[782] Impotenz (lat., männliches Unvermögen, Mannesschwäche, Impotentia coëundi), die Unmöglichkeit, den Beischlaf in normaler Weise, bez. überhaupt auszuführen. Diese I. ist nicht zu verwechseln mit der impotentia generandi, dem Verlust des Zeugungsvermögens infolge mangelhafter Beschaffenheit oder Fehlens des Samens (s. Unfruchtbarkeit). Ziemlich selten ist die I. Folge von angebornen oder erworbenen Mißbildungen und Mängeln der Geschlechtsorgane, wie Mangel und abnorme Kleinheit des männlichen Gliedes, Hypospadie höhern Grades, narbige Zerstörung des Gliedes nach Operationen und Verletzungen, Formanomalien desselben durch teilweise Schrumpfung und Verödung der Schwellkörper nach Entzündungen. Atrophie und Mangel der Hoden führt ebenfalls, wenn auch manchmal erst einige Zeit nach dem Verlust, zu I. Häufiger ist I. Teilerscheinung von Allgemeinerkrankungen bei im wesentlichen normalen Geschlechtsorganen. Gewisse Großhirnerkrankungen, Rückenmarkskrankheiten (besonders Tabes), ferner Zuckerharnruhr, manchmal Nierenentzündungen und Fettsucht können I. bewirken, ebenso chronische Vergiftungen, z. B. die Morphiumvergiftung, weniger der Alkoholismus, der vorwiegend durch Erzeugung von Nervosität Unvermögen herbeiführt. Am häufigsten ist die nervöse I. Sie ist manchmal psychischen Ursprungs, indem eine gewisse Befangenheit und Mangel an Selbstvertrauen Hemmungseinflüsse seelischer Art auslöst, die den normalen Ablauf des natürlichen Aktes stören. In andern Fällen ist übermäßige Begierde, die Erinnerung an ausschweifendes Vorleben, Haß, Abneigung, Depression, geistige Überanstrengung das seelische Hemmnis. Bei der eigentlichen neurasthenischen I. handelt es sich um eine mehr oder minder große Schwäche der nervösen Rückenmarkszentren, die den Akt der Gliedsteifung (Erektion) und rechtzeitigen Ejakulation (Ausstoßung) des Samens beherrschen. Hierbei finden sich vom völligen Mangel jeder Erektion bis zur mangelhaften und bis zur vollkommenen, aber nicht hinreichend ausdauernden Erektion alle Übergänge. Mischformen der psychischen und eigentlich neurasthenischen I. sind häufig. Die Behandlung der I. wird bei mechanischen Hindernissen durch abnorme Beschaffenheit des Gliedes manchmal operativ günstige Resultate erzielen. Bei Allgemeinleiden sind diese zu behandeln. Psychische I. verlangt psychische Behandlung durch Zuspruch und Aufklärung, außerdem Schonung und zeitweise Ruhe der Geschlechtstätigkeit. Letzteres ist auch bei der neurasthenischen I. zu verlangen und durch Ausschaltung aller geschlechtlichen Reize (wie Lektüre, aufregende Gedankenrichtung etc.) zu unterstützen. Das Hauptgewicht ist dabei auf Allgemeinbehandlung der Neurasthenie durch Wasserkuren, Elektrisierung, geeignete Diätetik (eventuell Mastkuren) zu legen. Das Zeugungsvermögen wird durch die I. nicht absolut beeinträchtigt, da auch ohne naturgemäße Vereinigung der männlichen und weiblichen Geschlechtsteile eine Befruchtung durch Eindringen des Samens in den weiblichen Geschlechtskanal unter Umständen zustande kommen kann. I. kann auf Grund des § 1333 des Bürgerlichen Gesetzbuches ein Ehescheidungsgrund sein. Wird durch Zufügung einer Körperverletzung Verlust der Zeugungsfähigkeit herbeigeführt, so wird die Verletzung als »schwere« Körperverletzung bestraft. Vgl. Ribbing, Die sexuelle Hygiene und ihre ethischen Konsequenzen (deutsch, Leipz. 1890); Casper, Impotentia et sterilitas virilis (Münch. 1890); Eulenburg, Sexuale Neuropathie (Leipz. 1895); Becki v. Gyurkovechky, Pathologie und Therapie der männlichen I. (2 Aufl., Wien 1897); Finger, Die Pathologie und Therapie der Sterilität beim Manne (Leipz. 1898); Fürbringer, Die Störungen der Geschlechtsfunktionen des Mannes (2. Aufl., Wien 1901); Löwenfeld, Sexualleben und Nervenleiden (3. Aufl., Wiesbad. 1903).