Unterseeboot [1]

[733] Unterseeboot, ein Kriegsschiff, das unter die Wasseroberfläche untertauchen und dann längere Zeit unter Wasser fahren kann, um unbemerkt an die feindlichen Schiffe heranzukommen und sie durch einen Torpedoangriff unschädlich zu machen. Ueber die geschichtliche Entwicklung der Unterseeboote vgl. [1]–[5].

Das Unterseeboot von heute bildet eine kriegsbrauchbare Waffe zur Verteidigung der Küsten und Flußmündungen und in seinen größeren Typen auch zum Angriff der feindlichen Flotte auf hoher See. Man unterscheidet nach Art des Betriebes und des Untertauchens: 1. Reine Unterseeboote, 2. Tauchboote, 3. Ueberflutungsboote.

Das reine Unterseeboot besitzt elektrischen Motorantrieb, mit Akkumulatoren gespeist, für die Ueberwasser- und die Unterwasserfahrt. Beim Tauchen wird der Auftrieb des Schwimmkörpers durch Einlassen von Wasser in denselben so weit vermindert, daß das Boot fast vertikal untertaucht. Zur Aufnahme des Ballastwassers erhält der als Drückkörper ausgebildete Bootsrumpf besondere wasserdichte Zellen. Das reine Unterseeboot ist immer klar zum Tauchen und kann in der Ruhelage ohne Benutzung der Maschine versenkt werden; es schließt den Nachteil in sich, daß es bei gänzlicher Aufhebung des Auftriebs in zu große Wassertiefen gelangen kann und dann Gefahr läuft, durch den steigenden Wasserdruck eingedrückt zu werden. Unterseeboot von Goubet. Der Verwendungsbereich des reinen Unterseebootes ist beschränkt, da es wegen Einschränkung der schweren Akkumulatoren nur einen kleinen Aktionsradius besitzt und eines Stützpunktes bedarf zum Auffüllen derselben.

Das Tauchboot arbeitet nur unter Wasser mit elektrischem Antrieb und Akkumulatoren; nach Erschöpfung der letzteren muß es auftauchen. Ueber Wasser wird das Tauchboot in der Hauptsache durch Wärmemotoren angetrieben, welche zugleich die Akkumulatoren mit elektrischer Energie laden. Der hierdurch erzielte Vorteil größerer Selbständigkeit und größeren Aktionsradius[733] bringt jedoch den Nachteil mit sich, daß die Zeit zum Tauchen sich vergrößert, weil der Wärmemotor beim Untertauchen abgestellt und nach außen wasserdicht abgeschlossen werden muß, während er nach dem Auftauchen wieder anzustellen ist, nachdem er mit der Außenluft wieder in Verbindung gebracht wurde. Das Tauchen selbst geht folgendermaßen vor sich. Nachdem das Boot durch Wassereinlaß einen Teil seines Auftriebs verloren hat, ein bestimmter Reserveauftrieb bleibt erhalten, wird der Elektromotor angelassen und werden zugleich besondere Horizontalruder betätigt. Diese steuern das Boot mit Fahrt zunächst nach unten und dann in einer bestimmten Wassertiefe in möglichst horizontaler Linie weiter. Bei Maschinenhavarie bezw. Stillstand des Propellers treibt der Reserveauftrieb das Boot an die Oberfläche, ein Sinken in die Tiefe ist daher bei dichtem Bootsrumpf ausgeschlossen. Um die Ueberwasserfahrt sicherer und für die Besatzung weniger anstrengend zu gestalten und zugleich eine günstigere Schiffsform zu erzielen, erhalten die Tauchboote einen angemessenen Freibord; dies bringt jedoch den Nachteil mit sich, daß zum Fluten des Bootes beim Tauchen eine größere Wasserballastmenge erforderlich wird, etwa 30% des Deplacements gegenüber etwa 6% beim reinen Unterseeboot, dessen Freibord freilich sehr gering ist. Das in Frankreich ausgebildete selbständige Unterseeboot, sous-marine-autonome, vereinigt mit dem reinen Unterseeboot den Vorteil geringer Wasserballastmenge und schneller Tauchzeit, mit dem Tauchboot die Verwendung besonderer Ueberwassermotoren, welche zum schnellen Abstellen als Explosionsmotore ausgebildet sind und zugleich zum Laden der Akkumulatoren benutzt werden. Es besitzt zwar ein größeres Deplacement als das reine Unterseeboot, aber geringeren Tonnengehalt als das Tauchboot und ist daher auch bezüglich der Bewohnbarkeit beschränkt [6], [7].

Die Ueberflutungsboote verschwinden niemals ganz unter der Wasseroberfläche. Der gepanzerte Kommandostand, Panzerkuppel, bleibt über Wasser und sichtbar und demnach den feindlichen Geschossen ausgesetzt. Sie besitzen weder die Vorzüge eines Unterseeboots noch die Kampfkraft eines gewöhnlichen Torpedoboots und sind bis jetzt über das Versuchsstadium nicht hinausgekommen. Von den genannten Typen hat das Tauchboot in allen Marinen Eingang und weiteste Verbreitung gefunden, während das reine Unterseeboot nur noch zur Anbordgabe auf Schlachtschiffen in Frage kommt.

Die Schiffsform der Unterseeboote weicht von den Ueberwasserfahrzeugen wesentlich ab und wird dieselbe vornehmlich durch die Widerstandsfähigkeit des Schiffsrumpfes gegen erhöhten Wasserdruck bis zu Tiefen von 40–50 m bedingt; daneben kommen für die Bootsform die Stabilität, die Manövrierfähigkeit und die Geschwindigkeit in Frage. Die Fertigkeit des Rumpfes verlangt möglichst kreisförmige Spantformen, doch ist neuerdings zur Erzielung einer ausreichenden Gewichtsstabilität unter Wasser die Ellipsenform mit vertikal angeordneter großer Achse gewählt – italienisches Fiat-Boot. Zur Sicherung der Stabilität für die Ueberwasserfahrt erhält der zylindrische Druckkörper bei den Tauchbooten besondere Umbauten bezw. Aufbauten, welche eine größere Formstabilität sichern und zugleich eine größere Austauchung mit sich bringen. Diese Umbauten werden dann meist zur Unterbringung von flüssigem Brennstoff und Wasserballast ausgenutzt derart, daß sie dem Wasserdruck nach dem Entleeren nicht mehr ausgesetzt sind und daher schwächer gebaut werden können [7], [9], [10].

Das Untertauchen, d.h. die Fähigkeit, das Boot schnell unter die Wasseroberfläche zu versenken, bildet das Hauptmerkmal der Unterseeboote; es muß schnell und sicher vor sich gehen. Das Untertauchen des reinen Unterseeboots erfolgt durch Ueberfluten und Beseitigen des Auftriebs. Die elektrische Ballastpumpe arbeitet hierbei automatisch auf eine bestimmte Wassertiefe hin; ihre Genauigkeit versagt jedoch, sobald durch eindringendes Leckwasser die Gleichgewichtslage gestört wird. Das Untertauchen mit Hilfe von Vertikalschrauben ist mehrfach versucht, unter anderm von Holland, aber als unzweckmäßig aufgegeben, da die Trimmlage des Bootes leicht gestört wird. Das Untertauchen in Fahrt mit Hilfe von Horizontalrudern ist zurzeit vorherrschend. Das Boot wird zunächst so weit durch Wassereinlaß versenkt, daß nur noch die Kuppel des Kommandostandes über Wasser ragt. Dann wird der Elektromotor für die Unterwasserfahrt angestellt und die Horizontalruder werden betätigt. Anfänglich begnügte man sich mit einem Paar von Horizontalrudern auf einer Achse am Heck, welche dem Boote beim Tauchen eine stark geneigte Trimmlage – 10–12° – gaben; jetzt verwendet man zwei oder drei Paare von Horizontalrudern. Bei zwei Paaren befindet sich je ein Paar am Heck und Bug. Die hinteren werden meist beim Tauchen fest eingestellt und die vorderen während der Fahrt gelegt; letztere drücken durch den auf sie treffenden Fahrtstrom das Boot nach unten. Die hierbei sich ergebenden Neigungen sind geringer, auch sind die Trimmschwankungen geringer und sanfter. Bei drei Paaren von Rudern tritt mittschiffs ein weiteres Paar hinzu – Lake-Boot. Das Boot bleibt bei sachgemäßer Bedienung der Horizontalruder beim Tauchen saß auf horizontalem Kiel, die Handhabung des Bootes ist bequemer, und der Führer kann mit Hilfe des Sehrohres den Feind ständig im Auge behalten, doch bieten die drei Ruderpaare erhöhten Wasserwiderstand. Die Tauchzeiten von Ueberwasserfahrt bis zur Fahrt in 5 m Tiefe dauern heute 4–5 Minuten bei Verwendung von Verbrennungsmotoren, bei Booten mit Dampfmaschinen steigen sie auf 25–30 Minuten, da alle für diese erforderlichen Oeffnungen zuvor wasserdicht geschlossen werden müssen. Bei der Fahrt unter Wasser bildet die mangelnde Längsstabilität für die Innehaltung einer bestimmten Wassertiefe Schwierigkeiten. Hier kommen neben der Betätigung der Horizontalruder Gewichtsverschiebungen längsschiffs in Frage; dieselben wirken jedoch meist nicht schnell genug und arbeiten mit Nacheilung [6], [7], [9].

Als Antriebsmotor für Unterseeboote kommt neben dem Elektromotor nur noch der Verbrennungsmotor in Frage, da er gegenüber der Dampfmaschine nebst Dampfkessel erheblich leichter ist und das An- und Abstellen schneller vor sich geht. Einheitsmotore für Ueber- und Unterwasserfahrt für längere Strecken sind noch nicht gefunden; der Einheitsmotor von Pietet, welcher mit flüssiger Luft arbeitet, ist über das Versuchsstadium noch nicht hinausgekommen.[734]

Man ist zurzeit noch für die Unterwasserfahrt auf elektrischen Antrieb mit Akkumulatorenbatterien angewiesen, während für die Ueberwasserfahrt Explosionsmotoren mit leichtflüchtigen BrennstoffenGasolin in England und Nordamerika und Benzin bezw. Spiritus in Italien – oder mit schwerflüchtigen Oelen wie Petroleum in Körting- und Dieselmotoren – Deutschland, Rußland und Frankreich – zur Anwendung kommen. Ueber die Gewichte der einzelnen Antriebsmaschinen gibt nachstehende Tabelle Aufschluß [7].


Unterseeboot [1]

Der Schwerölmotor – Körting und Diesel – wird wegen der geringen Explosionsgefahr mehr und mehr bevorzugt. Diese Gefahr der Gasolinmaschinen sucht man in England durch Mitführung von weißen Mäusen insofern zu verringern, als diese Tiere gegen Gasolindämpfe sehr empfindlich sind und auf diese Weise etwaige Leckagen anzeigen. Auch den Schwerölmotoren haften noch Mängel an, hohe Kompressionsdrücke und hierdurch starkes Material sowie großes Gewicht, Schwierigkeit des Anlassens, der Umsteuerung und der Kühlung, welche den Betrieb erschweren. Das Anlassen erfolgt mit Hilfe der elektrischen Energie oder mit Preßluft, beim Körtingmotor muß das Petroleum durch den elektrischen Strom angewärmt werden. Bei den hohen Kompressionsdrücken und den Kühlungsschwierigkeiten ist man bis jetzt für Unterseebootsmotore erst auf eine Höchstleistung von 1000 EPS. gelangt. Die Geschwindigkeit des Unterseebootes ist daher noch in ihrer Steigerung begrenzt, und zwar auf 12–15 Seemeilen pro Stunde über Wasser und 8–10 Seemeilen unter Wasser, während das Deplacement ständig gewachsen ist, und zwar vom reinen Unterseeboot – Goubet 5 t, Gymnote 30 t – zum Tauchboot von heute von 500–600 t. Durch diese Steigerung des Deplacements sind die Tauchboote zugleich in ihrer Leistungsfähigkeit, namentlich mit Bezug auf Stabilität, Bewohnbarkeit, Geschwindigkeit und Aktionsradius wesentlich gesteigert worden, doch ist damit die Verwendung der Boote zur Mitführung auf Schlachtschiffen aufgegeben. Auch ihre Hauptwaffe, die Torpedoarmierung, hat mit Zunahme des Deplacements erheblich an Treffsicherheit gewonnen; die großen Boote führen mindestens zwei Torpedorohre zum Ausstoßen der Torpedos mit Luft mit sich.

Das Sehvermögen beim Unterwasserfahren wird durch besondere Spiegelapparate – Sehvorrichtungen – vermittelt, welche in einem Sehrohr geschützt gelagert sind. Das Tauchboot besitzt meist zwei Sehrohre, bis zu 7 m Länge, von welchen das eine auf den Gegner oder die Scheibe gerichtet ist, während mit dem andern der Horizont abgesucht werden kann. Die Sehrohre sind daher drehbar eingerichtet und lassen sich außerdem in senkrechter Richtung teleskopartig verschieben. Die wiedergegebenen Bilder müssen lichtstark und von natürlicher Größe sein, um Entfernungen schätzen zu können, auch darf der Sehkreis in horizontaler und vertikaler Richtung nicht zu sehr beschränkt werden. Die mannigfachen Konstruktionen von Sehrohren – Periskop (Frankreich), Hyphydroskop (England), Kleptoskop (Italien), Omniskop (Amerika) – unterscheiden sich vornehmlich in der Anordnung der Linsen und Prismen und der dadurch bedingten Ausgestaltung des Sehkreises und der Lichtstärke. Neben dem verhältnismäßig kleinen Gesichtskreis und ungenügender Helligkeit weisen die Sehrohre noch folgende Mängel auf: Vibrationen des Sehrohres durch den Wasserstrom veranlaßt, Verzerrung des Bildes durch optische Strahlungen, Beschlagen des Glases innerhalb des Sehrohres durch Temperaturunterschiede, Bespritzen der äußeren Spiegel durch Seewasser und Regen [3], [7]. Die Navigierung der Unterseeboote, d.h. das Kurshalten bei ganz untergetauchtem Boot ist schwielig und erfolgt nach dem Kompaß unter gleichzeitiger Benutzung eines Gyroskops. Neuerdings findet der Kreiselkompaß erfolgreich Verwendung.


Literatur: [1] Busley, C., Die modernen Unterseeboote, Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft, Berlin 1900. – [2] Forest und Noalhat, Les bateaux sous-marins, Paris 1900. – [3] Gazet, M., La navigation sousmarine, Paris 1901. – [4] Delpeuch, La navigation sousmarine à travers les siecles, Paris 1902. – [5] Fyfe, H.C., Submarine warfare, past, present and future, London 1903. – [6] d'Equevilley, R., Les bateaux sous-marins et les submersibles, Paris 1902. – [7] Nauticus, Berlin 1902, Die Unterseeboote der Gegenwart; 1904, 1906,1908, Der heutige Stand der Unterseebootsfrage. – [8] Bacon, R.H., Submarine boats and their salvage, Engineering 1905, Bd. 2, S. 128. – [9] White, W.H., The Stabilitity of Submarines, Engineering 1906, Bd. 1, S. 703. – [10] Chace, Mason S., Submarines of battleship speed, Engineering 1908, Bd. 1, S. 61.

T. Schwarz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 733-735.
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