls Karten Edmonsonschen Systems hergestellt werden.
Auf kleineren Bahnen mit einer geringen Anzahl von Stationen werden Kartenblocks (wie bei den Straßenbahnen) verwendet, auf denen entweder die Karten gleicher Preise zusammengefaßt sind und Anfangs- und Endstation markiert wird oder die Karten auch für Relationen verschiedener Preise vereint sind und die Kontrolle durch gleichzeitige Markierung eines Kontrollblattes erfolgt.
Die Abstemplung der Kartonfahrkarten geschieht mittels Trockenstempels in Hohldruck, zuweilen zur Verminderung von Mißbräuchen unter Verwendung von Farbstoff (s. Fahrkartenfälschung). Buchfahrkarten und Fahrscheinhefte werden mit der Nadelpresse (Durchschlagstempel) und wenn eine solche nicht zur Verfügung steht, mit Handstempel gleich den Blankokarten abgestempelt. Der Stempelabdruck bezeichnet den ersten Tag der Gültigkeit durch Ausprägung des Tagesdatums mit zwei Ziffern (für die Tage von 19 unter Vorsetzung einer Null), der Monats- und der Jahreszahl oder des Tagesabschnittes der Ausgabe. Das Abstempeln vollzieht sich gewöhnlich bei Lösung der F. am Schalter oder beim Eintritt in den Bahnhof, außerdem wird vom Schaffner mittels Zange die Kontrollnummer ersichtlich gemacht, um die wiederholte Benutzung der F. unmöglich zu machen.
VI. Fahrkartengattungen.
Abgesehen von den Blankokarten sind zu unterscheiden: einfache und doppelte (Rückfahr-)Karten; nach Zugsgattungen: F. für Schnell-, Personen- und gemischte Züge, für Ausstellungs-, Sonder-, Vergnügungs-, Bäder-, Ferien- und Sonntagszüge; ferner sind zu nennen: Abonnement- (Zeit-, Jahres-, Halbjahr-, Monats-, Wochen-) Karten, Landeskarten; Karten für eine bestimmte Anzahl von Fahrten; Kilometerhefte, die amerikanischen Tausendmeilenkarten u. dgl. Es gibt tarifmäßig begünstigte Karten für Kinder, Schüler, Auswanderer, Militärpersonen, Arbeiter, Tierbegleiter, Touristen, Wähler, Wallfahrer u. dgl.; zu erwähnen sind ferner Familien- und Gesellschaftskarten, ferner Rundreisekarten und Fahrscheinhefte. Zur Abfertigung von Sonderzügen und größeren, unter gemeinsamer Führung stehenden Personentransporten dienen Abfertigungsscheine und Transportregister, den Nachzahlungen beim Übertritt Ergänzungs- und Nachzahlungskarten, sowie Nachzahlungsscheine, Ausgleichungskarten. Für besondere Zugsgattungen (Luxuszüge, Züge mit Betten oder Schlafwagen, Züge mit beschränkter Aufnahme) werden Bett-, Schlafwagenkarten, Platzkarten u.s.w. ausgegeben. Wo Bahnhofsperre besteht, dienen dem Eintritt in den Bahnhof die Bahnsteigkarten. Dazu kommen die Freikarten (s.d.), die Personal- (Regie-) Karten für die eigenen Bediensteten der Bahn und ihre Angehörigen.
Unterschieden werden auch die Karten in solche für den eigenen (Lokal-) Verkehr und in durchgehende Karten für den Übergang von Bahn zu Bahn.
VII. Bestellung und Ausgabe der F. an die Dienststellen. Verrechnung.
Jede Ausgabestelle hat von allen bei ihr auszugebenden F. einen Vorrat zu halten, der auch für den außergewöhnlichen Bedarf aus Anlaß von Festen, Märkten u. dgl. bis zum nächsten festgesetzten Fassungstermin ausreicht. Zweckmäßigerweise werden die Personenkassen einen Frequenzkalender führen, aus dem die Tage, an denen erfahrungsgemäß nach gewissen Stationen ein stärkerer Personenverkehr stattfindet, zu entnehmen sind. Ihren Vorrat erhält die Ausgabestelle bei der Errichtung und ergänzt ihn durch Anforderung bei der Fahrkartendruckerei.[461]
Bei der Anforderung ist ein Bedarf von zwei bis vier Monaten anzusprechen. Das Verlangen wird in der Regel mittels im Pauseverfahren hergestellten Bestellscheinen, Bedarfslisten gestellt.
Die in den Druckereien der Bahnanstalten oder in Privatdruckereien hergestellten Karten werden den Verkaufsstellen gegen Bestätigung in der Regel derart verpackt überwiesen, daß von jedem Paket zu 50 oder 100 Stück die oberste Karte mit der höchsten Nummer sichtbar liegt.
Beim Empfang sind die Karten zu prüfen. Verschlossene Pakete brauchen nur nach ihrer Anzahl sowie nach den Bestimmungsstationen, den Kontrollnummern, den Preisen und den Wagenklassen durchgesehen zu werden. Bei den nicht in verschlossenen Paketen ankommenden Fahrkarten ist außerdem noch die Stückzahl der Karten und ihre Reihenfolge zu prüfen. Fahrkartenpakete, die mit verletztem Verschluß ankommen oder sonst vorzeitig geöffnet wurden, sind auf die Richtigkeit des Inhaltes zu prüfen, nach Richtigbefund neu zu verpacken und unter Beisetzung einer mit Datum und Unterschrift zu versehenden Bemerkung auf dem Umschlag wieder zu verschließen. Ergeben sich bei der Prüfung eines Pakets Anstände, so ist Anzeige zu erstatten. Soweit die F. nicht sofort gebraucht werden, verbleiben sie in ihrer ursprünglichen Verpackung und sind bis zur Einlegung in den Verkaufsschrank an einem sicheren Ort oder in dem hierzu etwa gelieferten Behälter unter Verschluß aufzubewahren. Vor Einlegung in den Verkaufsschrank sind die Karten nachzuzählen. Die Karten sind in den Verkaufsschrank so zu legen, daß die niedrigste Nummer zuerst ausgegeben wird. Außer der Verkaufszeit ist der Verkaufsschrank stets unter Verschluß zu halten. Die überwiesenen F. haben für die Verkaufsstelle den Wert baren Geldes, da jede fehlende Karte als verkauft angesehen und die Verkaufsstelle hierfür mit dem tarifmäßigen Fahrgeld belastet wird.
Blankokarten sind gelegentlich der Prüfung an den hierfür bestimmten Stellen mit dem Namen der Verkaufsstation, wenn dieser nicht schon vorgedruckt ist, zu versehen.
Besondere Vorschriften bestehen für die Bestellung und Lieferung zusammenstellbarer Fahrscheine des VDEV.
Die Rechnungslegung umfaßt die Zusammenstellung und den Abschluß der Tagesrechnungen, die Monatsrechnungen u.s.w. Im Verkehr mit fremden Bahnen wird in der Regel für jede Fahrkartengattung, jede Bestimmungsbahn oder jeden Verkehr und jeden Bahnweg besondere Rechnung gelegt, während im Lokalverkehr nur die Trennung nach Fahrkartengattungen stattfindet.
Die Rechnungslegung der Stationen wird von den Kontrollbureaus der betreffenden Bahnen geprüft, die für den Anschlußverkehr mit den Abrechnungsbureaus oder mit der abrechnenden Verwaltung den Ausgleich der auf die einzelnen Bahnen entfallenden Anteile pflegen.
Die Geldabfuhr erfolgt zumeist täglich.
Von Zeit zu Zeit wird durch Organe der vorgesetzten Dienststelle eine Skontrierung der Fahrkartenrechnungsleger (Kassasturz) zwecks Überprüfung der Gebarung vorgenommen.
VIII. Ausgabe der F. an die Reisenden.
Diese erfolgt hauptsächlich an den Fahrkartenschaltern, außerdem aber auch in den Stadtbureaus der Eisenbahnen und durch private Unternehmer (in größeren Städten und nächst unbesetzten Haltestellen), zuweilen auf Dampfschiffen, die Anschluß an Eisenbahnlinien haben und in größeren Hotels. Die Lösung von F. kann in einzelnen Ländern (so in Österreich und Ungarn) gegen Zahlung eines Zuschlages auch im Zuge erfolgen.
Die Fahrkartenausgabe beginnt zu einer festgesetzten Zeit vor Abgang des Zuges; doch werden die Schalter bei starkem Verkehr früher eröffnet; in besonders großen Durchgangsstationen bleiben sie sogar ununterbrochen offen.
