Geheimschrift

Geheimschrift
Geheimschrift
Geheimschrift
Geheimschrift

[161] Geheimschrift (griech. Kryptographie) heißt jede Schrift, welche so eingerichtet ist, daß sie nur der Absender und der Empfänger zu lesen vermögen.

Hierbei ist immer vorausgesetzt, daß der Empfänger das Mittel kennt, durch welches die Geheimschrift lesbar wird. Dieses Mittel heißt der Schlüssel, und nicht nur die Person wird, streng genommen, eine Geheimschrift, welcher Art sie auch sein mag, zu enträthseln vermögen, an welche dieselbe gerichtet ist, sondern überhaupt jede, die den Schlüssel kennt. Bei einigen Arten der Geheimschrift ist der Schlüssel so bekannt, daß ihn Jeder besitzt, der im Besitz gewisser Kenntnisse ist. So z.B. sind mit sympathetischer Tinte geschriebene Briefe Allen lesbar, welche diejenigen Mittel kennen, durch welche die unsichtbare Schrift sichtbar gemacht werden kann, und diese Mittel sind in vielen Büchern angegeben. (S. Tinte.) Aus dem Alterthume wird ein Beispiel von einer Geheimschrift erzählt, welche mehr den Namen einer geheimen, verborgenen Schrift verdient. Es wurde nämlich einem Sklaven das Haupthaar abgeschnitten, ihm mit unverlöschlichen Zügen auf die Haut geschrieben und sodann der Sklave, der selbst nicht wußte, was mit ihm vorgegangen, nachdem ihm das Haar wieder gewachsen, an den Ort seiner Bestimmung geschickt, mit dem Befehl, er solle sich dort von einer bestimmten Person das Haar abscheeren lassen. Das Abscheeren der Haare war der Schlüssel zu dieser Schrift. Später hat man eine Geheimschrift so herzustellen gesucht, daß man sich als Schlüssel eines eigenthümlich ausgeschnittenen Blatts Papier bediente, welches, auf einen völlig bedeutungslos klingenden Brief gelegt, nur die bedeutungsvollen Worte hervortreten ließ. Auch hat man sich mit dem Correspondenten über ein gedrucktes Buch vereinigt und dann die Worte aus demselben bezeichnet (z.B. durch Zahlen). Die bequemste und sicherste Geheimschrift, welche unendlich viele Veränderungen erlaubt, ist die sogenannte Chiffre quarré (Quadratschrift) oder Chiffre indéchiffrable (unentzifferbare Schrift). Man bedient sich bei derselben nachstehender Tafel, deren Einrichtung leicht zu übersehen ist.

[161] Die Art, wie man sich dieser Tafel bedient, ist folgende. Man kommt mit dem Correspondenten über ein Wort oder einen Satz überein, welcher der Schlüssel ist. Dieser Schlüssel kann leicht im Gedächtniß behalten werden, ohne jemals geschrieben zu sein, er kann selbst ein willkürlich gebildetes Wort sein und so oft man will, nach einer verabredeten Regel gewechselt werden. Nehmen wir an, der Schlüssel sei »Laut«. Wollten wir nun den Satz schreiben: »Fliehe, Alles ist entdeckt«, so suchen wir erst den ersten Buchstaben des Schlüssels, also I, in der obersten Buchstabenreihe, dann den ersten Buchstaben des zu schreibenden Satzes in der ersten Verticalreihe, f, und schreiben denjenigen Buchstaben, wo die von jenem l vertical herabgehende und die von diesem f aus horizontal gehende Reihe sich treffen, nämlich r. Hierauf verfährt man ebenso mit dem zweiten Buchstaben a des Schlüssels und dem zweiten Buchstaben des Satzes l, wobei man m erhält. So geht es fort, indem man mit dem Schlüssel immer von vorn anfängt, nachdem man sich der einzelnen Buchstaben desselben bedient hat, d.h. man sucht die aus je zwei der hier übereinander stehenden Buchstaben sich ergebenden Buchstaben auf:

Unser Satz würde folgende Gestalt erhalten: rmdtfvewfn cdu zgeezwu. Offenbar wird die Entzifferung um so schwieriger, je länger der Schlüssel ist. – Eine wol nur als Spielerei gebrauchte Geheimschrift ist die, daß man die Buchstaben in eine Figur (den Schlüssel), wie folgt, schreibt und nun die einzelnen Buchstaben nach den sie umgebenden Linien der Figur und der nur durch Punkte angedeuteten Stelle bezeichnet. Man kann in dem Schlüssel jede beliebige Reihenfolge der Buchstaben anwenden. Nach unserm Schlüssel nähme der obige Satz folgende Gestalt an:

Man kann die Geheimschriften dadurch noch unleserlicher machen, daß man die einzelnen Worte nicht trennt und die Lesezeichen wegläßt, auch gleichgültige Zeichen untermischt. Eine öffentlich gebrauchte und dennoch nicht zu enträthselnde Schrift ist die der Telegraphen (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 161-162.
Lizenz:
Faksimiles:
161 | 162
Kategorien: