Witt

[743] Witt (Johann de), Großpensionnair von Holland 1653–73, war der 1625 geborene Sohn des Bürgermeisters von Dordrecht, Jakob de W., von welchem er in den Grundsätzen eines Republikaners und der Abneigung gegen das nach vermehrter Obergewalt in den Niederlanden trachtende Haus Oranien erzogen wurde. Er befand sich 1652 bei den Abgeordneten, welche die Staaten von Holland nach Seeland schickten, um diese Provinz davon zurückzubringen, den zweijährigen Prinzen Wilhelm III. zum Generalcapitain zu ernennen, und seine Beredtsamkeit erreichte nicht blos diesen Zweck, sondern bewirkte auch, daß im Frieden überhaupt kein Generalcapitain mehr gewählt werden sollte. Den darauf mit England, damals Republik, ausgebrochenen Krieg, welcher der oran. Partei für ihre Absichten ebenso vortheilhafte Aussichten eröffnete, als die Beeinträchtigung des niederländ. Handels ihre Gegner beim Volke unbeliebt machte, beendigte er 1654 durch den Frieden, welcher in einem geheimen Artikel die Ausschließung des Hauses Oranien von allen Staatsämtern bestimmte. Indessen war es bei dem unruhigen Zustande im Innern der Niederlande der siegreichen republikanischen Partei schwer, ihr errungenes Übergewicht zu behaupten, und da sich W. nach der Thronbesteigung Karl II. in England (1660) mehr zu Frankreich hinneigte, der 1665 mit England wieder ausgebrochene Krieg den Niederlanden neue Drangsale bereitete, mußten der oran. Partei wichtige Zugeständnisse gemacht werden, um die Ruhe im Innern zu erhalten. Nachdem der Friede mit England 1667 hergestellt war und W. zum mindesten durchgesetzt hatte, daß die Würden eines Generalstatthalters und Generalcapitains getrennt bleiben und dem Prinzen in Holland die erstere nie zu Theil werden sollte, mußte er zur Verhinderung der eroberungslustigen Absichten Ludwig XIV. auf die span. Niederlande, ein Bündniß mit England und Schweden eingehen, welches sich nach dem Frieden von Aachen (1668) wieder auflöste. Jetzt versäumte W., gegen die wahrscheinliche Rache Frankreichs wegen der vereitelten Pläne geeignete Maßregeln zu treffen, und als Ludwig XIV. die Republik 1672 mit England, Köln und Münster verbündet angriff, überraschte er sie in fast wehrlosem Zustande. Jetzt ward es der oran. Partei leicht, die Ernennung Wilhelm III. zum Oberfeldherrn durchzusetzen, und da die Parteiwuth den ungünstigen Fortgang des Kriegs der angeblichen Verrätherei W.'s zuschrieb, legte dieser selbst von Meuchelmord bedrohte Staatsmann sein Amt als Großpensionnair nieder. Der Parteihaß war aber dadurch nicht beschwichtigt, und als er bald nachher seinen Bruder Cornelius de W., Bürgermeister von Dordrecht, welcher auf die grundlose Beschuldigung eines Mordanschlags wider den Prinzen Wilhelm III. eingekerkert, gefoltert und zur Landesverweisung verurtheilt worden war, im Kerker zu Haag besuchte, wurden am 20. Aug. 1672 Beide in einem durch die Oranier erregten Volksaufstande, bei dem das Gefängniß erstürmt ward, vom wüthenden Haufen ermordet und die Bestrafung der Mörder war selbst durch die Foderung der Generalstaaten vom Statthalter nicht zu erlangen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 743.
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