Verkehrsstockungen

[113] Verkehrsstockungen (disturbance of traffic, operating difficulties; difficultés de circulation ou d'exploitation; perturbazione del servizio), Hemmungen in der regelmäßigen Abwicklung des Verkehrs infolge besonderer Ereignisse im Betrieb oder Verkehr, infolge Unzulänglichkeit der Anlagen, ungenügenden Personalstands u.s.w.


I. Ursachen der Stockungen.


1. Betriebsunfälle.


Die Folgen eines Unfalls für die betriebliche Leistung hängen nicht nur von seinem Umfange (Sperrung eines oder mehrerer [113] Gleise), sondern vor allem von der Größe des Verkehrs an der Unfallstelle ab. Während die Folgen eines Unfalls auf verkehrsarmen Strecken nach kürzerer Zeit überwunden sein können, schleppen sich ihre Wirkungen bei stark besetzter Strecke lange Zeit fort. Sehr nachteilige Folgen haben Unfälle auf wichtigen Verschiebebahnhöfen, besonders in den Spitzen der Ablaufgleise, durch die die Arbeitsmöglichkeit des Bahnhofs lahmgelegt wird. Da die Einfahrgleise häufig nur in beschränkter Zahl vorhanden sind, so ist schon bei mehrstündiger Unterbrechung des Ablaufens ein Auflaufen der Güterzüge die Folge und ein Rückstau oft auf lange Strecken hin bemerkbar.


2. Witterungseinflüsse und Naturereignisse.


a) Starker Schneefall. Auch wenn derselbe zu keinen Sperrungen führt, wirkt er außerordentlich schädlich. Die häufigste Erscheinung ist eine Störung in der Bedienung der Sicherungsanlagen, auch bei elektrischen Stellwerken. Die Weichen können nur mit Mühe vom Schnee freigehalten werden. Ihre Umstellung erfordert längere Zeit. Das Ablaufgeschäft gerät in Rückstand und die Gesamtleistung wird beeinträchtigt.

b) Ein ebenso schlimmer Feind wie der Schnee ist starker Frost. Er wirkt infolge seiner längeren Dauer häufig erschwerender als der Schnee.


Sehr unangenehm machen sich die Verspätungen bemerkbar, die der Frost, besonders wenn er mit Schnee zusammentrifft, im Gefolge hat. Das Kuppeln der Fahrzeuge, das Unterbringen der Reisenden dauert länger, das Wiederauftauen der Heizung, die Verbindungen an den Faltenbälgen beanspruchen viel Zeit. Die Lokomotiven werden leicht schadhaft, besonders da, wo die Schuppenstände nicht ausreichen. Die Schmiermaterialien und Luftpumpen frieren ein, die Ausbesserurig von Schäden wird durch die Arbeit im Freien erschwert. Häufiger Lokomotivwechsel ist die Folge. Sehr ernste Behinderungen pflegen auf den Verschiebebahnhöfen einzutreten, wenn der Frost über 6–8° steigt.

Frost und Schnee wirken auch mittelbar dadurch auf den Betrieb ein, daß der Fuhrwerkverkehr behindert wird; 2 Gespanne leisten dann nur soviel wie sonst eines. Das Entladen und Beladen der Wagen wird stark verzögert; es entstehen Wagenrückstände, die die Bahnhöfe verstopfen.

Noch viel bedeutender sind diese mittelbaren Wirkungen durch Zufrieren der Wasserläufe. Die sonst durch die Schiffahrt bewältigten Massengüter werden plötzlich der Eisenbahn zugeführt und dadurch die vielleicht durch andere Ursachen im Keim vorhandenen V. zum Ausbruch gebracht. Die in solchem Falle der Bahn zufallenden Transportleistungen sind sehr große, denn auch die Güter, die vorher nur von der Zeche bis zur Umschlagstelle die Bahn benutzten, müssen nun auf große Entfernungen befördert werden.

