Elbe [1]

[593] Elbe (bei den Römern Albis, tschech. Labe), einer der Hauptströme Deutschlands und der wichtigste Fluß Norddeutschlands, entspringt in Böhmen auf dem Kamme des Riesengebirges, im Elbbrunnen, westlich vom Hohen Rad, in 1346 m Höhe, stürzt bald als Elbfall 50 m tief in den Elbgrund und verstärkt sich hier durch die von links kommenden Gewässer der Sieben Gründe und durch das Weißwasser. Der auf dieser kurzen Strecke schon recht wasserreiche Fluß wendet sich nun nach S., durchbricht den südlichen oder böhmischen Kamm des Riesengebirges und stürzt durch eine tiefe Wildnis zwischen steilen Wänden den Gebirgsabhang hinunter. Bei Hohenelbe (484 m) tritt er aus dem Gebirge, das bis dahin starke Gefälle mäßigt sich, er ist aber wasserreich genug, um zum Holzflößen zu dienen. Von Hohenelbe fließt die E. zuerst nach SO., dann nach S. und empfängt auf dieser Strecke mit flachen Ufern von links her die Aupa und Mettau (zwischen Iaroměř und Josephstadt) und die Adler (bei Königgrätz). Am Südrande des Elbkessels bei Pardubitz wendet sich der Fluß aus der Südrichtung nach W. und oberhalb Brandeis, nachdem die Iser zugeflossen ist, nach NW. Bei Melnik vereinigt sich die E. mit der Moldau, dem Hauptfluß Böhmens, und wird schiffbar, weiterhin bei Leitmeritz nimmt sie die Eger auf. Nicht weit unterhalb der Egermündung, von Lobositz an, werden die Ufer hoch und felsig, das Tal eng; der Fluß beginnt zwischen dem Mittelgebirge durchzubrechen, und die romantische Talsenke nimmt ihren Anfang, die erst am Ausgang des sächsischen Berglandes, bei Meißen, völlig endigt. Auf dieser Strecke geht dem Fluß noch in Böhmen links die Biela (bei Aussig), rechts der Polzen (bei Tetschen) zu. Von Aussig an nach einer starken Krümmung in nördlicher Richtung fließend, erreicht die E. bei Herrnskretschen die böhmische Grenze und tritt nach dem Durchbruch des Elbsandsteingebirges in Sachsen ein. Ihre Breite beträgt hier bereits 130 m. In nordwestlicher Hauptrichtung, aber mehrfach gewunden, durchfließt sie hier zunächst die sogen. Sächsische Schweiz (s. d.), wo sich die steilen Sandsteinwände fast bis zu 300 m Höhe erheben, und tritt dann, 216 m breit, in den Talkessel von Dresden. Der Strom empfängt auf dieser Strecke rechts die Sebnitz und Wesenitz, links die Müglitz und Weißeritz. Das Elbtal unterhalb Dresden bis Meißen, wo links die Triebisch mündet, ist auch hier noch immer ein Durchbruchstal mit bedeutenden Uferwänden.

Darauf tritt der Fluß in das Tiefland und strömt, die nordwestliche Richtung beibehaltend, bis gegen Wittenberg in breitem, flachem Tal. Seine Breite beträgt bei Torgau 316 m. Noch oberhalb Wittenberg, wo die Schwarze Elster mündet, wendet sich der Strom, von dem herantretenden Höhenrücken des Fläming gedrängt, (bis Aken) nach W.; aber von Aken bis Magdeburg fließt er wieder in nordwestlicher Richtung. Die Richtung wird von Magdeburg an, wo er 242 m breit ist, bis zur Havelmündung nordnordöstlich; unterhalb der Stadt durchsetzen zum letztenmal Felsenriffe (von Rotliegendem) das Flußbett. Von Tangermünde (32 m ü. M.) an abwärts beginnt Inselbildung. An Nebenflüssen empfängt die E. auf der Strecke von Wittenberg bis zur Havelmündung: links die Mulde, Saale und Ohre, rechts die Ehle, Ihle, den Plaueschen Kanal, der die Havel mit der E. verbindet, und die Havel. Von deren Mündung (22 m ü. M.) an verfolgt der Strom wieder die nordwestliche Hauptrichtung und durchfließt, über 500 m breit, erst in gewundenem Laufe, dann langgestreckt die Senke zwischen dem Landrücken der Lüneburger Heide und der Mecklenburger Seenplatte. Der Wasserspiegel liegt bei Wittenberge 20, bei Lauenburg 5 und bei Hamburg noch 1 m ü. M. Oberhalb Hamburg (s. Plan »Umgebung von Hamburg«) beginnt sich die E. zu teilen. Der stärkste, südliche Arm zerspaltet sich oberhalb Harburg in die Süderelbe und die nach N. und bei Hamburg vorbeigehende Norderelbe, die von SO. die die Gewässer aus den Vierlanden ableitende Dove- und Goseelbe aufnimmt. Das Gebiet zwischen Harburg und Hamburg ist ein Gewirr von Flußarmen und Flußinseln. Endlich bei Blankenese, wo das rechte Ufer noch einmal schön und malerisch wird, sind alle Arme wieder vereinigt, und der Strom ist 3 km breit. Weiter abwärts erweitert er sich immer mehr: so beträgt seine Breite unterhalb Brunsbüttel 7 km und an der Mündung bei Kuxhaven 15 km. Doch hat bei der Menge der Sandbänke und Untiefen das eigentliche, 7,5–9 m tiefe Fahrwasser nur eine geringe Breite und ist sorgsam bezeichnet. Die Flut steigt 165 km weit in die E. hinauf, bis Geesthacht oberhalb Hamburg; bei und in Hamburg ist sie 1,8 m, bei Kuxhaven 3 m hoch. Der Seeschiffe tragende Niederhafen Hamburgs hat bei der Ebbe 2,5–6, bei der Flut 4,5–7 m Wasser. Auf der untersten Strecke der E. (von der Havelmündung an) gehen derselben zu: rechts die Stecknitz, Elde, Bille, Alster und Stör (bei Wevelsfleth), links der Aland, die Jeezel, Ilmenau und Oste. S. Karte »Oldenburg«.

