Entwässerungen

[467] Entwässerungen im Eisenbahnbau sind, abgesehen von den regelmäßigen Bahngräben, da erforderlich, wo der Untergrund wasserhaltig ist, also besonders in lehmigen und tonigen Einschnitten und deren Umgebung, um solche (womöglich vor Beginn der Erdarbeiten) trockenzulegen und so der Bildung von Frostbeulen und etwaigen Rutschungen vorzubeugen; ebenso auch da, wo einzelne wasserführende Erdschichten zwischen festeren Lagen vorkommen. Solche Entwässerungen erfolgen durch Saugröhren (Drains) oder aus Steinen hergestellte Sickerschlitze, Sickergräben u.s.w., nötigenfalls durch bergmännisch herzustellende Schächte und Stollen. Sie sollen das Gelände auf eine größere Breite trockenlegen, so daß die zur Herstellung des Bahnkörpers erforderlichen Ausschachtungen und Aufschüttungen mit den hierdurch bewirkten Störungen des bisherigen Gleichgewichts erfolgen können, ohne Bewegungen in den umgebenden Erdmassen hervorzurufen. Derartige Arbeiten können bei großer Ausdehnung in die Breite und namentlich in die Tiefe sehr hohe Kosten verursachen. Sind Bewegungen größerer Massen erst einmal eingetreten, so ist es meist sehr schwierig, ja oft unmöglich, die Massen wieder dauernd zu vollem Stillstand zu bringen. Alsdann werden die nachträglichen Entwässerungsanlagen noch teurer. In manchen Fällen hat man sich sogar zu einer Verlegung der Bahn auf größere Strecken entschließen müssen, um den immer (besonders nach der Schneeschmelze) wiederkehrenden Erdbewegungen endgültig auszuweichen. Es ist deshalb von besonderer Wichtigkeit, beim Eisenbahnbau solche Entwässerungsanlagen möglichst vor Inangriffnahme der Erdarbeiten auszuführen, mithin rechtzeitig vorher, d.h. schon bei den Vorarbeiten zur Festlegung der Linie durch Bodenuntersuchungen die etwaige Notwendigkeit solcher Anlagen und ihren Umfang festzustellen, sofern es nicht möglich ist, solche Punkte mit der Bahnlinie ganz zu umgehen.

Die Entwässerung der Bahnhofsflächen, wobei es sich nicht um Verhütung von Bewegung handelt, sondern um Trockenlegung und gute Erhaltung der Gleisanlagen, Zufuhrwege, Ladestraßen u.s.w., kann auf sehr verschiedene Weise geschehen. Auf ganz durchlässigem Untergrunde (Sand mit tiefem Grundwasserstande) sind bei kleinen Bahnhöfen, abgesehen von der selbstverständlichen besonderen Entwässerung der Abortanlagen, der etwaigen Lösch- und Drehscheibengruben, der Gebäudekeller u.s.w., weitere Anlagen oft entbehrlich. In andern Fällen genügt für die weitere Flächenentwässerung die Abdachung des Planums (s. Bahnprofil) unter der Bettung nach den Bahngräben hin, sofern diese die nötige Tiefe und Neigung erhalten können. Bei größerer Breitenausdehnung auf undurchlässigem Grunde muß jedoch, da sonst die Bettungsstärke zu groß, ihre Herstellung also zu teuer würde, eine mehrfach gebrochene Abdachung des Planums nach Saugrohrableitungen hin erfolgen, die mit etwa 10–15 cm Durchmesser und offenen Fugen in frostfreie Tiefe unter der Bettung mit einem Gefälle[467] von mindestens 1‰ und in Entfernungen von etwa vier Gleisabständen (18–20 m) zwischen (nicht unter!) den Gleisen parallel zu diesen eingebaut werden. Diese Saugrohre führen das Tagwasser nach einzelnen, quer zu den Gleisen mit gedichteten Fugen zu verlegenden Ableitungsrohren, die auch das Wasser aus den Löschgruben u. dergl. aufnehmen und es weiter, entweder zu entsprechend tief liegenden Bahngräben oder zu einem Hauptkanal hinleiten, der es einem natürlichen Wasserlauf oder einer städtischen Ableitung zuführt. Ein solcher Haupt- oder Stammkanal wird demnach in der Längenrichtung dem Bahnhof folgen und am besten seitwärts außerhalb der Gleisanlagen hergestellt. Seine Ausführung sollte allen andern Bauarbeiten vorangehen, weil die dadurch bewirkte Entwässerung ihnen allen zugute kommt. – Die Ableitungsrohre (glasierte Steinzeugrohre) erhalten im allgemeinen Weiten von 15–30 cm, unter Umständen auch mehr, und Gefälle von 15‰ bis herab zu 6‰ (bei größeren Weiten reicht weniger aus). Der Hauptkanal kann in Rechteck- oder Eiform, gemauert oder aus Zementbeton (auch Eisenbeton) in Weiten von 50–125 cm und mit Gefälle von 3 bis herab zu 1,25‰ (bei schwachem Gefälle besteigbar!) angelegt werden. Die größte abzuführende Menge des Tagewassers kann im allgemeinen in Rücklicht auf Einsickerung, Verdunstung und oberirdischen Wasserabfluß zu 3–5 mm Regenhöhe für die Stunde angenommen werden. Jedoch ist diese Annahme für solche Flächen, die durch eine feste Decke (Dachflächen, Steinschlag, Pflaster, Plattenbelag oder gar Asphalt) mehr oder weniger gedichtet sind, mindestens zu verdoppeln. Auch sind die von Lokomotivschuppen (Spülung der Kesser), von Viehreinigungsplätzen, Abortspülungen, Springbrunnen sowie die vom Haus- und Küchengebrauch u.s.w. herrührenden Abflußmengen gesondert in Anschlag zu bringen. Sie bilden jedoch immer nur einen geringen Teil gegenüber dem abzuführenden Teil des größten Niederschlagswassers. (Näheres s. die Werke über Wasserbau und städtischen Tiefbau.)

Goering.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 467-468.
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