Die Ausschaltung der Wasserläufe kann auch bei langanhaltender Trockenheit eintreten.


c) Dichter Nebel bringt ebenfalls eine starke Herabminderung der Leistungen im Verschiebedienst hervor. Die Hemmschuhleger sehen die Wagen nicht früh genug. Sie werden unsicher in ihren Bewegungen und versäumen das Auflegen der Hemmschuhe. Die Signale werden nicht so gut gesehen wie sonst; Pfeifen- oder Hornsignale häufen sich und werden nicht verstanden.

d) Auch heftige Stürme können für den Betrieb schädlich werden, weil sie einmal die Telegraphen-, Licht- und Kraftleitungen zerstören und dadurch die Vorbedingungen für Unfälle schaffen, dann vor allem deshalb, weil sie die Leistungen der Ablaufberge durch Hemmung des Laufes der Fahrzeuge beeinträchtigen.

e) Große Behinderungen für den Betrieb und schwerwiegende V. können Hochwasserschäden, Bergstürze, Tunneleinbrüche verursachen, wenn diese Naturereignisse auf Strecken mit starkem Zugverkehr vorkommen.

f) Auch Massenerkrankungen (Epidemien) können Ursache von V. werden. Der hohe Krankenstand erzeugt dann gleichzeitig an vielen Stellen Personalmangel, besonders beim Zugpersonal.


3. Unterhaltung der baulichen Anlagen.


Durch Schadhaftwerden von Bauwerken, vor allem von Kunstbauten, wie Brücken, Viadukten, Tunnel u.s.w. infolge mangelhafter oder zu spät begonnener Ausbesserungsarbeiten können leicht V. größeren Umfangs herbeigeführt werden.


4. Mängel der Bahnanlagen.


Als besonders störend treten hervor:

a) auf den Bahnhöfen: Unzureichende Ladegleise, Schuppenanlagen, Bekohlungs- und Ausschlackanlagen, zu geringe Zahl der Einfahr-, Richtungs- und Ausfahrgleise, zu starke Belastung einzelner Gleise oder Gleiskreuzungen durch Zug-, Lokomotiv- und Verschubfahrten, Fehlen von Bahnsteigtunneln oder -brücken;

b) auf der Strecke: Geringe Zahl der Kreuzungs- und Überholungsgleise, zu große Entfernung dieser Anlagen, schließlich für Bahnhof und Strecke unzureichender Ausbau der Telegraphen- und Fernsprechanlagen.


5. Zu geringe Zahl leistungsfähiger Zugkräfte.


Die Ursachen können in ungenügender Beschaffung liegen, in dem schlechten Unterhaltungszustand infolge Versagens der Werkstätten[114] oder infolge Verwendung schlechter Betriebsstoffe (Kohle, Öl) und schlechten Speisewassers. Der Frage des Bestandes der notwendigen betriebsfähigen Lokomotiven, die die Leistungsfähigkeit des Bahnnetzes entscheidend bestimmt, muß dauernd die größte Beachtung geschenkt werden. Für die Beamten des Betriebs- und des Lokomotivdienstes ist es sonst schwer zu erkennen, ob gemeldeter Lokomotivmangel in tatsächlichem Mangel oder nur in unsachgemäßer Verwendung der Lokomotiven zu suchen ist.


6. Mängel in der Betriebsaufsicht.


a) Unvollkommene Durchbildung des Fahrplans der Personen- und Güterzüge und die hieraus entstehenden Verspätungen können zu einer vollständigen Zerrüttung des Zugverkehrs und zur Außerkraftsetzung der Diensteinteilungen für Lokomotiven und Zugpersonale führen.

b) Unzweckmäßig aufgestellte Zugbildungspläne. Sehr viele Kurswagen bei Personenzügen geben Anlaß zu Verspätungen, die sich auch auf Güterzüge übertragen. Bei Güterzügen macht die Innehaltung der Beförderungspläne für besondere Sendungen den Bahnhöfen Schwierigkeiten, die schließlich zu einer Verringerung der Gesamtleistungsfähigkeit führen.

c) Innere Schwierigkeiten auf einzelnen, besonders älteren Bahnhöfen, hervorgerufen durch sog. Eckverkehr auf zweiseitigen Verschiebebahnhöfen, durch unzweckmäßigen Lokomotivwechsel, zuweilen auch durch unvorteilhafte Ausbildung der Sicherungsanlagen.

d) Mängel im Personalwesen. Unkenntnis der Vorschriften, Lässigkeit in ihrer Befolgung, schlechte Schulung und mangelhafte Beaufsichtigung der an der Zugbildung und Abfertigung beteiligten Bediensteten führen zu Verzögerungen im gesamten Zugverkehr, weiterhin zu Störungen und zu Betriebsunfällen.

e) Mängel in der Verteilung der Dienstgeschäfte oder nicht entsprechendes Zusammenarbeiten der Dienststellen und Ämter, die den Dienst ausführen und überwachen.


7. Mängel im Verkehrsdienst.


a) Durch unzweckmäßige Verteilung des Verkehrs auf die verschiedenen Bahnwege (falsche Leitungsvorschriften) können nicht leistungsfähige Knotenpunkte überlastet werden, während andere Strecken und Bahnhöfe nicht ausgenutzt werden.

b) Zu große Ansprüche des Verkehrs an den Betrieb haben vielfach Schwierigkeiten hervorgerufen. Außer den unter 6b genannten Beförderungsplänen müssen die Verwiegungen genannt werden, die von einzelnen Versendern, besonders bei Kartoffeln, zweimal, bei Aufgabe und Ablieferung, verlangt werden.


8. Zu starker Verkehr.


Auch ohne die vorerwähnten Ursachen können V. eintreten, wenn den Bahnanlagen unerwartet ein Verkehr zugeführt wird, für den sie nicht eingerichtet sind und zu dessen Aufnahme die Verwaltungen keinerlei Vorbereitungen treffen konnten (gute Ernten von Kartoffeln, Obst u. dgl.).


II. Ermittlung der Ursachen der V.


Selten ruft eine Ursache allein V. hervor. In der Regel bringen mehrere Ursachen, besonders zur Herbst- und Winterszeit, längere Zeit anhaltende V. hervor.


Der Nutzungsgrad der gesamten Betriebsmaschine wird geringer, die Bahn kann die ihr zulaufenden Wagen nicht mehr verarbeiten; es müssen für große Knotenpunkte oder Verbrauchsstellen bestimmte Restwagen »abgestellt« werden. Es bedarf dann nur einer kräftigen Erschütterung, eines schweren Unfalls, starken Frostes od. dgl. und die V. sind unvermeidbar. Die Zahl der abgestellten Wagen und Züge stellt die Krankheit des Betriebs dar, ihre Zu- oder Abnahme ist der Gradmesser für den Stand der Krankheit und die Leistungen des Betriebs.

Die Ermittlung der eigentlichen Ursache der V. ist häufig nicht leicht, weil die Störungen am Ursprungsort vielleicht weniger hervortreten als an sonst in Mitleidenschaft gezogenen Stellen. Der für einen abgegrenzten Bezirk verantwortliche Betriebsleiter muß daher durch dauernde Beobachtung aller Betriebs- und Verkehrsvorgänge dafür sorgen, daß er die Schwierigkeiten gleich in ihrer ersten Entwicklung erfährt. Die zu dem Zweck nötige dauernde Überwachung aller Betriebsstellen geschieht durch regelmäßige Betriebsmeldungen, die täglich einmal, nach Bedarf auch zweimal von den verschiedenen Stellen erstattet werden (s. Zugleitung). Sie müssen Aufschluß geben über die Zahl der abgestellten Wagen, getrennt nach der Ursache, Lokomotivmangel oder stockender Vorflut, letzterenfalls unter Angabe der Abfuhrrichtung, über die nicht laderecht gestellten Wagen, über die Aufnahmefähigkeit der Bahnhöfe, über besonders notleidende Bahnhöfe mit Angabe des Grundes, schließlich über Lokomotiv- und Personalgestellung. Daneben sind einmal am Tage für die letzten 24 Stunden Angaben über die Leistungen der wichtigsten Verschiebebahnhöfe und der für die Betriebslage ausschlaggebenden Strecken, ferner nach Bedarf über die Zugverspätungen nötig.

