Humboldt [1]

[365] Humboldt, Friedr. Heinrich Alex., Freiherr von. preuß. Staatsrath, der größte der neuern Naturforscher, geb. 1769 in Berlin, studierte zu Frankfurt a. d. O. u. in Göttingen, wurde besonders an letzterem Orte durch Blumenbach, Lichtenberg und Link in das Studium der Naturwissenschaften eingeführt, besuchte dann die Bergakademie in Freiberg, wurde 1792 Oberbergmeister in Bayreuth, gab aber diese Stelle 1797 auf, um sich ganz den Naturwissenschaften zu widmen. Nach mehren wissenschaftlichen Reisen und nachdem er durch ausgezeichnete Arbeiten bereits einen bedeutenden Ruf erlangt, ging er nach Paris, in der Absicht, die Expedition Baudins mitzumachen, und als dies vereitelt wurde, mit seinem Freunde Bonpland, den er in Paris kennen gelernt, nach Spanien, wo ihm die Gunst des Hofes so sehr zu Theil ward, daß ihm erlaubt wurde, alle span. Besitzungen in Südamerika zu seinen wissenschaftlichen [365] Studien zu bereisen. 1799 schiffte er sich mit seinem Freunde in Coruna ein; sie landeten bei Cumana in Venezuela, durchzogen diesen Staat nach allen Richtungen durch unbewohnte Wildnisse, untersuchten besonders den Lauf des Orinoco, bereisten dann in gleicher Weise Neugranada, Quito u. Peru, durchforschten die Anden, bestiegen den Chimborasso u. gelangten an der Küste des großen Oceans nach Lima. Von da schifften sie sich im Januar 1803 nach Acapulco ein, durchstreiften Mexico, fuhren im Januar 1804 von Veracruz nach Havana, von da nach Philadelphia und betraten im August desselben Jahres, nach 5jähriger Reise, in Bordeaux wieder den französ. Boden. In den nächsten Jahren hielt sich H. abwechselnd in Berlin u. Paris auf, von 1808 bis 1827 aber, mit Ausnahme einzelner Reisen als Begleiter des Königs von Preußen, beständig in Paris, mit der Bearbeitung seines großen Reisewerkes beschäftigt, das in 6 Abtheilungen erschien, im Ganzen 29 Bände mit über 1400 Kupfertafeln. Die Abtheilungen enthalten nach einander den allgemeinen historischen Reisebericht, Zoologie, Versuch über den polit. Zustand Neuspaniens, Astronomie, Mineralogie u. Botanik. Im J. 1829 machte H. auf Anregung des Kaisers Nikolaus eine zweite große Reise, in Begleitung von Ehrenberg u. Rose, durch das asiatische Rußland, vom Altai nach dem Ural bis an die chinesische Gränze, mit denselben allseitigen Forschungen wie bei der ersten Reise, außerdem noch bergmännische Untersuchungen, welche die wichtige Auffindung der Diamantengruben zur Folge hatten. H. beschrieb diese Reise in dem Werke: »Asie centrale etc.«, 3 Bde., Paris 1843. Nach seiner Rückkehr hatte H. mit Ausnahme einiger diplomatischen Sendungen und kleinerer Reisen, seinen Aufenthalt bleibend in Berlin, mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, als deren letzte große sein »Kosmos« erschien. – Die wissenschaftliche Thätigkeit H.s ist staunenerregend, sowohl durch ihren Umfang und ihre außerordentliche Vielseitigkeit, als durch die Tiefe u. Schärfe des Geistes in Erforschung, Beobachtung und Behandlung der Thatsachen und in Auffindung gegenseitiger Beziehungen scheinbar oft einander ganz fremder Dinge und Erscheinungen. Die Forschungen auf seinen Reisen erstreckten sich auf Geographie, mit vielen hunderten von Ortsbestimmungen und Höhenmessungen, Statistik und Ethnographie, auf Botanik, Zoologie, Mineralogie, Geognosie, Astronomie, auf meteorische, klimatische u. magnetische Verhältnisse; auch die Denkmale und Sprachen der alten Mexikaner fanden in ihm ihren Forscher. In der Botanik schuf er eine gänzlich neue Wissenschaft, die Pflanzengeographie, durch sein ausgezeichnetes Werk: »De distributione geographica plantarum«. Ueberhaupt hat H. den naturwissenschaftl. Forschungen einen ganz neuen und eigenthümlichen Weg eröffnet. Neben dem tiefen innern Gehalt seiner Werke sind es auch noch die schöne Sprache u. die oft sehr poetischen Naturanschauungen, was dieselben auszeichnet, letzteres besonders in seinen herrlichen Ansichten aus der Tropenwelt. Sein »Kosmos, Entwurf einer physischen Weltbeschreibung« ist bis zum 3. Bande vorgerückt.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 365-366.
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