Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen

[392] Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen1 (glawnoje obschtschestwo rossüskich [392] sheljesnych dorog; Grande Société des chemins de fer russes). Am 26. Januar 1857 ist durch einen Ukas bestimmt worden, daß zum Ausbau des ersten russischen Eisenbahnnetzes geschritten werden solle und daß zunächst der »Großen Gesellschaft der russischen Eisenbahnen« die Konzession zur Erbauung der folgenden Linien zu erteilen ist:

a) von St. Petersburg bis Warschau nebst Zweigbahn von Wilno zur preußischen Grenze bis zur Verbindung mit der Bahn nach Königsberg;

b) von Moskau über Tula-Orel-Kursk – Charkow nach Feodossia;

c) von Kursk oder Orel über Witebsk und Düneburg nach Libau;

d) von Moskau nach Nishnij-Nowgorod.

Dieses Netz umfaßte 3900 Werst (= 4161 km); die Baukosten waren mit 69.000 Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen für die Werst veranschlagt; die Staatsregierung übernahm eine 5%ige Zinsbürgschaft; Konzessionsdauer 85 Jahre; nach 20 Jahren sollte die Staatsregierung das Recht haben, die Bahn nach den Durchschnittseinnahmen der 5 besten von den letzten 7 Jahren anzukaufen; ferner erhielt die Gesellschaft das Recht, innerhalb 20 Jahren, seit Beginn der Bauarbeiten, vor jedem Bewerber einer Neubaustrecke den Vorrang zu erhalten, sofern es sich um eine Parallelbahn oder um eine solche handelt, die in einen Endpunkt einer der 4 Linien einmünden soll; endlich mußte die G. die staatlich erbaute Strecke (von St. Petersburg nach Gatschino 42 Werst, Teilstrecke der Bahn St. Petersburg-Warschau) für den Betrag von 18 Mill. Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen übernehmen.

Die G. erhielt die Genehmigung zur zollfreien Einfuhr aller erforderlichen Gegenstände aus Metall und war satzungsgemäß von jeglicher Aufsicht durch die Staatsregierung befreit.

Das Anlagekapital war von einem Konsortium rassischer und ausländischer Banken aufgebracht worden, der Sitz des gesamten Unternehmens war in Paris. Zunächst waren von der G. 75 Mill. Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen in Aktien ausgegeben. Das große Kapital wurde für riesige Gehälter, zu Vorarbeiten u. dgl., nicht aber zur Förderung des Baues verausgabt. Weder die Warschauer noch die Nowgoroder Linie kamen nennenswert vorwärts. Im Jahre 1859 war das Aktienkapital soweit vergeudet, daß die G. zur Ausgabe von 35 Mill. Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen Obligationen schreiten mußte, die allerdings noch gute Aufnahme an der Börse fanden.

An der südlichen Linie nach Feodossia und an der Strecke nach Libau waren, abgesehen von Vermessungsarbeiten in mäßigem Umfange, Bauarbeiten überhaupt nicht in Angriff genommen worden. Die Staatsregierung konnte gegen die offenkundigen Mißbräuche nicht einschreiten, weil nur die Pariser Zentralverwaltung Bestimmung zu treffen hatte, dabei konnte mit Sicherheit darauf gerechnet werden, daß die G. um die Entbindung von der Bauausführung der beiden vorbezeichneten Linien bitten würde. Dies geschah auch (1860), und damit war die Möglichkeit einer grundlegenden Satzungsänderung gegeben. Nach langwierigen Verhandlungen wurde folgendes vereinbart:


a) die Strecken nach Feodossia und Libau sind nicht zu bauen;

b) die Vorarbeiten übernimmt die Staatsregierung für 6,400.000 Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen;

c) für die Fertigstellung der Warschauer und Nowgoroder Linie erhält die G. noch eine Beihilfe von 28 Mill. Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen

d) sobald die reinen Einnahmen den Betrag der Garantiezahlung übersteigen, wird der Rest zwischen der G. und dem Fiskus zur Hälfte geteilt;

e) das Pariser Direktorium wird aufgelöst. Die Direktion wird nach Petersburg verlegt. Von den 14 Mitgliedern der Direktion ernennt der Minister 4, den Rest wählt die Generalversammlung, nur müssen 5 von ihnen russische Staatsangehörige sein;

f) die Regierung erhält das Recht einer regelmäßigen Aufsicht.


Das Kapital wurde auf 112,359.625 Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen festgestellt und wurde von der Gesellschaft die Verpflichtung übernommen, die Bahnen spätestens gegen Ende 1862 für den Betrieb zu eröffnen.