Durch Prüfung der täglichen Meldungen und ergänzende Nachfragen auf Fernsprecher und örtliche Erhebungen werden die Betriebsleiter in die Lage versetzt, die Ursachen und den Sitz der Schäden zu erkennen und Abhilfsmaßnahmen zu ergreifen.


III. Mittel zur Beseitigung der V.


Bei der Verhütung oder Beseitigung der V. muß der Betriebsleiter zunächst unter Benutzung aller Mittel versuchen, die Leistungsfähigkeit[115] der Bahnanlagen soweit als irgend möglich zu steigern. Erst wenn dieses Mittel erschöpft ist, darf er Verkehrseinschränkungen durch den Verkehrsleiter veranlassen.


A. Technische Maßnahmen.


Rechtzeitiger Ausbau und vorzügliche Unterhaltung der Bahnanlagen sollten mit der Entwicklung des Verkehrs Hand in Hand gehen, sind indessen, wenn überhaupt, doch nur in den seltensten Fällen rechtzeitig durchführbar.


1. Ausgestaltung der baulichen Anlagen.


Von größter Bedeutung ist die Erweiterung der Bahnhöfe. Dringendst anzuraten ist die Aufstellung eines ausführlichen Betriebsplans. Nach Beobachtungen auf den ehemals preußischen Bahnen sind die V. stets von den Unzulänglichkeiten der Bahnhöfe ausgegangen. Trotzdem dürfen auch Verbesserungen der Strecke nicht vernachlässigt werden.

a) Auf der freien Strecke kommt die Anlage von Blockstellen und Überholungsgleisen in Frage. Letztere sollten – wenigstens auf Strecken mit starkem Verkehr – wenn irgend möglich auf jeder Seite der Hauptgleise angelegt werden. Bei eingleisigen Strecken ist auf eine genügende Zahl von Kreuzungsgleisen Bedacht zu nehmen.

b) Bei Bahnhöfen ist hauptsächlich auf ausreichende Lade- und Güterschuppengleise sowie auf rechtzeitige Erweiterung der Privatanschlußgleise Bedacht zu nehmen. Bei Personenbahnhöfen ist für eine genügende Überholungsgelegenheit für Personenzüge durch Schnellzüge vorzusorgen. Bei Verschiebebahnhöfen sind besonders wichtig: genügend viele und genügend lange Richtungsgleise, ferner ausreichende Anlagen für den Lokomotivdienst, insbesondere für das Ausschlacken, Bekohlen und Wassernehmen.

c) Überaus wichtig ist der Ausbau der Verständigungsmittel. Bei Telegraphenleitungen ist klare Scheidung der Zugmelde- von den Nachrichtenleitungen, der Bezirks- und Fernleitungen nötig; ebenso muß im Fernsprechverkehr der Fern- vom Nahverkehr getrennt werden. Um von den Störungen durch Wind, Regen und Schnee unabhängig zu sein, ist es sehr erwünscht, nach und nach mit der Verlegung der wichtigeren Leitungen in Kabel vorzugehen.


2. Beaufsichtigung und Instandhaltung der baulichen Anlagen.


Es ist nötig, nicht nur die Stellwerksanlagen, Brücken und Tunnel zu bestimmten Zeiten nach feststehendem Plane zu prüfen, sondern in diese Pläne oder Merkblätter auch die Maßnahmen aufzunehmen, die zum Schutze gegen die Wirkungen des Winters, insbesondere von Schnee und Frost, getroffen werden müssen. Diese Merkblätter haben auch Maßnahmen zu enthalten, die die Erhaltung der Dienstfähigkeit des Personals betreffen, wie Bereitstellung wärmender Getränke, rechtzeitige Verausgabung der Winterschutzkleider u.s.w. Gleiche Merkblätter sind zur Verhütung von V. durch Hitze und Trockenheit aufzustellen. (Maßregeln zur Verhütung von Gleisverwerfungen, von Waldbränden durch Funkenauswurf u.s.w.)

Bei größeren Arbeiten in oder an Gleisanlagen, bei Oberbauauswechslungen, Stellwerks- und Bahnhofumbauten sind sorgfältig, unter Mitwirkung des Betriebsleiters ausgearbeitete Arbeitspläne oder Betriebsdienstanweisungen sehr wichtig.


3. Bereitstellung der Lokomotiven.


Die Lokomotiven müssen auf die Strecken richtig verteilt werden. Ebenso wichtig, wie die Beschaffung neuer, ist die Erhaltung der Betriebsfähigkeit der vorhandenen Lokomotiven. Bei den Lokomotivstationen ist für ausreichende Schuppenstände tunlichst vorzusorgen, damit die Lokomotiven nicht im Freien zu stehen brauchen. Sonst werden sie bei größerer Kälte leicht schadhaft, außerdem können wichtige Arbeiten bei größerer Kälte im Freien nicht ausgeführt werden. Von großer Bedeutung für den Lokomotivdienst ist ein geordneter pünktlicher Zugbetrieb, damit eine geregelte einfache oder doppelte Personalbesetzung jeder Lokomotive erreicht wird.


B. Verwaltungsmaßnahmen.


1. Die Verarbeitung der von den verschiedenen Stellen eingehenden Meldungen und die Überwachung der gesamten betrieblichen Vorgänge erfordert im Anschluß an das Betriebsbüro eine besondere, bei gespannter Betriebslage Tag und Nacht besetzte Stelle, die bei den deutschen Eisenbahnen Oberzugleitung (s. Zugleitung) genannt wird.

Nötigenfalls müssen für einzelne gefährdete Bezirke Zugleitungen eingerichtet werden.

2. Der über die Bezirke der Eisenbahndirektionen hinausgehende, durchgehende Zugverkehr verlangt eine scharfe Zusammenfassung in der Zentralstelle, die als oberste Betriebsleitung dafür sorgen muß, daß alle Direktionen einheitlich zusammenarbeiten. Außerdem können bei großen Eisenbahnnetzen, für gewisse Verkehrsgebiete noch Generalbetriebsleitungen notwendig werden. In betriebsschwierigen Zeiten ergibt sich die Notwendigkeit zu häufigen mündlichen Verhandlungen zwischen den Direktionen, so daß eine ständige[116] Geschäftsführung mit gewissen sonst der Zentralstelle zufallenden Befugnissen vorteilhaft ist. Auf den deutschen Reichsbahnen sind hierfür drei Generalbetriebsleitungen vorgesehen, u. zw. in Essen für das rheinisch-westfälische Industriegebiet und seine Abfuhrstrecken, in Würzburg für die süddeutschen Eisenbahnen und die Direktionsbezirke Erfurt, Frankfurt, Mainz, Trier und in Berlin für die östlich der Elbe gelegenen ehemals preußischen Direktionen Sachsen und Mecklenburg.

