[34] Agrippa (Heinrich Cornelius) von Nettesheim, einer der denkendsten und genialsten Abenteurer unter den Gelehrten des 16. Jahrh., der wegen seiner Vorliebe zu den sogenannten geheimen Wissenschaften den Namen eines Schwarzkünstlers erhielt, ward zu Köln am Rhein 1486 geboren.
Mit gleichem Eifer und Erfolge studirte er die Rechte, Theologie, Medicin und Philosophie. Geneigt zu Irrfahrten und fortwährend seiner Lehren wegen verfolgt, durchwanderte er namentlich das südl. Europa. Er trat 1509 zu Doles in Bourgogne als Lehrer der Theologie auf, hielt 1510 philosophische Vorträge in seiner Vaterstadt, nahm 1512 Dienste in Kaiser Maximilian I. Heere und ward hier zum Ritter geschlagen, ging 1515 nach Pavia, wo er als Doctor der Rechte und der Medicin promovirte und seine geheimen Lehren vortrug und wurde hierauf Syndikus in Metz; wendete [34] sich aber 1519 nach Freiburg in der Schweiz und dann nach Lyon, wo er als praktischer Arzt so großes Aufsehen erregte, daß ihn die Mutter König Franz I. von Frankreich zu ihrem Leibarzt ernannte. Seines Amtes wurde er verlustig, als er sich weigerte, den Ausgang des Feldzuges, den ihr Sohn 1525 nach Italien unternahm, vorher zu verkünden; er ging nun nach den Niederlanden als Archivar und Historiograph der Regentin Margarethe, doch hier sehr bald als Ketzer aufs Heftigste verfolgt, ließ ihn Karl V. in Brüssel gefangen setzen. Nachdem er seine Freiheit wieder erlangt, unterstützte er Luther im Kampfe gegen die Mönche, lebte abwechselnd in Köln, Bonn und Lyon, ward auf Befehl König Franz I. abermals als Ketzer eingekerkert und endete sein unstätes Leben zu Grenoble 1535. Er war einer der Ersten, welche den Glauben an Hexerei bekämpften und die Hexenprocesse als widersinnig darstellten. Unter seinen Schriften ist die merkwürdigste die lateinisch abgefaßte »Über die Ungewißheit der Wissenschaften«, in der er, wie er selbst sagt, sich vorgenommen hatte, wie ein Hund zu beißen, wie eine Schlange zu stechen und wie ein Drache zu verletzen. Sie enthält einen heftigen Angriff auf die damalige Schulweisheit, auf das sittenlose Leben der Mönche und Geistlichen, sowie auf die Verderbtheit des Lebens an den Höfen.