Die gesamte Länge der E. beträgt 1165 km, wovon 383 km auf Böhmen, 124 auf das Königreich Sachsen und 562 km auf Preußen kommen; von Melnik in Böhmen ab ist sie 866 km, für Seeschiffe bis Hamburg hinauf 142 km schiffbar. Ihr Stromgebiet umfaßt 147,320 qkm (2676 QM.), wovon 96,300 qkm (1749 QM.) auf das Deutsche Reich und 51,020 qkm (927 QM.) auf Österreich kommen. Die E. ist sehr fischreich, teils an Seefischen, die aus der See herauskommen, um zu laichen, teils an Flußfischen, unter denen Hausen, Weise, Lachse, Neunaugen, Hechte, Aale, Schnäpel etc. die bemerkenswertesten sind.

Für die Schiffahrt ist zwar der Rhein in vielen Beziehungen bedeutender als die E.; indessen hat diese den großen Vorzug, daß ihre Wasserstraße fast ausschließlich deutsches Gebiet durchzieht und direkt in das Meer mündet, auch in ihrem Unterlauf durch Wasserfülle und günstige Lage (die ankommenden Schiffe werden von den vorherrschenden Westwinden direkt in die E. hineingeführt) den überseeischen Verkehr erleichtert. Zudem wird das Fluß- und Handelsgebiet der E. nach beiden Seiten hin beträchtlich erweitert durch die schiffbaren Nebenflüsse, insbes. die Saale, Havel (Finow- oder Havel-Oderkanal und Plauescher Kanal), die Spree (Müllroser, Oder-Spreekanal) und die Stecknitz (Elbe-Travekanal). Gleichwohl wurde die Schiffahrt der E. lange Zeit durch mannigfache natürliche Hindernisse wie durch drückende Stapelrechte und hohe Zölle an gedeihlicher Entwickelung gehindert.

Was die Zölle betrifft, so gab es zur Zeit des alten Deutschen Reiches auf der E. von Melnik bis nach Hamburg nicht weniger als 35 Zollstätten und außerdem noch Stapel- und Umschlagsrechte, Repressalienzölle etc. Nachdem die E. von 1804–15 infolge des Krieges und ded Kontinentalsystems so gut wie geschlossen war, wurden endlich durch die Wiener Kongreßakte[593] allgemeine freie Grundsätze über die Flußschiffahrt aufgestellt. Erst 1819 erfolgte zu Dresden der Zusammentritt einer Elbschiffahrtskommission, welche die sogen. Elbschiffahrtsakte vom 21. Juni 1821 zum Abschluß brachte. Die dabei beteiligten Staaten waren Österreich, Sachsen, Preußen, die anhaltischen Herzogtümer, Hannover, Mecklenburg, Hamburg und Dänemark (für Holstein und Lauenburg). Nach diesem Vertrag sollte die Schifffahrt auf der E., von Melnik bis in die offene See und umgekehrt, für den Handel völlig frei sein. Dagegen ward eine Schiffahrtsabgabe eingeführt, teils von der Ladung (Elbzoll), teils von den Fahrzeugen (Rekognitionsgebühr); jedoch wurde durch diese in der Tat nur eine durchschnittlich bedeutend vermehrte Zollbelastung des Elbverkehrs herbeigeführt. Mit der Zeit traten mancherlei Erleichterungen ein, vorzugsweise seitens Preußens, Österreichs und Sachsens; dagegen sträubten sich Hann over und Mecklenburg bis zur Neubegründung der deutschen Staatsverhältnisse hartnäckig gegen jede Erfüllung der Verpflichtung zur Herabsetzung des Tarifs. Die sogen. Additionalakte vom 13. April 1844 bestimmte die herzustellende Tiefe des Fahrwassers und hob die Rekognitionsgebühr von den Fahrzeugen auf, dagegen ward der Normalzoll auf 33 Sgr. 11 Pf. für den Zollzentner erhöht. Die fünfte Elbschiffahrts-Revisionskommission beschloß endlich, daß vom 1. Juni 1863 an für sämtliche Uferstaaten nur ein Zoll, und zwar in Wittenberge, erhoben werden sollte. Die Dauer dieser Übereinkunft wurde auf zwölf Jahre festgesetzt, vom 1. Jan. 1863 an gerechnet, aber bald durch die politische Neugestaltung Deutschlands gelöst. Durch das Bundesgesetz vom 11. Juni 1870 wurde bestimmt, daß die Erhebung des Elbzolles spätestens 1. Juli 1870 aufhören und aus den Mitteln des Bundes eine Entschädigung an Mecklenburg-Schwerin und Anhalt gewährt werden sollte. Der Stader oder Brunshäuser Zoll war bereits 1861 durch eine an Hannover gezahlte Entschädigung von 2,857,338 Tlr. für die kontrahierenden Staaten für immer aufgehoben worden. Zum Schutz der Elbmündung sind fünf Schanzen erbaut, eine an der Mündung der Schwinge bei Stade, eine, Grauerort genannt, 4 km unterhalb derselben und drei bei Kuxhaven.

Der Schiffahrtsverkehr auf der E. hat sich, begünstigt durch die Leistungen der deutschen Elbschifffahrtsgesellschaft »Kette«, deren Tätigkeit sich auf den ganzen Strom erstreckt, durch neue Hafenanlagen, darunter den Bau eines geräumigen Winterhafens und eines großen Flußhafens in Magdeburg, und durch Kanalverbesserungen sehr gehoben. Er dient teils dem Personen-, teils dem Güterverkehr; doch beschränkt sich der erstere, die Unterelbe ausgenommen, vorzugsweise auf die Strecke zwischen Riesa und Leitmeritz. Die Sächsisch-Böhmische Dampfschiffahrtsgesellschaft befördert dort jährlich etwa 11/2 Mill. Passagiere, meist Touristen, Badegäste u. Vergnügungsreisende. Die Zollgrenze bei Schandau passierten 1901 auf der Bergfahrt 7977 (2557 beladene), auf der Talfahrt 11,138 (8304 beladene) Schiffe. Das Gewicht der beförderten Güter belief sich auf 2,979,000 Ton., dazu 333,000 T. Floßholz. In Magdeburg betrug die Zahl der überhaupt angekommenen Schiffe 6059 mit einer Ladung von 1,260,0002., dazu 27,000 T. Floßholz. Die Oberelbe bei Hamburg passierten 1901 zu Berg 23,071 Schiffe mit 2,904,000 T. Ladung, zu Tal 26,534 Schiffe mit 5,242,000 T. Ladung, dazu 21,000 T. Floßholz. – Die Flotte der E. ist größer als die jedes andern deutschen Flusses. Die Gesellschaft »Kette« zählte 1902: 26 Ketten-, 12 Rad-, 9 Eilgut- und 7 Hafendampfer, 85 Frachtschiffe, 8 Leichterschiffe etc. Das Gewicht der durch die Gesellschaft beförderten Güter betrug zu Berg 3,560,871, zu Tal 6,818,148 dz. Die Segelfahrzeuge der E. sind mit 86,9 m Länge von allen Flußfahrzeugen die längsten.

Vgl. »Der Elbstrom, sein Stromgebiet und seine wichtigsten Nebenflüsse. Hydrographische, wasserwirtschaftliche und wasserrechtliche Darstellung«, im Auftrag der deutschen Elbuferstaaten herausgegeben von der königlichen Elbstrombauverwaltung in Magdeburg (Berl. 1899, 3 Bde. mit Tabellenband u. Atlas); Statistik des Deutschen Reichs, neue Folge, Bd. 39: »Stromgebiete des Deutschen Reiches, hydrographisch und orographisch dargestellt, 2. Teil: Gebiet der Elbe etc.« (das. 1900); »Die Elbzölle. Aktenstücke und Nachweise 1814 bis 1859« (Leipz. 1860); Weißenborn, Die Elbzölle und Elbstapelplätze im Mittelalter (Halle 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 593-594.
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