3. Zur Erzielung höchster Betriebsleistungen und Verhütung von V. gehört die Besetzung aller in Frage kommenden Stellen mit gutem und ausreichendem Personal. Der persönliche Einfluß der Mitglieder der Eisenbahndirektion, der Vorstände der Betriebs-, Maschinen- und Verkehrsämter, der Vorsteher der Personen- und Verschiebebahnhöfe, der Betriebswerkstätten, der Bahnmeistereien und Güterabfertigungen ist von wesentlicher Bedeutung. Zur guten Schulung des gesamten Betriebspersonals ist regelrechter Fortbildungsunterricht für die Sicherheit und Leistungen im Zugförderungsdienst nicht zu entbehren.

4. Betriebliche Höchstleistungen können nur erzielt werden, wenn Reibungen möglichst vermieden werden. Hierzu ist richtige Abgrenzung der Befugnisse zwischen den Dienststellen (Bahnhof, Betriebswerkstatt, Güterabfertigung, Bahnmeisterei), ferner zwischen den Dienststellen und Ämtern (Inspektionen), den Ämtern untereinander und zwischen letzteren und der Direktion überaus wichtig. Die Befugnisse größerer Dienststellen und Ämter müssen ausreichend bemessen sein, damit von den Stellen, die den Dienst ausführen, nicht dauernd berichtet werden muß, sondern selbständig gehandelt werden kann (z.B. wenn es sich um Einstellung von Verschiebern, Vermehrung der Verschublokomotiven u.s.w. handelt). Schärfstes Eingreifen ist sofort nötig, wenn bemerkt wird, daß es an gutem Zusammenarbeiten der genannten Stellen fehlt. Die Dienststellen müssen mit gutem Büropersonal versorgt werden, damit die Vorsteher nicht den ganzen Tag im Zimmer sitzen, sondern draußen im Betrieb ihre Leute beaufsichtigen.


C. Betriebsmaßnahmen.


1. Die erste Grundlage für den Fahrdienst bildet der Personenzugfahrplan. Er muß in jeder Beziehung durchführbar sein. Dazu gehören richtige Fahrzeiten, ausreichende Aufenthalte, gute Zeitlage der Züge auf den Bahnhöfen, genügende Spannung zwischen Grund- und Höchstgeschwindigkeit, damit der ganze Fahrplan nicht durch ein paar Langsamfahrsignale, mit denen auf längeren Strecken stets zu rechnen ist, über den Haufen geworfen wird.


Für den Güterzugfahrplan gelten die gleichen Grundsätze. Die Festsetzung angemessener Aufenthalte ist hier mit Schwierigkeiten verbunden, da der Verkehr stark schwankt. Bei Nahgüterzügen, deren Aufenthalte im Herbste bedeutend zunehmen, wird man für gewisse Strecken einen Bedarfsfahrplan mit verlängerten Aufenthalten herausgeben müssen. Betriebsaufenthalte dürfen nie zu Verkehrsaufenthalten werden. Nur das Einsetzen von Wagen muß gestattet werden, falls dadurch keine Aufenthaltsüberschreitung eintritt. Bedarfshalte auf stark besetzten Strecken müssen eine Ausnahme sein. Neben einem richtigen Fahrplan ist eine gute Regelung der Bespannung von größter Wichtigkeit. Hier kommt es in erster Linie auf richtige Bemessung der Wendezeiten an, damit die Diensteinteilungen für Lokomotiven und Personale bei kleineren Verspätungen eingehalten werden können.


2. Die Zusammenstellung der Züge erfordert dauernd die größte Aufmerksamkeit. Bei Personenzügen ist auf möglichste Einfachheit im Zugbildungsplan zu halten. Kurswagen, die auf Anschlußstationen mit meist geringem Aufenthalt ab- oder angesetzt werden, sind möglichst zu vermeiden (s. durchgehende Wagen).

Bei der Bildung der Güterzüge muß ebenfalls an der Einfachheit der Zugbildung als oberstem Grundsatz festgehalten werden. Die Bildung der Fernzüge ist zu fördern.

3. Ordnung und Pünktlichkeit muß im Zugverkehr aufrechterhalten werden. Richtige Vormeldung der Zugverspätungen, sorgfältige Verfolgung der Fahrberichte, häufige Begleitung der Züge durch Kontrolle, dauernde Beaufsichtigung der Zugabfertigung auf den Bahnhöfen durch den Vorsteher muß gefordert werden.

4. Die inneren Schwierigkeiten, die auf einzelnen Bahnhöfen den Betrieb behindern und zu V. führen, werden meist auch zu beseitigen sein, da diese Schwierigkeiten häufig in der unzulänglichen baulichen Ausgestaltung des Bahnhofs liegen.

5. Der gebräuchlichste Fall der betrieblichen Hilfe für einen notleidenden Bahnhof besteht darin, daß man hierfür geeignete Züge auf Vorstationen abstellt oder daß man die auf dem Bahnhof stehenden oder ihm zulaufenden Wagen ohne Rücksicht auf Umwege und Rückläufe nach vorwärts oder seitwärts gelegenen Bahnhöfen vorschiebt und dort abstellt.

6. Ein weiteres Mittel zur Beseitigung oder Verringerung von V. besteht in der Änderung der Regelung des Dienstverkehrs und des Leerwagenlaufs. So kommt für die Entlastung von Strecken in Frage die Verlegung von Probefahrten für Lokomotiven und Wagen auf andere Strecken, ferner der vorübergehende Ausfall von Arbeitszügen. Größte[117] Sorgfalt ist auf die Verteilung der leeren Wagen, besonders derer, die aufweite Entfernung laufen, anzuwenden.

7. Durch zweckmäßige Handhabung der Sonntagsruhe können die gegen Wochenende zunehmenden Reste in der Verarbeitung der Wagen verringert oder beseitigt werden. Die mit den V. verbundenen Zugverspätungen hat man dadurch zu beseitigen versucht, daß man dem Drängen der Bediensteten um Gewährung der üblichen Sonntagsruhe in der Hoffnung nachgab, es könne dadurch die pünktliche Aufnahme und Durchführung des Zugverkehrs am Montag erreicht werden. Die Versuche sind fehlgeschlagen.

8. Falls die bisher behandelten Mittel zur Flottmachung des Betriebs auf einem Bahnhof oder einer Strecke nicht ausreichen, müssen einzelne Züge über andere Strecken umgeleitet werden. Wenn irgend möglich, muß hierbei auch für die Umleitung von Gegenzügen gesorgt werden, damit die Lokomotiven und Zugpersonale wirtschaftlich ausgenutzt werden.

9. Wenn auch Umleitungen nicht zum Ziele führen oder wenn plötzliche Behinderungen eintreten, wie bei Unfällen, so müssen RückhaltsperrenBetriebssperren – ausgesprochen werden. Sobald sich übersehen läßt, daß auch die Rückhaltsperre nicht ausreicht, muß sie schleunigst durch eine Annahmesperre ergänzt werden (s. unter D. 4).


D. Verkehrsmaßnahmen.


Alle vorher behandelten Maßnahmen können unwirksam bleiben, wenn sie nicht durch Verkehrsmaßnahmen unterstützt werden. In gewissen Fällen kann überhaupt nur durch Einstellung des hindernden Verkehrs Abhilfe geschaffen werden.

1. Zur Erzielung einer schnelleren Räumung der Ladegleise und damit der Betriebsgleise ist ein unausgesetzter Druck auf die Empfänger zu besserer Entladung nötig (Verkürzung der Ladefristen und starke Erhöhung der Wagenstandgelder).

2. Zur Entlastung gefährdeter Strecken oder Bahnhöfe kann ferner eine Änderung der Leitungsvorschriften nötig werden. Man wird dieses Mittel aber nur anwenden, wenn der in Betracht kommende Verkehr für längere Zeit von der gefährdeten Stelle ferngehalten werden muß. Bei kürzerer Dauer kann man sich mit der Umleitung einzelner Züge helfen.

Die Leitungsvorschriften müssen so dargestellt sein, daß sie leicht und zuverlässig auf Frachtbrief und Beklebezettel, nach denen die Verschieber arbeiten, übertragen werden können. Es ist von Wichtigkeit, daß die Beklebezettel einheitlich gestaltet sind, damit die Angaben für den Verschiebedienst immer an derselben Stelle erscheinen.

3. Eine große Erleichterung kann durch eine für den Betrieb günstige Regelung der Transporte erreicht werden

Zu diesem Zwecke ist entsprechende Einwirkung der Eisenbahn auf die Versender bei gewissen Gütern (Steinkohle, Braunkohle, Kali u.s.w.) geboten. Von dieser Möglichkeit muß zur Beseitigung von Schwierigkeiten Gebrauch gemacht werden. Hier kommt sowohl eine Verweisung auf den Wasserweg als auch eine vorzugsweise Versendung von Massengütern über den jeweilig leistungsfähigen Bahnweg in Frage.

4. Wenn solche Maßnahmen auch mehr oder weniger empfindliche Behinderungen der Verkehrtreibenden darstellen, so unterbinden sie die Beförderung doch nicht vollständig, wie es bei den sonst notwendig werdenden AnnahmesperrenVerkehrssperren – der Fall sein würde. Diese sind das letzte Mittel, das nur angewendet werden soll, wenn alle anderen Mittel versagen. Der Betriebsleiter wird also zu prüfen haben, wie viele Züge oder Wagen von einem Bahnhof oder einer Strecke ferngehalten werden müssen, um den Betrieb gesunden zu lassen, und darnach entscheiden, durch Sperrung welcher Verkehrsbeziehungen oder Verkehrsarten dieser Erfolg sichergestellt werden kann.

5. Ein Mittel zur Herabminderung zu starken Verkehrs liegt in der Einschränkung der Wagengestellung, durch Einführung einer Art Teildeckung. Wenn z.B. im Herbst eine Überfüllung eines Ortes oder eines Übergangs durch Wagenladungen eintritt, die hauptsächlich aus bestimmten Bezirken kommen, und es ergibt sich, daß doppelt soviele Wagen eingehen als verarbeitet werden, so kann Abhilfe geschaffen werden, wenn man in den betreffenden Bezirken nur halb soviel Wagen als im Durchschnitt in den letzten Tagen stellen läßt.

Literatur: Dr. Ing. Wienecke, Gedanken über Betriebsleitung und Erfahrungen. Ztg. d. VDEV. 1914, S. 89. – Bogyós, Über Verkehrsstockungen. Ztg. d. VDEV. 1918, S. 629. – Heinrich, Über Betriebsschwierigkeiten. Arch. f. Ebw. 1919, S. 163–211; Anleitung zur Bearbeitung von Betriebsdienstanweisungen. Zentralbl. d. Bauverw. 1914, S. 65; Betriebspläne für größere Bahnhofsentwürfe, Zentralbl. d. Bauverw. 1919, S. 330; Merkblatt zur Verhütung von Betriebsschwierigkeiten. Eisenbahn-Nachrichtenblatt, Berlin 1918, S. 57; Merkblatt zur Verhütung von Betriebsschwierigkeiten durch Frost und Schnee. Ebenda 1919, S. 99; Meldeverfahren über die Betriebslage. Eisenbahn-Nachrichtenblatt 1918, S. 37. – Ludwig Röhbe, Zusammenbruch der deutschen Eisenbahnen? Berlin 1920. – Kurt Heineck, Die europäischen Eisenbahnen und der Krieg. Arch. f. Ebw. 1921, S. 493. – Sigle, Vorschläge zur Verhütung von V. Ztg. d. VDEV. 1921, S. 533.

Heinrich.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 113-119.
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