Elfen

[704] Elfen (richtiger Elbe; altnord. álfar, angels. ylfe, engl. elves, schwed. alfer, dän. elver, alt- und mittelhochd. elbi, elbe, im Singular: der alp), dämonische Wesen, ursprünglich wohl die im Luftreiche fortlebenden Seelen der Verstorbenen, in denen aber später die in der Natur wirksamen Kräfte, soweit diese dem Menschen segensreich waren, ihren mythischen Ausdruck fanden, während die schädlichen, zerstörenden Elemente in den Riesen verkörpert wurden. Die ältern Quellen berichten wenig von ihnen, doch unterscheidet schon die prosaische Edda zwei Gattungen von E., die Lichtelfen (ljósálfar) und die Dunkelelfen (dokkálfar, svartálfar): die ersten wohnen in Alfheim, das im Himmel liegend gedacht wird, stellen also die segenspendenden Kräfte des Lichtes und des atmosphärischen Nasses dar (daher auch der Wanengott Freyr ihr Gebieter ist); die letzten hausen in der Erde und sind zweifelsohne mit den Zwergen identisch. Weit redseliger ist die spätere Volkssage der germanischen (und keltischen) Völker, die überall die nämlichen Züge von den E. erzählt. Hiernach sind die E. ein mit übernatürlichen Fähigkeiten und glänzender Schönheit ausgestattetes Volk, das zwar dem Tod unterworfen, aber weit langlebiger ist als die Menschen, sich unsichtbar machen kann oder doch nur für Leute mit besonderer Begabung sichtbar ist etc. Als König der E. gilt im Mittelalter der dem deutschen Alberich entsprechende Oberon (s. d.). Dem Menschen sind die E. im allgemeinen wohlgesinnt und zeigen sich dankbar für erwiesene Wohltaten (namentlich für Hilfe in Kindesnot); dagegen pflegen sie Beleidigungen grausam zu rächen (besonders durch Krankheiten, die sie über Menschen und Vieh bringen). Ihre Wohnung haben sie gewöhnlich in Erdhügeln, die man bei Nacht oft hell erleuchtet sieht, und in denen sie bevorzugte Menschen an ihren Festen und Gelagen teilnehmen lassen. Nicht selten gehen sie auch mit Menschen Verbindungen ein, und die aus solchen Ehen entsprossenen Kinder pflegen sich durch besondere Begabung auszuzeichnen. Die Vorliebe der E. für das Menschengeschlecht zeigt sich auch darin, daß sie gern ungetaufte Kinder stehlen und dafür ihre eignen zurücklassen; doch kann man sich von dem Wechselbalge dadurch befreien, daß man ihn züchtigt oder irgend eine seltsame Hantierung in seiner Gegenwart vornimmt,[704] da er dann gewöhnlich seiner Verwunderung Ausdruck gibt und sich dadurch verrät. Im allgemeinen wird den E. die Seele abgesprochen; einige Sagen schreiben ihnen jedoch sogar die Abhaltung von gottesdienstlichen Handlungen zu. Auch staatliche Einrichtungen haben sie nach einigen Erzählungen mit den Menschen gemein: sie stehen unter Königen, halten Gerichte ab etc. Zahlreiche Märchen und Volkslieder wissen von den E. zu erzählen; auch die neuere Poesie hat ihr Treiben gern zum Gegenstande der Darstellung gewählt (Shakespeares »Sommernachtstraum«, Wielands »Oberon«, Goethes »Erlkönig«, Heibergs »Elverhöj« etc.). Vgl. E. H. Meyer, Germanische Mythologie (Berl. 1891), wo sich auch zahlreiche Literaturangaben finden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 704-705.
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