[422] Elektrometallurgie. Seit man in den Dynamomaschinen beliebig starke elektrische Ströme verhältnismäßig billig herstellen kann, hat die Verwendung der elektrischen Energie in den Hüttenbetrieben Fuß gefaßt. Die Methoden der Metallgewinnung auf diesem Wege sind meistens durch Patente geschützt; Betriebserfahrungen und -ergebnisse werden in der Regel geheimgehalten. In der Praxis eingeführt hat sich die elektrolytische Gewinnung von Kalium, Natrium, [422] Magnesium, Aluminium, Kupfer und Silber. Hierher rechnen kann man auch die sogenannten elektrolytischen Raffinations- (Reinigungs-)prozesse von solchen Rohmetallen, die auf dem Wege des Schmelzverfahrens gewonnen worden sind, so von Kupfer und von Silber.
Die Elektrolyse der Metallverbindungen kann erfolgen 1. in wässeriger Lösung, 2. im Schmelzfluß, also auf trockenem und nassem Wege.
Abscheidung des Metalles aus wässerigen Lösungen. Zur Gewinnung von Kupfer sind zwei Verfahren in die Praxis eingeführt: 1. das Verfahren von Siemens & Halske und 2. dasjenige von Höpfner.
Verfahren von Siemens & Halske. Die aus gedichteten Holzkasten bestehenden Zersetzungszellen sind durch ein horizontal angebrachtes Filtriertuch von Jute in zwei Abteilungen, eine obere und untere, geschieden. In die obere Abteilung sind die aus Kupferplatten (dünne auf Holz aufmontierte Kupferbleche) bestehenden Kathoden horizontal eingeführt. Im unteren Teil der Zellen liegen als Anoden ebenfalls horizontal angeordnete Kohlenstäbe. Von der Kathode zur Anode läßt man kontinuierlich eine zur Verringerung des Leitungswiderstandes. mit Schwefelsäure angesäuerte Lösung von Kupfer- und Eisenvitriol fließen. Das Kupfer scheidet sich nach Einschaltung des elektrischen Stromes an der Kathode metallisch ab, die regierende Lösung filtriert durch den horizontalen Tuchboden in die Anodenabteilung der Zelle, wo das in der Lösung befindliche Ferrosulfat (Oxydulsalz) in Ferrisulfat (Oxydsalz) übergeführt wird. Dies geschieht durch den freiwerdenden Sauerstoff. Das Einbringen von dem leicht oxydierbaren Eisenoxydulsalz hat nämlich den Zweck, das Auftreten von Polarisationsströmen durch den Aufbrauch des entstehenden Sauerstoffes zu vermeiden. Die aus dem Anodenraume abfließenden sauren Ferrisulfatlaugen dienen zum Aufschluß des gepulverten Rohmaterials (abgeröstete Kupfererze), was in mit Rührapparaten versehenen Holzbehältern vorgenommen wird. Hier lösen sie aus den Erzen das Kupfer als Sulfat auf und nach Trennung der Lösung von den Erzrückständen durch Abnutschen fließt die aufs neue Kupfersulfat enthaltende Lösung wieder den Kathoden der Zersetzungszellen zu, um so das Spiel von neuem zu beginnen. Chemische Prozesse:
1. Zersetzung des Schwefelkupfers der Erze unter Abscheidung von Schwefel:
Cu2S + 2Fe2 (SO4)3 = 2CuSO4 + FeSO4 + S (Kupferglanz).
2. Abscheidung des Kupfers an der Kathode und des Sauerstoffes an der Anode:
Cu SO4 + H2O = Cu + H2SO4 + O.
3. Aufnahme des freiwerdenden Sauerstoffes durch das Eisenoxydulsulfat unter Verwandlung des letzteren in Eisenoxydsulfat:
2FeSO4 + O + H2SO4 = Fe2 (SO4)3 + H2O.
Verfahren von Höpfner. Durch Einführung einer Kupferchlorür enthaltenden Kochsalz- oder Chlorcalciumlösung in den Kathoden- und Anodenraum (die Kathoden und Anoden wie beim Verfahren von Siemens & Halske, nur sind sie vertikal eingehängt) wird zuerst das Kupferchlorür in Kupferchlorid übergeführt unter Abscheidung von etwas Kupfer an den Kathoden und Bildung von Chlor an der Anode, ein Vorgang, den die nachgehenden Gleichungen veranschaulichen:
CuCl = Cu + Cl CuCl + Cl = CuCl2.
Mit dieser abfließenden Lösung werden die in rotierenden Trommeln befindlichen Erze warm ausgelaugt, wobei das in den Erzen enthaltene Schwefelkupfer (Kupfersulfür) in Kupferchlorür und das in der Lauge befindliche Kupferchlorid ebenfalls in Kupferchlorür übergeht nach folgender Gleichung:
Cu2 S + 2CuCl2 = 4CuCl + S.
Da aus den Erzen auch andre Metalle in die Kochsalzlauge als Chloride übergehen können, muß die zu elektrolysierende Lösung von Zeit zu Zeit gereinigt werden. Arsen, Blei, Eisen durch Kalk, etwa vorhandenes Silberchlorid durch Elektrolyse unter Anwendung eines schwächeren, die Abscheidung von Kupfer nicht herbeiführenden elektrischen Stromes.
Die elektrolytische Gewinnung von Metallen direkt aus ihren Erzen und den Hüttenprodukten, also ohne vorhergehendes Rösten und Auslaugen, hat sich bis jetzt nicht für die Fabrikation im großen bewährt; Luckow, André und Marchese haben Verfahren ausgearbeitet, letzterer insbesondere für die Kupfergewinnung. Das letztere Verfahren wurde im großen durchgeführt, allein es war quantitativ, und was das Kupfer anbelangt, auch qualitativ nicht konkurrenzfähig (Näheres in [7]).
Elektrolytische Metallgewinnung aus dem Schmelzflusse (Aluminium, Magnesium, Kalium und Natrium). Wie die wässerigen Metallösungen, so vermag der elektrische Strom auch die Salze in geschmolzenem Zustande zu zersetzen. Die Zersetzung erfolgt nach zwei Methoden, und zwar werden die Elektrolyten (Alkalichloride) in gewöhnlicher Weise durch Feuerung geschmolzen und dann durch Einleiten des elektrischen Stromes zersetzt (Davy, Bunsen), oder es geschieht die Schmelzung und Elektrolyse ausschließlich durch den elektrischen Strom. Beide Methoden sind in der Technik eingeführt.
Aluminiumgewinnung. Zur elektrolytischen Gewinnung von Aluminium benutzt man reine Tonerde, die aus Beauxit oder Kryolith hergestellt wird. Außer dem unter Aluminium näher beschriebenen Verfahren haben auch für Aluminiumlegierungen Cowles, Kleiner-Fiertz, Hall (Werke der Pittsburg Reduction Comp.) Verfahren in die Praxis eingeführt. Da das Héroultsche Verfahren (s. Aluminium) ein genügendes Bild über die elektrometallurgische Gewinnung des Aluminiums gibt, so wird hiermit auf die andern Methoden verwiesen, letztere s. in [1]. S.a. Schmelzöfen, elektrische, sowie den Art. Calciumkarbid.
Gewinnung von Magnesium. Nach Bunsen erhält man metallurgisches Magnesium durch elektrolytische Zerlegung von geschmolzenem Magnesiumchlorid, das sich in einem durch eine poröse Scheidewand geteilten Tiegel befindet unter Anwendung von Kohlenelektroden.[423] In der Technik wird das Magnesium aus Carnallit nach dem Verfahren von Grätzel dargestellt. Der hierzu benutzte Apparat besteht aus einem aus Gußstahl hergestellten, auf einer Platte aus feuerfestem Ton in den Ofen eingehängten Tiegel (bis zu 30 nebeneinander), durch dessen luftdicht schließenden Deckel je ein Gasab- und Gaszuleitungsrohr führt, ferner führt eine unten offene Porzellanröhre durch den Deckel, die den als Anode dienenden Kohlenstab umgibt. Der Kessel selbst dient als Kathode. Zum Betrieb wird entwässerter Carnallit in dem Tiegel geschmolzen, durch Einleiten von einem indifferenten Gas (z.B. Steinkohlengas, Wassergas) die Luft verdrängt und dann der Stromkreis geschlossen. Das Magnesiumchlorid wird hierbei glatt in Metall und Chlor zerlegt und letzteres durch das Gasableitungsrohr weggetrieben, während das Magnesium sich am Tiegelboden ansammelt. Durch Umschmelzen und Destillation bei Weißglut in schmiedeeisernen Retorten muß es von den begleitenden Verunreinigungen befreit werden.
