Cortes

[478] Cortes hießen in den jetzt mit dem Königreiche Spanien vereinigten Ländern und in Portugal die zum Reichstage versammelten Stände, welche, den deutschen Landständen gleich, die Gewalt der Regenten beschränkten und deren Ursprung bis in die Zeit der Einwanderung der Gothen in die pyrenäische Halbinsel zurückgeführt wird. Seit der Vereinigung der span. Monarchie behaupteten die aus dem vornehmen Adel, der hohen Geistlichkeit, den Rittern von St.-Jakob, von Calatrava, Alcantara und den Repräsentanten gewisser Städte zusammengesetzten Cortes von Castilien die meiste Wichtigkeit und die Regenten waren durch diese Versammlung sehr gebunden, die sogar ohne deren Zustimmung Krieg erklären konnte. Der Bürgerstand erhielt in Castilien erst seit dem 14. Jahrh. Sitz und Stimme auf dem Reichstage, in Aragonien jedoch viel früher, wo Streitigkeiten zwischen Unterthanen und Regierung an die Cortes gebracht werden konnten, die dann zur Entscheidung derselben einen besondern Ausschuß, el Justicia genannt, niedersetzten; auch war zur Gültigkeit jedes Gesetzes die Zustimmung der Cortes erfoderlich. Seit dem Ende des 15. Jahrh. erweiterten zuerst Isabella von Castilien und Ferdinand der Katholische von Aragonien die Macht der Krone auf Kosten des Einflusses der Stände, und als 1538 die nach Toledo berufenen Cortes von Castilien die Bewilligung einer außerordentlichen [478] Auflage verweigerten, hob Karl V. sogleich die ganze Versammlung auf, die aragonischen behielten jedoch bis ins 17. Jahrh. ansehnliche Gerechtsame. Nach dem span. Erbfolgekriege wurden die Cortes nur zur Huldigung des Königs oder des Prinzen von Asturien versammelt, als jedoch Napoleon Spanien unter seine Gewalt zu bringen suchte, berief er am 15. Jun. 1808 eine Cortesversammlung nach Bayonne, die in ihrer letzten Sitzung am 7. Jun. 1812 eine neue Constitution für Spanien annahm, nach welcher die Cortes in Zukunft aus 25 Erzbischöfen, 25 Adeligen und 122 Abgeordneten des Volkes bestehen sollten. Sie trat jedoch so wenig in Wirksamkeit, wie die Wiederherstellung der Cortes in ihrer frühern Gestalt, durch welches Anerbieten Napoleon später den Adel und durch diesen das Volk zu gewinnen suchte. Doch auch die von Ferdinand VII. (s.d.) vor seiner Abreise nach Frankreich eingesetzte Regentschat hatte kraft der erhaltenen Vollmacht eine außerordentliche Cortesversammlung berufen, von welcher die, die Regierungsgewalt höchst beschränkende Constitution vom 19. März 1812 ausging und die erst 1813 ihre Sitzungen schloß, worauf die von der Constitution bestellten ordentlichen Cortes zusammentraten, allein mit der erstern von dem zurückgekehrten Könige Ferdinand VII. alsbald wieder aufgehoben wurden. (S. Spanien.) Die den span. ähnlichen Cortes von Portugal begannen ihre Wirksamkeit mit dem Reichstage von Lamego 1143, der die Verfassung des Reichs ordnete, und waren 1897 zum letzten Male versammelt, sind aber in neuester Zeit ebenfalls wieder ins Leben getreten. (S. Portugal.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 478-479.
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