[124] Bodenbonitierung, Feststellung der Beschaffenheit oder Güte (Bonität) der Grundstücke, zur Ermittelung ihres Wertes für die Güterabschätzung (s.d.), Grundsteuereinschätzung, Grundzusammenlegung, Grundteilung, Enteignung für Grundtausche, Belehnungen etc., sowie der Ermittelung der Kultur- und Ertragsfähigkeit zum Zwecke der Betriebsorganisation (s. Landwirtschaftliche Betriebseinrichtung). Die Bonität der Grundstücke hängt ab von der Beschaffenheit von Boden, Lage und Klima oder der Standortsbeschaffenheit. Sie wird je nach dem beabsichtigten Zweck ermittelt durch eine vollständige Reinertragsberechnung (s. Landwirtschaftlicher Wirtschaftsertrag) oder durch Einschätzung in ein aufzustellendes Bonitierungs- (Wertschätzungs-) oder Klassifikationssystem, aus dem die Abstufungen und das gegenseitige Wertverhältnis der Grundstücksbonitäten zu entnehmen sind. Im letztern Falle wird jedes Grundstück einzeln abgeschätzt, oder man begnügt sich entsprechend den vorkommenden Bonitäten mit der Ausstellung von Mustergrundstücken, deren Wert genau erhoben wird, während die große Masse der Grundparzellen nur dem entsprechenden Mustergrundstück zugezählt wird. Bonitierungssysteme wurden für die einzelnen Kulturarten, Acker, Wiese, Weide etc., gesondert aufgestellt. Für Ackerland wurden solche Klassifikationssysteme nach der Bodenbeschaffenheit (physikalische), dem Bodenertrag (ökonomische) oder nach beiden Momenten (allgemeine Klassifikation) aufgestellt. Von der physikalischen Klassifikation entspricht für praktische Zwecke jene nach der mineralogisch-geognostischen Beschaffenheit (Fallou, Hundeshagen, Orth etc.) sowie nach den chemischen und physiologischen Eigenschaften des Bodens (Fraas, Knop) am wenigsten, am verbreitetsten ist jene nach der Zusammensetzung der Bodengemengteile (Thaer, v. Schwerz, Trommer, Sprengel, Detmer).
Von den Methoden der ökonomischen Klassifikation ist am gebräuchlichsten jene von Thaer nach den Hauptfrüchten mit den Bezeichnungen: Weizen-, Gerste-, Roggen-, Haferboden mit je zwei Unterabteilungen, so daß acht Klassen entstehen, an die man in Preußen noch heute gewöhnt ist. Dort umfaßt ungefähr: die 1. Klasse die besten Weizenböden, d. h. tiefgründige, humushaltige Ton- oder Lehmböden mit gleichartigem Untergrunde; die 2. Klasse weniger humose und weniger tiefgründige Weizenböden; die 3. Klasse Gerstenböden, d. h. tiefgründige, milde Lehmböden bis lehmige Tonböden mit gleichem oder mergeligem Untergrunde; die 4. Klasse leichtere Gerstenböden, die sandigen Lehm- oder lehmigen Sandböden; die 5. Klasse Haferböden, d. h. magere Lehm- und Sandböden; die 6. Klasse flachgründige, arme Lehm- und Sandhaferböden auf undurchlässigem Untergrund oder sehr strenge Tonböden; die 7. Klasse Roggenböden, d. h. kiesige, humusarme, flachgründige Sandböden oder torfigen Boden mit wenig Sand gemischt, Unterlage Torf oder Sand; die 8. Klasse an der Grenze der Kulturfähigkeit stehende arme, lose Sand- bis Flugsandböden, bringt nur spärliche Roggenerträge. Sehr einfach ist die Charakterisierung der Bodenklassen, nicht nach dem Gedeihen der verschiedenen Getreidearten, sondern allein nach dem Körnergewichtsertrag. Hecke stellt in dieser Beziehung 15 Ertragsklassen auf, von denen Klasse I: 32 und mehr Doppelzentner Körner auf 1 Hektar trägt und die weitern Klassen um je 2 dz weniger, so daß auf Klasse XV ein Körnerertrag von 4 dz entfällt. Schönleutner unterschied kleefähigen und nichtkleefähigen Boden, bei ersterm Luzerne-, Rotklee-, Esparsetteboden mit Unterabteilungen. Andre meinten die Graswüchsigkeit (den natürlichen Grasertrag beim Liegenlassen zur Wiese) gebrauchen zu können. Obige Bezeichnungen sagen natürlich nicht, daß nur die gewählten Pflanzen, z. B. Weizen oder Rotklee, wachsen können, sondern daß diese hier ihren besten Standort haben, und damit hat der Landwirt einen ihm verständlichen Maßstab zur Beurteilung. Auch[124] die wildwachsenden Pflanzen suchte man zu verwerten und teilte sie in bodenstete, bodenholde und bodenvage (den Boden fliehende, nicht hier wachsende) Pflanzen oder in Kalkpflanzen etc. Da die physikalische und die ökonomische Klassifikation nicht ausreichen, wurde in neuerer Zeit der allgemeinen Klassifikation nach Bodenbeschaffenheit und Bodenertrag erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet. In dieser Richtung sind hervorzuheben die kombinierten Bonitierungssysteme von Settegast, Heinrich und insbes. die Geschäftsanweisung zur Abschätzung des Grundeigentums im Königreich Sachsen, dann die synthetischen Bonitierungssysteme von Birnbaum und Krafft. Vgl. außer der Literatur unter »Güterabschätzung«: Birnbaum, Taschenbuch zum Bonitieren (Leipz. 1885); Block und Birnbaum, Die wichtigsten Klassenbeschreibungen (4. Aufl., Bresl. 1886); Knop, Bonitierung der Ackererde (2. Aufl., Leipz. 1872); Machts, Klassifikation des Acker- und Wiesenlandes (Wien 1875); Settegast, System der Ackerklassifikation, Tabelle (Bresl. 1885); Eichholtz, Die Bodeneinschätzung (Berl. 1900). Das bedeutendste Werk auf dem Gebiete der Bonitierung bildet die geologisch-agronomische Bodenkarte von Preußen und den Thüringischen Staaten, samt Erläuterungsheften und Bohrkarten (Berl.).