Kalium und Natrium. Durch innige Mischung der Alkalikarbonate mit Kohlenpulver und Destillation in eisernen Retorten bei hoher Temperatur gewinnt man in der chemischen Großindustrie diese beiden Metalle. Elektrolytische Verfahren haben in der Industrie schon Eingang gefunden, und es sind besonders zwei Arbeitsweisen, die Aussicht haben, der elektrometallurgischen Gewinnung von Kalium und Natrium gegenüber dem alten Verfahren den Vorzug zu geben. Es sind dies die Methoden von Grabau bezw. von Rathenau und Luter. Nach Grabau wird je nachdem Natrium- oder Kaliumchlorid in einem eisernen, mit Luft und Heizmantel (Generatorgase) umgebenen Kessel geschmolzen. Durch den luftdicht schlußenden Deckel führen vier Kohlenstäbe als Anoden, die gleichmäßig um die glockenförmige Kathodenzelle angeordnet sind. Die Kathode besteht aus einem eisernen Hohlzylinder mit stangenförmiger Verlängerung, die mit Bohrvorrichtung versehen ist, um gelegentliche Verstopfung in der Kathode zu beseitigen. An dieser Kathode befindet sich die an ihren Enden aufwärts gebogene Kathodenzelle. Durch diese Ausstülpung entsteht ein Hohlraum. Die Zelle besteht aus glasiertem Porzellan. Der Apparat führt ferner ein Gasableitungsrohr sowie eine Vorrichtung, um das abfließende Metall in Petroleum aufzufangen und durch ein indifferentes Gas abzuschließen. Das an der Anode entstehende Chlor geht durch das Gasableitungsrohr weg. Die Ausbeute ist noch gering, weil sich das abscheidende Natron zum Teil mit dem Natriumchlorid zu einem Subchlorid vereinigt. Grabau vermeidet diese Subchloridbildung durch Anwendung eines Gemenges der Chloride von Natrium, Kalium und Strontium, zugleich unter Einhalten einer niedrigen Schmelztemperatur, wodurch ein Natrium mit 3% Kalium, aber frei von Strontium, erhalten werden soll. Um eine bessere Ausbeute zu erhalten durch Vermeidung der Subchloridbildung, verwenden Luter und Rathenau die Alkalihydroxyde als Elektrolyten. Bei der Verwendung dieser Hydroxyde als Elektrolyten in gewöhnlicher Weise scheidet sich das Metall in Kügelchen ab, die an die Oberfläche der Schmelze kommen und hier verbrennen. Um das Verbrennen der Kügelchen zu vermeiden und größere Metallabscheidung zu erhalten, haben die beiden genannten Techniker den aus Kohle oder Eisen hergestellten Kathoden eine schuhförmige Gestalt gegeben. Diese Kathoden schwimmen direkt auf den in einer eisernen Schale befindlichen, durch direkte Feuerung geschmolzenen Hydratoxyden. Die Anoden bestehen aus Eisen oder Kohle und tauchen direkt in den geschmolzenen Elektrolyten ein. Ist der Betrieb im Gang, so sammelt sich das Metall auf dem Elektrolyten unter den Kathoden an, von wo es durch Neigen der schuhförmigen Kathode abgeschöpft wird (das Verfahren soll von der Neuhausener Aluminium-Aktiengesellschaft aufgenommen und verbessert worden sein).
Schließlich sei an dieser Stelle noch auf die Verfahren hingewiesen, durch welche die Reinigung von den auf dem gewöhnlichen metallurgischen Wege dargestellten Metallen vorgenommen wird. Insbesondere für Kupfer und für die Edelmetalle hat sich die elektrolytische Metallreinigung in der Technik eingeführt; s. unter den entsprechenden Metallen und [6], [7].
Literatur: [1] Balling, Grundriß der Elektrometallurgie, Stuttgart 1888. [2] Gore, The art of electric separation of metals 1890. [3] Vogel und Rösing, Handbuch der Elektrochemie und Metallurgie, Stuttgart 1891. [4] Becker, H., Manuel d'électro-chimie et d'électro-métallurgie 1897. [5] Mc. Millan, Treatise on electro-metallurgy, 2. Aufl., 1899. [6] Borchers, Die Gewinnung der Metalle unter Vermittlung des elektrischen Stromes, 3. Aufl., Braunschweig 1902. [7] Fischer, Metallurgie, Leipzig 1904.
Bujard.
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