Der Beginn der Fahrkartenausgabe ist verschieden festgesetzt. Der Versuch einer einheitlichen Gestaltung bei den kontinentalen Eisenbahnen ergab, daß in den einzelnen Ländern verschiedene und schwer zu vereinbarende Gepflogenheiten hinsichtlich des Offenhaltens der Fahrkartenschalter bestehen. Das Bedürfnis einer einheitlichen Regelung wurde verneint.
In Deutschland, Österreich und Ungarn und der Schweiz sind die Fahrkartenschalter auf Stationen mit geringerem Verkehr eine halbe Stunde, auf (von der vorgesetzten Dienststelle zu bestimmenden) Stationen mit größerem Verkehr mindestens eine Stunde vor der Abfahrtszeit offen zu halten. Fünf Minuten vor der Abfahrtszeit erlischt der Anspruch auf Verabfolgung einer Fahrkarte.
Tatsächlich werden F. so lange verabfolgt, als die sonstigen Dienstesobliegenheiten des[462] die Karten ausgebenden Bediensteten es gestatten und die Möglichkeit der Abbeförderung des Reisenden besteht.
In Belgien, Frankreich und den Niederlanden beginnt die Ausgabe der F. auf größeren Stationen 30 (in Belgien und Frankreich auf kleineren 15) Minuten vor Abgang des Zuges, sie schließt 5 Minuten vor der Abfahrtszeit (in Belgien 2 Minuten). In Italien beginnt die Kartenausgabe auf größeren Stationen 40, auf kleineren 20 Minuten und schließt 5 Minuten vor der Abfahrtszeit.
Die Eisenbahn kann verlangen, daß das Fahrgeld abgezählt bereitgehalten wird.
Außer den gesetzlichen Zahlungsmitteln des Landes, in dem die F. ausgegeben wird, ist, wo das Bedürfnis besteht, auch das in den Nachbarländern gesetzlichen Kurs besitzende Gold- und Silbergeld anzunehmen. Den Annahmekurs hat die Eisenbahn festzusetzen und bei den Abfertigungsstellen durch Schalteraushang zu veröffentlichen.
Wechselgeld ist in ausreichendem Maße bereit zu halten und die Anforderung, das Reisegeld abgezählt zu entrichten, tunlich zu vermeiden.
Vgl. die EVO., § 14;
das österr.-ungar. BR., § 14;
den belgischen Personen- und Gepäckstarif, Art. 1;
die französischen Tarifs généraux de grande vitesse, Art. 5;
die Transportbedingungen im Verkehre der italienischen Eisenbahnen, Art. 15, 16;
das allg. Reglement für die Beförderung auf den Eisenbahnen in den Niederlanden, Art. 9;
das russische Eisenbahnges., Art. 17;
das Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen, § 10.
IX. Abnahme und Prüfung der F.
Diese dienen der Kontrolle der Fahrkartenausgabestellen, in erster Linie aber dem Zweck, Mißbräuchen der Reisenden entgegenzuwirken.
In dieser Richtung empfiehlt sich vor allem die Durchführung einer strengen Bahnhofsperre, wie solche insbesondere in Deutschland allgemein besteht, und Revision der Züge durch erfahrene Zugsrevisoren, denen die Aufgabe zufällt, einerseits das Personal in den Zügen und in den Stationen zu kontrollieren und zu schulen, andererseits dafür zu sorgen, daß Mißbräuche seitens der Reisenden (Fahrten ohne gültige F.) Benutzung höherer Wagenklassen und Zugsgattungen u.s.w. hintangehalten werden.
Die erste Revision der Fahrtausweise unter gleichzeitiger Entwertung durch Lochung erfolgt grundsätzlich in allen Stationen mit Ausnahme einzelner Seitenlinien und wenig frequentierter Stationen durch hierzu bestellte Bahnsteigschaffner. Diese sind in Zwingern und Pförtchen aufgestellt, die sich entweder bei den Aufgängen zu den Bahnsteigen oder auf den Bahnsteigen selbst in zu diesem Zweck hergestellten Einfriedungen befinden.
Die Markierzangen der Schaffner sind mit Typen zur Einprägung des Datums und, wo erforderlich, mit der Ordnungsnummer der betreffenden Schaffner versehen. Die Ausübung des Dienstes der Bahnsteigschaffner wird durch Fahrkartenkontrollore (Zugrevisoren), die auch turnusgemäß die Kontrolle bei den Zügen besorgen, ferner durch Stationsbeamte und Stationsvorstände überwacht. Durch die Durchlochung der Karten beim Eintritt wird die wiederholte Benutzung von Fahrkarten wirksam erschwert.
