Schöpfung

[104] Schöpfung (die) ist das Werk der unendlichen Macht und Weisheit Gottes, der Inbegriff alles Erschaffenen, des Leblosen und Lebendigen, des Körperlichen und Geistigen, die Welt und ihre Entstehung. Die wunderbaren Sagen über den Ursprung der Welt (Kosmogenien), welche fast jedes Volk aufzuweisen hat, sind Versuche, welche die Menschheit noch in der Wiege der Kindheit zur Lösung dieses großen Räthsels gemacht hat. Nach den Sagen der Indier entstand die Schöpfung aus dem Weltei, das Brama durch seinen allmächtigen Willen zersprengte und dessen obere Hälfte den Himmel, die untere die Erde bildete, das Innere aber, das Flüssige, ward zu Luft und Meer; dann schuf er alles Geistige nebst den Elementen der Materie; die Menschen gingen unmittelbar durch ihn und seinen Sohn Manu hervor. Noch ungestalter sind die Sagen über die Schöpfung bei andern Völkern, den Chinesen, Ägyptiern, Persern, Griechen und den Völkern germanischer Abkunft. Dagegen ist die Schöpfungsgeschichte der Mosaischen Urkunde ebenso einfach und erhaben, als sie von einem tiefen Blick in den Zusammenhang und die Ordnung der Naturgesetze zeugt. Bevor Himmel und Erde gebildet wurden, gab es einen wüsten, ungeregelten Körper (Chaos), den ein dunkles Meer umflutete, und ein lebendiger Geist bewegte sich auf den Gewässern. Die Schöpfung der Dinge begann der göttliche Geist mit dem Licht, das von der Finsterniß geschieden ward; nun bildet sich das Lustgewölbe, die Wasser sammeln sich zum Meere, das trockene Land erscheint. Hierauf bringt die Erde Gräser und Bäume, vierfüßige Thiere und das Gewürm hervor; das Wasser die Fische und die Vögel, die sich in die Luft erheben. Alsdann entstehen Sonne, Mond und Sterne, nicht als wirkende Ursachen im Reiche der Schöpfung, sondern als Zeichen der Zeiten, um Tag und Nacht mit ihrem Lichte zu erleuchten und zu beherrschen. Erst nachdem Alles geordnet und mit Geschöpfen erfüllt ist, schafft Gott sich zum Ebenbild den Menschen; anfangs den Mann (Adam), seinen Körper aus Erde, dem er einen göttlichen Geist, einen Theil seines Wesens, einhaucht, das Weib (Eva) aber, indem er eine Rippe aus dem Körper des schlafenden Mannes nimmt und sie zu einem neuen Wesen bildet. Das ganze Werk der Schöpfung wird von Gott nach einer Vertheilung der einzelnen Werke in sechs Tagen, den Schöpfungstagen, vollendet, worauf Gott am siebenten Tage ruhet und ihn zum Sabbath oder Ruhetag für den Menschen heiligt.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 104.
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