Maschinengewehre

[510] Maschinengewehre haben sich aus den Mitrailleusen und Revolverkanonen des Amerikanischen Sezessionskriegs (1861–65) und des Deutsch-Französischen Kriegs (1870/71) entwickelt. Die Großstaaten begannen um die Wende des Jahrhunderts mit ihrer Einführung. Aber erst die Erfahrungen des Russisch-Japanischen Krieges von 1904/05 gaben den Anstoß zur Aufteilung zahlreicher Maschinengewehrverbände.

Von den verschiedenen Systemen haben besonders das von Maxim, das von Hotchkiß und das System Schwarzlose Eingang gefunden. Von den zahlreichen andern seien noch die von Bergmann, Browning, Colt, Nordenfelt, Odkolek, Perino und Skoda genannt. Das Maxim-Maschinengewehr ist eingeführt in Deutschland, Italien, Rußland, England, Belgien, Schweiz, Bulgarien, Serbien, Griechenland, Türkei u.s.w.; das System Hotchkiß in Frankreich, Schweden, Norwegen, Japan u.s.w.; mit dem Schwarzlose- Maschinengewehr sind Oesterreich-Ungarn und Rumänien bewaffnet.

Das von dem Engländer Maxim erfundene Maschinengewehr (vgl. Fig. 1) ist ein Rückstoßlader. Beim Schuß wird der Lauf mit Verschluß etwa 25 mm zurückgestoßen. Hierbei wird der Verschluß durch ein Kniegelenk gegen den Lauf gesteift. Inzwischen hat das Geschoß die Mündung verlassen; der mit dem Kniegelenk verbundene Schloßhebel ist gegen eine Schrägfläche gelaufen, dadurch nach oben vorn herumgeworfen worden und hat das Kniegelenk eingeknickt, das Schloß vom Lauf fortgezogen. Beim Herumwerfen des Schloßhebels ist von ihm eine Kette aufgewickelt worden. Mit ihr ist eine Zugsender verbunden, die – sobald die Rückstoßarbeit beendet ist – sich wieder zusammenzieht. Die Kette wird wieder abgewickelt und wirst den Schloßhebel nach oben hinten zurück, so daß das Kniegelenk wieder gestreckt, der Verschluß gegen den Lauf gesteift wird. Bei der Rück- und Vorbewegung des Laufs wird der Patronenzuführer über dem Lauf bewegt. Er schiebt bei jedem Schuß den Patronengurt um eine Patrone von rechts nach links. Ein am Verschluß befindlicher Patronenträger faßt gleichzeitig die abzufeuernde Patrone im Lauf und eine neue Patrone im Gurt. Vom Verschluß mit zurückgenommen, zieht er die leergeschossene Hülse und die neue Patrone zurück, gleitet danach abwärts, so daß er beim Vorstoßen des Verschlusses die neue Patrone in den Lauf, die leergeschossene Hülse in ein Ausstoßrohr bringt. Im letzten Augenblick wird der Patronenträger wieder angehoben, danach die nach dem Schuß gespannte Schlagbolzenfeder gelöst, der nächste Schuß abgefeuert. Dies wiederholt sich, solange der Abzug in Abfeuerstellung gehalten wird.

Das Hotchkiß-Maschinengewehr ist ein Gasdrucklader, nach einer Erfindung des österreichischen Rittmeisters Freiherrn v. Odkolek gebaut. Frankreich, das Wert auf eine nationale Maschinengewehrwaffe legte (Hotchkiß, naturalisierter Franzose, † 1885 in Paris), hat das Hotchkißgewehr durch sein Infanterie-Konstruktionsbureau in Puteaux bei Paris und später in der staatlichen Gewehrfabrik von St. Etienne verschiedenen Verbesserungen unterzogen und rüstet die Truppen jetzt mit dem Maschinengewehr St. Etienne ℳ./07 (Fig. 2) aus. Das System zeigt folgende Einrichtung: Der verstärkte Gewehrlauf ist 43 cm von der Mündung mit einer nach unten gehenden Bohrung von etwa[510] 4 mm Durchmesser versehen. Ein Gaskanal führt von der Bohrung zu einer Gaskammer. In der Gaskammer läuft gleichliegend zum Gewehrlauf ein Kolben mit Kolbenstange; die Kolbenstange endet hinten in einer Zahnstange.

Sobald beim Schuß das Geschoß über die Laufbohrung hinweggleitet, schlägt ein Teil der Gase in die Gaskammer und flößt den Kolben nach vorn. Hierbei wird eine um die Kolbenstange liegende Spiralfeder zusammengedrückt und mittels der Zahnstange der Verschluß nach hinten geführt, geöffnet. Ist der Gasdruck beendet, so bewegt die sich dehnende Spiralfeder Kolbenstange und formt den Verschluß wieder in entgegengesetzter Richtung zum Schließen. Beim Oeffnen und Schließen wird die Patronenzuführung, der Auswerfer und der Schlagbolzen betätigt. Der Gasdruck kann durch einen Hahn am Gaskanal, die Feuergeschwindigkeit durch einen Hebel am Verschluß geregelt werden.

Das von dem deutschen Ingenieur Schwarzlose erfundene Maschinengewehr (Fig. 3) ist, wie das Maxim-Gewehr, ein Rückstoßlader. Aber während bei dem Maxim-Gewehr der Lauf zunächst mit dem Verschluß zurückgleitet, bis das Geschoß die Mündung verlassen hat, steht beim Schwarzlose-Gewehr der Lauf fest, der Verschluß gleitet allein zurück, und zwar sobald der Rückstoß den Widerstand einer Schließsender und eines Spanngelenks überwunden hat. Das tritt frühzeitig ein und zwingt zur Anwendung eines kurzen Gewehrlaufs, zum Gebrauch von Randpatronen und eines besonderen Patronenölers. – Von besonderer Bedeutung ist die Laufkühlung. Maxim und Schwarzlose wenden Wasserkühlung, Hotchkiß Luftkühlung an. Bei der Wasserkühlung ist der Lauf von einem Mantel – meist aus Stahlblech – umgeben, der mit etwa 4 l Wasser gefüllt wird. Dadurch wird die Waffe schwer. Beim Schießen wird das Wasser nach etwa 600 Schuß zur Dampfentwicklung gebracht, der Dampf muß abgeleitet werden, kann die Aufstellung verraten, das Wasser muß ergänzt werden. Bei der Luftkühlung ist der Lauf von Ausstrahlrippen (Radiatoren) bezw. von einem besonders geformten Mantel aus Aluminiumbronze (St. Etienne, M./07) umgeben, wodurch die Wärmeableitung befördert wird. Das Gewicht ist geringer, Wasser ist nicht unbedingt erforderlich (Kolonien!), die Aufstellung kann nicht durch ausströmenden Dampf verraten werden. Jedoch ist diese Art der Kühlung unzureichend, Dauerfeuer greift durch die starke Erhitzung des Laufs und der Schloßteile die Waffe übermäßig an, öfterer Lautwechsel wird notwendig, ist aber schwierig, die Treffgenauigkeit der Waffe läßt nach. – Versuche, den Lauf mit einem Mantel von chemischer Kühlsubstanz zu umgeben oder dem Mechanismus ein Gebläse einzuordnen, das nach jedem Schusse einen Luftstrom durch den Lauf flößt, ferner einzelne Patronen mit flüssiger Luft oder Kohlensäure von Zeit zu Zeit zu verfeuern, haben bisher kein brauchbares Ergebnis gehabt. Dagegen scheint der Vorschlag, einen Laufmantel an der Mündung als Düse auszugestalten, so daß jeder Schuß die zwischen Lauf und Mantel befindliche Luft mitreißt und dadurch einen stark kühlenden Luftstrom erzeugt, aussichtsvoll. Die Düse könnte als Schalldämpfer ausgestaltet werden. Bei dem neuesten Maschinengewehr der Firma Vickers soll sich eine Einrichtung, die das Kühlwasser dauernd in Fluß hält, bewährt haben.

Neuerdings werden die Maschinengewehre mit Visierfernrohren versehen. Wenn dadurch auch infolge der Erschütterungen beim Schießen das Zielen nicht erleichtert und an Zielgenauigkeit nur wenig gewonnen wird, sind sie doch wertvoll, weil sie das Auffinden des Ziels und die Beobachtung der Garbe dem Richtschützen erleichtern, sein Auge beim Dauerfeuer weniger ermüden. Meist werden Prismengläser angewendet mit Strichplatte, welche die Visiereinteilung enthält. – Zum Zuführen der Patronen sind Patronengurte, -streifen oder -rahmen in Gebrauch. Die Gurte, meist für je 250 Patronen, erleichtern das Dauerfeuer, geben zu Ladehemmungen weniger Anlaß, ihre Bedienung erfordert aber die dauernde Aufmerksamkeit eines Mannes; sie müssen gegen Feuchtigkeit besonders geschützt werden, weil sie sonst quellen. Die Ladestreifen, neuerdings meist aus Stahlblech, enthalten in der Regel 25 Patronen. Die zum Halten der Patronen eingestanzten Krammen verbiegen sich leicht, brechen unter Umständen ab und verursachen dadurch Ladehemmungen. Laderahmen, ebenfalls zu 25 Patronen, vermehren das tote Gewicht und beanspruchen mehr Raum. Das notwendige Auswechseln verringert die Feuergeschwindigkeit.

Die große Wirkung des Maschinengewehrfeuers beruht auf seiner Treffgenauigkeit, die in hohem Maße von der Lafettierung der Waffe abhängt. Die Lafettierung wieder wird durch die Art bedingt, in welcher die Waffe fortgeschafft wird. Die meisten Staaten befördern die Maschinengewehre auf Tragetieren und haben den Dreifuß als Schießgestell. Er läßt sich zusammenlegen und bequem verpacken. Beim sitzenden Anschlag ist er standfest, besonders weil der Richtschütze ihn belastet, weniger standfest ist er in dem häufigen liegenden Anschlag. Er gewährt freies Gesichts- und großes Seitenrichtfeld. Er ist aber empfindlicher (Verbiegen, Verschmutzen),[511] und vor allem leidet die Feuerbereitschaft, denn Waffe und Gestell werden getrennt fortgeschafft. Wird das Maschinengewehr auf einem Wagen befördert, wie z.B. im deutschen Heer, so wendet man die sogenannte Schlittenlafette an. Gewehr und Gestell sind dauernd verbunden und deshalb schnell feuerbereit, im liegenden Anschlag ruht die Waffe ebenso fest wie in kniender oder sitzender Stellung. Teilweise sind Dreifuß- sowohl wie Schlittenlafette mit zwei kleinen Rädern versehen (russische Lafette von. Oberst Sokolow), um das Fortschaffen auf kürzere Strecken im Gefecht zu erleichtern. Bei fester Aufstellung auf Kraftwagen (gegen Luftziele), in Festungen und auf Kriegsschiffen ist das Gewehr auf eine Drehsäule gesetzt.

Neuerdings versteht man die Maschinengewehre mit Schilden (Oesterreich, Rußland, Holland). Ihre Wirkung und Ausdauer kann dadurch erhöht werden, die Beweglichkeit wird durch das Gewicht verringert, ihre Sichtbarkeit vergrößert. Vielfach wendet man daher lose Schilde an, die neben den Gewehren liegend – nur im Bedarfsfälle (gegen Artillerie- und Infanterienahfeuer) an der Lafette befestigt werden. Im Festungskrieg empfiehlt sich die Ausstattung der für den Nahkampf bestimmten Gewehre mit Schilden, weil dort die Sichtbarkeit nicht zu vermeiden und große Beweglichkeit nicht erforderlich ist. Das Schildgewicht schwankt zwischen 30 und 40 kg. – Was das Fortschaffen der Maschinengewehre anbetrifft, so bieten vierräderige Fahrzeuge die Möglichkeit, mit möglichst wenigen Pferden auszukommen, und gewähren große Feuerbereitschaft. Die Verpackung auf Tragetieren, die von Leuten zu Fuß an der Hand geführt werden, verlängert die Marschkolonne, verbietet ein beschleunigtes Instellunggehen und erfordert bei gleicher Ausstattung mit Patronen und Vorratsteilen eine größere Zahl von Tieren, weil jedes nur mit etwa 120 kg belastet werden und demnach nur etwa 1800 Patronen tragen kann. Auf den Wagen der deutschen Maschinengewehrkompagnien werden außer dem Gewehr und Zubehör je 8000 Patronen befördert, auch können außer dem Fahrer drei Mann aufsitzen. Dagegen können an der Hand geführte Tragetiere schwieriges Gelände besser überwinden als Wagen, sind im Marsch schwerer zu erkennen und finden leichter Deckung. Beschädigungen der Tragetiere durch Satteldruck, die früher gegen diese Art des Fortschaffens geltend gemacht wurden, lassen sich durch geeignete Packsättel einschränken. Werden, bei Kavalleriemaschinengewehrabteilungen, die Tragetiere von Berittenen geführt, so sind sie durch ihre Beweglichkeit den mit Wagen ausgestatteten überlegen. Beim Fortschaffen auf Kraftwagen ist die Waffe meist an die Wege gebunden, auch steht der Kraftaufwand nicht im Verhältnis zur Wirkung. In Frankreich, Dänemark und Belgien ist man seit einiger Zeit in Versuche eingetreten, die Maschinengewehre auf Fahrrädern zu befördern. Für jedes Gewehr werden drei Fahrräder – je eins für die Waffe selbst, das Richtgestell und den Dreifuß –, für je 800 Patronen ebenfalls ein Fahrrad benötigt, so daß ein Zug von zwei Gewehren auf 21 Fahrrädern fortgeschafft werden kann (an Tragetieren sind für die gleiche Ausstattung neun notwendig).

Neben diesen 50–60 kg schweren und mehrere Mann Bedienung erfordernden Maschinengewehren sind in letzter Zeit sogenannte Schulter- oder leichte Maschinengewehre (»Fusils mitrailleuses«) von Hotchkiß, Bergmann, Freiherrn v. Odkolek und Skoda angeboten worden, die ähnlich wie das dänische Madsen-Gewehr nur 8–10 kg wiegen und billig sind. Sie sollen auch im Marsch vom Manne getragen werden, unter Umständen zur Bewaffnung von Flugzeugen, Luftschiffen, der Artillerie, der Trains und Kolonnen dienen. In Rücksicht auf das Gewicht kann die Laufkühlung nur unzureichend sein, an Stelle einer Lafette begnügen sie sich mit einer Laufstütze, die Treffsicherheit ist infolgedessen bedeutend geringer als bei den eigentlichen Maschinengewehren. Auch die Patronenausstattung kann nur beschränkt sein. Sie sollen daher die Maschinengewehre nicht ersetzen, sondern die Feuerkraft der Infanterie erhöhen, gegebenenfalls durch eine Teilausrüstung mit ihnen eine Gesamtausrüstung mit Selbstladegewehren unnötig machen.


Literatur: [1] Maschinengewehre, ihre Technik und Taktik. Neueste Fortschritte, Jahrg. 1912. Von Major A. Fleck, Berlin 1913, E.S. Mittler & Sohn. – [2] Hauptmann Braun, Das Maxim-Maschinengewehr und seine Verwendung, Berlin 1905. – [3] Oberleutnant s. Binder, Das Maschinengewehr, Budapest 1907. – [4] Leutnant Dupeyré, »Nos mitrailleuses«, Paris-Nancy 1912, Berger-Levrault. – [5] Budajewski, Leitfaden zum Maschinengewehr. – [6] Korzen-Kühn, Waffenlehre, Band Maschinengewehre, Wien 1905. – [7] Guide, »Etude sur les mitrailleuses«, Paris 1907. – [8] Korzen, Das neue Maschinengewehr ℳ./7, System Schwarzlose, Wien 1908. – [9] Réglement provisoire sur les sections de mitrailleuses d'infanterie, II, Paris 1912.

Wille.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 510-512.
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