1868 verkaufte2 der Staat die Nicolaibahn an die G. Damit gehörten zum Bestände der G.:

a) von ihr selbst erbaut:


b) vom Staate erworbene Bahn

3
Für den Betrieb
eröffnetWerst
die Bahn von St. Petersburg-
Warschau Dez. 18621029
die Bahn von Wilno-WirballenDez. 1862 178
die Bahn von Moskau-Nisnnij-
Nowgorod Aug. 1862 410
St. Petersburg-
Moskau
(Nicolai-B.) Nov. 1851 604
2221

Zu diesen 2221 Werst sind bis zu der 1893 erfolgten Verstaatlichung der Gesellschaft nur kurze Neubaustrecken hinzugekommen, so daß sie bei der Auflösung über 2273 Werst (= 2425 km) verfügte. Von dieser Gesamtlänge kommen 31 Werst auf die Hafen-(Putilow-)bahn (Staatsbahn), die der G. nur verpachtet worden war.

Bei der Verstaatlichung wurden die Bahnen einiger neugebildeter größerer Bahngruppen an die Linien der G. angeschlossen.

Die Aktionäre erhielten außer dem kapitalisierten Reinertrage der Warschauer und der Nishnij-Nowgoroder Bahn noch 2 Mill. Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen Jahresrente für die Nicolaibahn.[393]

Die Schlußabrechnung mit der Staatsregierung machte außerordentliche Schwierigkeiten, dann stellte sich sehr bald heraus, daß sehr erhebliche Unregelmäßigkeiten, die die Höhe von 16,235.835 Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen erreichten, vorgekommen waren. Das Endergebnis der Verhandlungen war, daß der Staat zum Ankauf der Aktien u.s.w. insgesamt 113,566.875 Große Gesellschaft der russischen Eisenbahnen zu leisten übernahm.

Über die Entwicklung des Unternehmens in den letzten 20 Jahren gebe folgende Zusammenstellung Auskunft.


Es betrug:

die Betriebslänge der


4
1873 1893
Werst Werst
Großen Gesellschaft überhaupt22212273
Nicolaibahn 604 609
St. Petersburg-Warschauer-Bahn12071207
Moskau-Nishnij-Nowgoroder-Bahn 410 426

das Baukapital der


1873 1893
in Taus.Rubel
Großen Gesellschaft überhaupt256.797361∙452
Nicolai-Bahn
St. Petersburg-Warschauer-Bahn
Moskau-Nishnij-Nowgoroder-Bahn

Im Personenverkehre

wurden befördert auf der


1873 1893
Personen Personen
Großen Gesellschaft überhaupt4,217.0756,736.178
Nicolaibahn1,565.0132,324∙554
St. Petersburg-Warschauer-Bahn1,585.1372,579.018
Moskau-Nishnij-Nowgoroder-
Bahn1,066.9251,832.606

Im Güterverkehre wurden befördert auf der


1873 1893
in TausendenPud
Großen Gesellschaft überhaupt208.566544.243
Nicolaibahn101.819238.378
St. Petersburg-Warschauer-Bahn 54.700160.321
Moskau-Nishnij-Nowgoroder-
Bahn 52.047145.544

Das Betriebsergebnis auf allen Bahnen der G. ist:


1873 1893
Rubel Rubel
Einnahmen35,061.47451,934.789
Ausgaben17,917.33926,828.889
Überschuß17,144.13525,105.900
Gesamtausgabe in % der
Gesamteinnahme 51.10 51.65

Das Betriebsergebnis auf der Nicolaibahn ist:


1873 1893
Rubel Rubel
Einnahmen19,056.35825,230.689
Ausgaben 8,306.75911,287.523
Überschuß10,749.59913,943.166
Gesamtausgabe in % der
Gesamteinnahme 43.54 44.74

Das Betriebsergebnis auf der St. Petersburg-Warschauer-Bahn ist:


1873 1893
Rubel Rubel
Einnahmen9,294.22514,667.602
Ausgaben6,799.56710,225.130
Überschuß2,494.658 4,442.472
Gesamtausgabe in % der
Gesamteinnahme 73.16 69.71

Das Betriebsergebnis auf der Moskau-Nishnij-Nowgoroder-Bahn ist:


Einnahmen6,710.89112,036.498
Ausgaben2,811.013 5,316.236
Überschuß3,849.878 6,720.262
Gesamtausgabe in % der
Gesamtausgabe 41.89 44.17

Siehe russische Eisenbahnen.

Mertens.

1

Die Bezeichnung »große«, die sich allgemein eingebürgert hat und in späteren Jahren auch meist gebraucht wurde, ist eine Übersetzung aus dem französischen »Grande Société«, während die russische Benennung der Gesellschaft in deren Satzungen »glawnoje« = »Haupt« lautet. Im Anfang wurde die Gesellschaft daher auch »Haupt-Gesellschaft u.s.w.« genannt, was jedoch auf den Widerspruch der übrigen russischen Eisenbahn-Gesellschaften stieß, so daß im Anschluß an die französische Bezeichnung der Gesellschaft diese allgemein »große Ges.u.s.w.« genannt wurde.

2

Siehe: Russische Eisenbahnen.

3

Geschichte der Nicolaibahn siehe: Nicolaibahn.

4

Einschließlich der vom Staate gepachteten Hafenbahn.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 392-394.
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392 | 393 | 394
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