Nach Verlassen des Zuges in der Bestimmungsstation müssen die Reisenden die Bahnhofsperre unbedingt durchschreiten und dort die abgefahrenen F., soweit sie nicht vorher abgenommen sind, abgeben, wozu sie durch deutlich angebrachte Anschriften aufgefordert werden. Da, wo der Bahnsteigschaffnerdienst von Stationsbediensteten selbst, oder von einem Arbeiter besorgt wird, wird die Bahnsteigsperre für die aussteigenden Reisenden erst dann geöffnet, wenn der betreffende Bedienstete seine Arbeit beim Zug beendet hat. Die abgenommenen Fahrtausweise werden in hierzu bestimmte Behälter hineingeworfen, sodann durch andere Bedienstete nach Gattungen und Relationen geordnet, an die Direktion vorgelegt, wo sie durch eigene Beamte genau und zwar auch dahin geprüft werden, ob sie vorschriftsmäßig durchfocht und von den Zugsschaffnern und Kontrolloren nachgeprüft waren.
In Österreich vollzieht sich jetzt der Übergang zur Bahnhof sperre, die bisher nur auf einzelnen Linien durchgeführt war.
In Belgien bestehen Bahnhofsperre, Zugsrevision und Zugskontrolle. Die Vorschriften für die Fahrkartenrevision sind außerordentlich genau.
Bei den französischen Hauptbahnen erfolgt die Kontrolle der F. beim Eintritt in den Bahnhof und beim Verlassen desselben durch besonderes Personal, auf einzelnen Hauptbahnhöfen durch das Stationspersonal und in den Zügen durch das Zugspersonal.
In Italien erfolgt die Prüfung der F. beim Betreten und Verlassen des Bahnhofes und im Zug.
In den Niederlanden wird die Prüfung der F. vorgenommen:
a) beim Betreten der Bahnhöfe;
b) bei Benutzung von Durchgangszügen und Luxuszügen im Zug; bei Benutzung von anderen Zügen beim Einsteigen in die Wagen;
c) beim Verlassen des Bahnhofes.
Eine Fahrkartenabnahme im Zug findet nicht statt. Nur bei der holländischen Eisenbahngesellschaft[463] besteht auf einzelnen Linien noch die Übung, daß die Fahrkartenabnahme vor Ankunft auf der Bestimmungsstation durch das Zugspersonal im Zug erfolgt.
Die Revision findet sowohl durch Zugschaffner als durch Zugsrevisoren statt.
In der Schweiz geschieht die Prüfung und Abnahme der F. ausschließlich im Zug.
Auf den englischen Bahnen ist die Bahnsteigsperre nicht überall durchgeführt, wenigstens nicht im Fernverkehr. Die F. werden gewöhnlich nicht auf der Zielstation, sondern bereits auf der letzten Vorstation abgenommen, auf der der Zug hält. Da die Fernzüge bisweilen ziemlich weite Strecken ohne Aufenthalt durchlaufen, erfolgt die Abnahme oft lange vor der Ankunft. Auch bei den Vorortezügen werden die F. nicht selten auf einer Vorstation abgenommen, um bei dem riesenhaften Verkehr den Abgang der Reisenden aus dem Bahnhof zu beschleunigen. Der Aufenthalt, den die Züge zum Zweck der Abnahme der F. nehmen müssen, beträgt immerhin einige Minuten, doch wird diese Art der Abnahme der an der Bahnsteigsperre vorgezogen.
In Amerika sind die Einrichtungen verschieden. Es bestehen Bahnlinien mit Bahnhofsperre nach europäischem Muster und Bahnlinien, auf denen die Bahnhöfe völlig offen sind und die Reisenden sich ungehindert auf den Gleisen bewegen können. Allgemein ist die Revision in. den Zügen.
Wenn Reisende ohne oder mit ungültiger F. betroffen werden, gelangt ein erhöhter Fahrpreis zur Erhebung. In Deutschland, Österreich und Ungarn hat der Reisende, der keine gültige F. vorweisen kann, für die von ihm zurückgelegte Strecke, wenn aber die Zugangsstation nicht sofort unzweifelhaft nachgewiesen wird, für die ganze vom Zug zurückgelegte Strecke, das Doppelte des Fahrpreises, mindestens jedoch 6 M. (6 K) zu entrichten. Wenn die Merkmale einer strafbaren Handlung vorliegen, erfolgt auch die strafrechtliche Verfolgung.
