Dodōna

[78] Dodōna, berühmtes Heiligtum des Zeus im alten Epirus, lag am Berg Tomaros in der Landschaft Hellopia, ca. 18 km südwestlich von Janina im heutigen Tal von Tscharakovista, beim Dorf Alpochori, wo es 1875 der Grieche K. Karapanos auffand. Der Sitz des Gottes, neben dem als sein Weib auch Dione (s. d.) verehrt wurde, war eine heilige Eiche mit eßbaren Früchten, und aus dem Rauschen ihrer Wipfel wie aus dem Gemurmel der heiligen Quelle, die an ihrem Fuß entsprang, deutete man seinen Willen; erst in der Folge kam dazu eine künstlichere Art der Weissagung vermittelst des sogen. dodonäischen Erzes, eines Weihgeschenkes der Kerkyräer in Form eines Beckens. Der dodonäische Zeus genoß im frühen Altertum die ausgebreitetste Verehrung; selbst Krösus schickte Gesandte zu diesem Orakel. Auch neben Delphi behielt D. den Ruf seiner Heiligkeit, insbes. bei den Bewohnern der Westküste von Hellas. Die Athener wendeten sich namentlich hierher, wenn ihnen die Pythia wegen ihrer Hinneigung zu den Doriern verdächtig erschien, z. B. vor dem Zug nach Sizilien. Mit dem Emporblühen des molossischen Reiches im Anfang des 4. Jahrh. v. Chr. erhob sich D. noch einmal zu neuem Glanz, doch nur bei den westlichen Stämmen. Im Kriege der Ätolier gegen Makedonien steckte der ätolische Feldherr Dorimachos die Hallen in Brand, vernichtete die Weihgeschenke und zerstörte den Tempel (219 v. Chr.). Auch die Römer verheerten im zweiten Makedonischen Krieg diese Gegenden. So war zu Strabons Zeit (20 n. Chr.) das Orakel verschwunden; dagegen berichtet Pausanias, daß zu seiner Zeit (2. Jahrh. n. Chr.) dasselbe wiederhergestellt gewesen sei, auch die alte Eiche, der älteste Baum Griechenlands, noch gestanden habe. Zu Claudianus' Zeit (400 n. Chr.) war das Orakel verstummt; indes wird noch 516 ein Bischof von D. genannt. Die Ruinen umfassen: 1) die Akropolis, ein unregelmäßiges Viereck, mit Mauern von 3,25–5,8 m Dicke und einem einzigen Tor; 2) das Theater, südöstlich davon, eins der größten und besterhaltenen Griechenlands, an den Hügelabhang gelehnt und nach S. zu offen, mit 45 Sitzreihen in zwei Rängen, deren unterer 29 Reihen umfaßt, während der obere deren 16 hat; 3) die heilige Umfriedigung, östlich vom Theater, südöstlich von der Akropolis, ein sehr unregelmäßiges Oblongum von 225 m Länge und durchschnittlich 130 m Breite. Die nördliche Hälfte liegt etwas höher und enthält Reste eines Zeustempels und zweier wahrscheinlich für Zwecke des Orakels bestimmter Gebäude. Die südliche Hälfte, 110 m lang, 105 m breit, ist von Doppelmauern umgeben und umschließt ein Aphrodite-Heiligtum und zahlreiche Postamente von Weihgeschenken, Statuen etc. Die Ausgrabungen ergaben außer zahlreichen Bronzefiguren etc. 24 bronzene Weihgeschenke an den dodonäischen Zeus, an Dione und Aphrodite (mit Inschriften), 45 Inschriften auf Kupfer- und Bronzetafeln, 662 Münzen, dazu Tempelgeräte, Waffenstücke u.a. Das wichtigste aber ist eine einzig dastehende Sammlung von 84 Inschriften auf Bleitäfelchen, die Anfragen an das Orakel und einige nicht zu enträtselnde Antworten desselben enthalten und von hohem kulturgeschichtlichen Interesse sind. Nicht nur Städte und Völker, wie z. B. die Tarentiner und ein epirotischer Stamm, bitten darin das Orakel um Rat für ihr politisches Verhalten, sondern auch die nichtigsten Privatangelegenheiten, wie Wäschediebstähle und bevorstehende Entbindungen, werden dem Gott vorgetragen. Vgl. K. Karapanos, Dodone et ses ruines (Par. 1878, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 78.
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