[60] Freidenker (Freigeist), ein Mensch, der sich in Beurteilung der höchsten Lebensfragen, namentlich auf religiösem Gebiet, an keine Autorität und kein Herkommen bindet. Als F. bezeichnete man zuerst in England nach dem Vorgang von Anthony Collins (»Discourse of freethinking«, Lond. 1713) sowie von Hume, Blunt, Toland u. a. diejenigen, die zwar die kirchlichen Zustände Englands scharf und oft spöttisch angriffen, aber an dem Glauben an einen Gott festhielten (s. Deïsmus), während die französischen F., wie Voltaire und Rousseau, dann die Enzyklopädisten, mit der Zeit zu völligem Atheismus gelangten. In Deutschland, wo das Freidenkertum unter französischem Einfluß Boden gewann (Strauß, Feuerbach), nahm die Zahl seiner Anhänger seit Wiederherstellung des orthodoxen Kirchentums bedeutend zu. In Preußen entstanden aus dieser Richtung unter der Regierung Friedrich Wilhelms IV. die Freien Gemeinden (s.d.). Neben diesen bildete sich seit 1881 der Deutsche Freidenkerbund (ein Zweig des 1880 zu Brüssel gegründeten Internationalen Freidenkerbundes), der 1903: 45 körperschaftliche Mitglieder und 1012 Einzelmitglieder zählte. Die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder dürfte 89000 betragen. Organ des Bundes ist die Zeitschrift »Der F.« (hrsg. von Bruno Wille, Berlin). Vgl. Noack, Die F. in der Religion (Bern 185355, 3 Bde.); Robertson, Short history of free thought (Lond. 1899).