In Belgien hat der Reisende, der ohne F. betroffen wird, den einfachen Fahrpreis und einen Zuschlag von 2 Fr. zu bezahlen.
In Frankreich hat der Reisende, der bei der Ankunft keine F. vorzeigen kann, den Fahrpreis für die von ihm benutzte Klasse von der Station ab zu entrichten, auf der zuletzt eine allgemeine Fahrkartenkontrolle im Zuge stattgefunden hat, sofern er nicht die Zugangsstation nachzuweisen vermag, in welchem Falle der Fahrpreis von dieser aus zu berechnen ist.
In Italien hat der Reisende, der ohne F. betroffen wird und hiervon das Dienstpersonal nicht verständigt hat, den Fahrpreis vom Ausgangsorte des Zuges und dazu noch einen Zuschlag im gleichen Betrage zu bezahlen. Kann er nachweisen, daß er auf einer Zwischenstation eingestiegen ist, werden Fahrpreis und Zuschlag von dieser an berechnet. Läßt sich die benutzte Wagenklasse nicht feststellen, so wird angenommen, daß der Reisende in der I. Klasse gefahren ist. Wer mit einer abgelaufenen F. oder mit einer nur für eine geringere Wagenklasse, als die benutzte, gültigen F. betroffen wird, ferner wer ohne Verständigung des Zugspersonales weiter fährt, als seine F. lautet, hat gleichfalls den doppelten Fahrpreis zu erlegen. Wer mit einer gefälschten oder veränderten F. betroffen wird, hat den Fahrpreis und einen Zuschlag im dreifachen Betrage desselben zu bezahlen, unbeschadet der in den Gesetzen oder Verordnungen angedrohten Bußen.
In den Niederlanden hat der Reisende, der ohne F. im Zuge betroffen wird, den Fahrpreis von der zunächst vorliegenden Hauptstation mit einem Zuschlag von 3 fl. für die I. und II., und von 1.50 fl. für die III. Klasse, in Rußland das doppelte Fahrgeld und in der Schweiz neben dem tarifmäßigen Fahrpreis einen Zuschlag von 50 Centimes zu bezahlen.
(Vgl. die DEVO. vom 23. Dezember 1908, § 16, das österr.-ungar. BR. vom 11. November 1909, § 16; den belgischen Personen- und Gepäcktarif vom 1. Mai 1910, Art. 7; die Tarifs généraux de grande vitesse, Ztschr. f. d.i. Eisenbtr., Jahrg. 1908, Beilage S. 64ff., Art. 6; die Transportbedingungen im Verkehre der italienischen Eisenbahnen vom 1. Juli 1885, Art. 32, 33, 34; das allg. Reglement für die Beförderung auf den Eisenbahnen in den Niederlanden vom 4. Januar 1901, Art. 15; das russische Eisenbahngesetz vom 12. Juni 1885, Art. 23, 24, 25, 26; das Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen vom 1. Januar 1894, § 15, 16.)
Literatur: Reitler, Eine vereinfachte Personenexpedition bei Eisenbahnen. Darlegung der Nachteile des Edmonsonschen Kartonbilletssystemes und Vorschlag zu einer einfacheren und größere Sicherheit bietenden Personenexpedition. Wien 1874. Picard, Traité des chemins de fer. Paris, 1887, IV. Bd. De Jonge, Die Unübertragbarkeit der Retourbillets. Freiburg, 1888, und die Retourbillets und kein Ende. Berlin, 1889. Schneeli, Die rechtliche Natur des Eisenbahnfahrscheines. Zürich, 1890. Hilscher, Das österr.-ungar. und internationale Eisenbahntransportrecht Wien, 1902. Pundt, Die Eisenbahnfahrkarte nach den Bestimmungen des geltenden deutschen Rechtes. Frankfurt a. M., 1903. Hilscher, im österr. Staatswörterbuch von Mischler und Ulbrich, Wien, 1905, Bd. I, S. 818. v. Stierlin, Fahrkarten, internationaler Eisenbahnkongreß-Verband, achte Sitzung, Bern, 1910, Frage XI. Gasca, L'esercizio delle strade ferrate. Turin 1910, Bd. II. Das deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart. Berlin 1911. Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911. S. 282. Kittel, Das Rechtsgeschäft der Personenbeförderung auf der Eisenbahn. Österr. Ztschr. f. Eisenbahnrecht. Wien 1912.
v. Frankl-Hochwart.
Buchempfehlung
Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.
286 Seiten, 12.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro