Kabbala

[523] Kabbala, d.h. die Überlieferung, war ursprünglich der gemeinsame Name für die ganze mündlich fortgepflanzte Erklärung des jüd. Gesetzes seit dem Exil. Noch vor dem Eintritte der christlichen Zeit schied sich ihr Inhalt in eine öffentliche und Geheimlehre. Erstere machte die Auslegung des Gesetzes zu einem Mittel der Lebensweisheit und wurde schriftlich in den zwei Talmuden (s.d.) abgefaßt. Letztere suchte in dem angeblich auf unmittelbare Offenbarung (Mystik) gegründeten Gesetze eine höhere Natur- und Religionsweisheit zu erforschen und bediente sich hierbei der allegorischen Kunst, die den wörtlichen Sinn in einen geheimen tiefern Sinn umzudeuten lehrte. Sowol das Schwierige der Auslegung, als das Überschwengliche ihrer Geheimnisse machten, daß diese Art der Überlieferung nur von wenig Geweihten gefaßt und eben deshalb auch nur unter Geweihten fortgepflanzt werden konnte; und da sich ihr Inhalt, auch nachdem sie schriftlich abgefaßt worden war, nicht vollendete, so erhielt sie vorzugsweise vor dem Talmud den Namen Kabbala. Der Inhalt ihrer geheimnißvollen Lehren ist zum großen Theil chaldäische und persische Religionsweisheit, unterscheidet sich aber durch ihren mystischen Charakter; daher die sonderbaren Lehren von den Eigenschaften Gottes, von den vier kabbalistischen Welten, von den 32 Fußtapfen der Weisheit, von den 50 Eingängen der Klugheit u.s.w. Die Kabbala will ihrem Anhänger nicht nur das Interesse der Wissenschaft gewähren, sondern für ihn auch von praktischer Wichtigkeit sein, da sie ihn in den Stand setzt, Geister zu berufen, Krankheiten zu vertreiben und andere Wunder zu verrichten. Nach dem Vorgeben der Kabbalisten empfing Adam die Geheimlehre in einem Buche vom Himmel. Nachdem sie mehrmals verloren gegangen war, wurde sie aufs Neue von Abraham, Moses, Esra und zuletzt von Simeon, dem Sohne des Jochai, aufgezeichnet. Ihr Einfluß auf die Wissenschaft erstreckt sich bis auf die neueste Zeit, obgleich die Bildung der Zeit über den in der Kabbala herrschenden Aberglauben erhebt.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 523.
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