Torpedo [1]

[571] Torpedo, ein Unterwassergeschoß, mit Sprengstoff – Dynamit oder Schießbaumwolle – geladen, verfolgt den Zweck, in den Schiffsrumpf eines feindlichen Schiffes unterhalb der Schwimmebene durch Explosion des Sprengstoffes große Löcher zu reißen und hierdurch das Schiff zum Sinken zu bringen.

Man gliedert die Torpedos in Wurstorpedos (Ericsontorpedo), welche nach Art eines Geschosses aus dem Lancierrohr hinausgeschossen werden; Raketentorpedos, welche mittels eines Raketenlatzes durch Reaktion getrieben werden; lenkbare Torpedos und automobile Torpedos. Die Schleppmine oder der Schlepptorpedo von Harvey bildet einen Uebergang von der Seemine zum automobilen Torpedo. Die lenkbaren Torpedos, welche sich vorzugsweise für die Küstenverteidigung eignen, werden vom Lande aus durch ein Kabel elektrisch gesteuert, so daß man dem Feinde folgen kann. Die Treibkraft der lenkbaren Torpedos ist eine mannigfache. Der Torpedo von Lay sowie der von Patrick wird durch flüssige Kohlensäure getrieben, der Berdan-Torpedo durch eine Turbine, in welche das durch Verbrennung einer Zündmasse entstehende Gas strömt. Der Sims-Ericsontorpedo [3], welcher aus einem Schwimmkörper und dem etwa 1,8 m darunter befestigten Torpedo besteht, wird durch Elektrizität getrieben, und enthält das Kabel, welches sich von dem Torpedo abwickelt, dementsprechend zwei isolierte Leitungen. Der Nordenfeld-Torpedo besitzt zum Antrieb der Maschine Akkumulatoren. Eigenartig ist der Brennantorpedo, welcher durch zwei sich abwickelnde Drähte bewegt und gesteuert wird. Neuerdings versucht man einen automobilen Torpedo durch Hertzsche Wellen ohne mechanische Verbindung mit der Lancierstelle zu steuern [9]; wir verweisen auf [1], [3], [5]. Die automobilen Torpedos beschränkten sich anfangs auf die sogenannten Spierentorpedos, an langen Stangen beteiligte Minengefäße, welche von kleinen, schnellaufenden Dampfbooten aus gegen das feindliche Schiff vorgeschoben und vom Boote aus entzündet wurden.

Der 1868 erfundene Whitehead- oder Fischtorpedo, die verbreitetste und zuverlässigste Torpedowaffe aller Kriegsmarinen, von dem Erfinder selbst aus Stahl, von Schwartzkopff aus Phosphorbronze hergestellt, hat die Form einer Zigarre. Er nimmt je nach seiner Größe und Ausdehnung eine Sprengladung von 30–120 kg auf und erreicht bei einem Gewicht von 300–600 kg eine Länge von 5 m bei 45 cm größtem Durchmesser. Die treibende Kraft des Torpedos ist komprimierte Luft von 90 Atmosphären; sie erteilt demselben mit Hilfe von zwei zweiflügeligen Schrauben mit entgegengesetzter Drehrichtung eine Geschwindigkeit bis zu 32 Seemeilen pro Stunde bis auf eine Entfernung von 500–800 m. Zur Erhöhung der Schußweite bis auf 3000 m sowie der Steigerung der Geschwindigkeit bis auf 38 Seemeilen in der Stunde hat man allmählich den Luftkessel vergrößert und die Luftspannung bis auf 150 Atmosphären gesteigert; zugleich ist man dazu übergegangen, die Luft anzuwärmen, um eine größere Leistung zu erzielen und zugleich die Eisbildung bei geringen Wassertemperaturen (5–10° C.) zu vermeiden. Die Anwärmung von Bliß erfolgt durch Aethylalkohol mittels Zündvorrichtung im Luftkessel, Tebal und Fuchs haben Termit verwandt, während die Anwärmung der Luft mittels Benzin, welches als Sprühregen in einen besonderen Verbrennungsraum, durch welchen die Luft streicht, befördert wird – System Armstrong, Whitworth & Co. sowie Gesztesy – sich am besten bewährt hat. Durch Erwärmung der Luft auf 500–700° C. hat man folgende Geschwindigkeiten und Laufweiten erhalten:


43SeemeilenproStunde1000 m,
36,4SeemeilenproStunde2000 m,
31,2SeemeilenproStunde3000 m,
26,0SeemeilenproStunde4000 m [7].

Der Torpedo enthält fünf wasserdicht abgeschlossene Kammern. Näheres in [1]–[4]. Die vorderste Abteilung bildet der Gefechtskopf mit der Gefechtspistole, dann folgt die Schwimmkammer, der Luftkessel und die Maschinenhammer, welche die Dreizylinderantriebmaschine, den Tiefenapparat nebst Pendel, die Verzögerungsvorrichtung nebst Wasserschlagplatte, die Sink- und Stoppvorrichtung, die Entkupplung des Pendels sowie den Obryschen Gradlaufapparat enthält. An Stelle der Dreizylindermaschine ist in einzelnen Marinen eine vierzylindrige Maschine in Gebrauch; auch sind Versuche im Gange, die Kolbenmaschine durch eine Turbine zu ersetzen – Bliß-Leavitt-Torpedo [10].

Der wichtigste Teil des Torpedos ist der Tiefenapparat. Er beruht auf dem wechselnden Wasserdruck in verschiedenen Tiefen und besteht aus einem hydraulischen Kolben, auf welchen von außen der Wasserdruck, von innen eine Feder wirkt, welche für bestimmte Wassertiefen eingestellt werden kann. Geht z.B. der Torpedo tiefer, wie nach der Federspannung beabsichtigt, so treibt der überwiegende Wasserdruck den Kolben nach einwärts; das Horizontalruder wird nach oben gedreht und bewirkt ein Aufschwimmen des Torpedos. Läuft der Torpedo zu flach, so überwiegt der Federdruck und treibt den Kolben nach außen, das Horizontalruder wird dann nach unten bewegt und bewirkt ein Tiefergehen des Torpedos. Die Bewegung des [571] Kolbens wird nun auf die Schieberwelle der Steuermaschine durch Einschaltung des Schwingehebels eines Pendels übertragen. Das Pendel hat den Zweck, die Bewegung des Tiefendruckkolbens zu regulieren. Da der Torpedo eine verhältnismäßig geringe Masse bei einer hohen Geschwindigkeit besitzt, so bewirken die Bewegungen des Horizontalruders sehr kräftige Ablenkungen. Um nun die auf und nieder gehenden Bewegungen des Torpedos zu vermindern und demselben einen möglichst horizontalen Lauf in bestimmter Wassertiefe zu geben, kommt die Wirkung des Pendels hinzu. Liegt der Torpedo horizontal, so übt das Pendel keine Wirkung aus. Neigt sich der Torpedo nach unten, so schwingt das Pendel nach vorne und bewegt das Horizontalruder nach oben; steigt der Torpedo nach oben, so geht das Pendel nach hinten und dreht das Horizontalruder nach unten. Die Bewegungen des Kolbens und des Pendels gleichen sich nun beinahe aus, doch bleibt die Wirkung des Pendels auf die Betätigung des Horizontalruders immer etwas überwiegend. Die kombinierte Bewegung von Kolben und Pendel wird durch ein System von Hebeln und Stangen zur Steuermaschine und von dort auf das Horizontalruder übertragen ([1]–[3], [5]). Um beim Lanzieren des Torpedos die Bewegung des Pendels infolge seiner Trägheit zu verhindern, da sonst der Torpedo im Anfang eine große Tiefenlage annehmen würde, wird dasselbe anfangs arretiert und kommt erst zur Wirkung, wenn der Torpedo eine möglichst horizontale Lage angenommen hat. Die Steuermaschine wird durch komprimierte Luft getrieben und dient dazu, die Wirkung des Tiefenapparats zu verstärken und zugleich einen größeren Ausschlag in der Bewegung der Uebertragung zum Ruder zu erhalten. Der Kolben der Steuermaschine ist hohl und trägt in der zentralen Bohrung den durch den Tiefenapparat betätigten Verteilungsschieber. Die Luft tritt durch eine Ausdrehung des Kolbens in den Zylinder ein und gelangt durch Bohrungen im Kolben bis zum Verteilungsschieber und von dort auf die eine oder andre Seite des Kolbens und schließlich durch die hohle Kolbenstange in die Maschinenhammer ([1], [2], [5]).

Den hintersten Teil des Torpedos bildet das Tunnel- und Schwanzstück. Das erstere ist eine Schwimmkammer und trägt den Bleiballast zur Erhaltung des Torpedos in der aufrechten Lage. Das Schwanzstück schließt den Torpedo hinten ab und trägt die Horizontal- und Verikalflossen mit den Lagern für die beiden Schraubenpropeller sowie für die Horizontal- und Vertikalruder. Da die beiden Schrauben entgegengesetzte Drehrichtung haben, um eine Ablenkung des Torpedos durch die Propeller auszugleichen, so ist die hintere, linksgängige Schraube auf der Welle befestigt, während die vordere, rechtsgängige Schraube auf einer hohlen Welle sitzt, welche mittels konischen Rädergetriebes von der Hauptwelle angetrieben wird [1].

Während anfänglich die Seitenablenkungen des Torpedos durch festes Einstellen eines kleinen Vertikalruders nach Möglichkeit ausgeglichen wurden, ist neuerdings von dem Ingenieur Obry ein Apparat erdacht, welcher ein Vertikalruder betreibt und so dem Torpedo einen möglichst flachgestreckten und geraden Kurs gibt. Der Apparat besteht aus einem Gyroskop, dessen Achse in der Längsachse des Torpedos liegt. Das Schwungrad wird durch eine starke Feder mittels eines Zahnsektors in Bewegung gesetzt, sobald durch den Oeffnungshebel die Feder freigegeben wird. Da bei großen Laufstrecken die Umdrehung des Kreisels allmählich abnimmt und seine Wirkung auf die Vertikalruder geringer wird, hat man bei dem amerikanischen Torpedo versucht, die Kreiselumdrehung durch Einschaltung einer Luftturbine auf 18000 pro Minute zu halten. Auch hat man versucht, durch Einstellen des Kreisels dem Torpedo eine beliebige Richtung zu geben und damit eine Laufrichtung zu erzielen, welche von der Achse des Ausflußrohres abweicht – Winkeltorpedo.

Von den automobilen Torpedos kommt neben dem Whitehead-Torpedo nur der Howell-Torpedo in Frage [6]. Die Treibkraft desselben bildet ein Schwungrad, welches vor dem Lanzieren durch eine am Ausstoßrohr gelagerte Dampfturbine eine Umdrehungszahl von 10000 pro Minute erhält. Das Schwungrad treibt mit der ihm verliehenen lebendigen Kraft mittels konischer Räderübersetzung zwei nebeneinander liegende Schrauben. Zur Erzielung einer möglichst gleichmäßigen Geschwindigkeit wird die Steigung der Schraubenflügel vergrößert in dem Maße, als die Winkelgeschwindigkeit des Schwungrades abnimmt. Der Tiefenapparat ist nach Art des Whiteheadschen. Der Howell-Torpedo soll infolge seines Bestrebens, die Richtung der Drehachse des Schwungrades beizubehalten, eine große Richtkraft besitzen und einen guten Gradlauf erzielen. Da ein Krängen des Torpedos letzteren beeinträchtigt, ist ein Aufrichteapparat eingebaut. Der Howell-Torpedo war nur in der Marine der Vereinigten Staaten in Gebrauch [6].


Literatur: [1] Ledieu et Cadiat, Le nouveau matériel naval, Paris 1889. – [2] Engineering, The Whitehead Torpedo, London 1898. – [3] Gercke, H., Die Torpedowaffe, Berlin 1898. – [4] Sleeman, Torpedo and Torpedo Warfare, London 1889. – [5] Armstrong, Torpedoes and Torpedo Vessels, London 1901. – [6] Heinz, Howells automobiler Torpedo, Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens, Pola 1891, 1893. – [7] Heinz, Ueber die Anwärmung der Betriebsluft des automobilen Torpedos, ebend., Pola 1909. – [8] Nauticus, Die neuste Entwicklung der Torpedowaffe, Berlin 1907. – [9] Engineering, The Control of Torpedoes by Hertzian waves, 1907, I, S. 66. – [10] Ebend., The Bliß-Leavitt Turbine Torpedo, 1906, II, S. 496.

T. Schwarz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 571-572.
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