[831] Kemble (spr. kemmbl), 1) John Philip, engl. Schauspieler, geb. 1. Febr. 1757 zu Preston in Lancashire als Sohn des Schauspielers Roger K. (gest. 1802), gest. 26. Febr. 1823 in Lausanne, betrat 1776 die Bühne in Wolverhampton und spielte dann mit immer steigendem Ruf in Manchester, Liverpool, York, Dublin und andern Städten, seit 1783 im Drurylane-Theater in London, dessen Leitung er später übernahm und bis 1801 führte. Nachdem er 1802 und 1803 Kunstreisen nach Frankreich und Spanien unternommen, erwarb er sich einen Anteil am Coventgarden-Theater, zog sich 1812 zurück, betrat aber schon 1814 die Bühne wieder, wo er mit großem Enthusiasmus begrüßt wurde. Er stand jetzt auf dem Gipfel seiner Popularität und war als der erste Schauspieler Englands anerkannt. Gesundheitsrücksichten bewogen ihn jedoch, sich 1817 abermals zurückzuziehen. K. war von imponierender Gestalt und einnehmendem Äußern. Seine Stimme war deutlich und ausdrucksvoll, seine Darstellung groß und tief, das Ergebnis mühevollen Studiums. Alle Mittel, das Publikum hinzureißen, standen ihm zu Gebote. In der Jugend war Hamlet seine Hauptrolle; später wirkte er in ernsten Charakterrollen, wie Macbeth, König Johann, Brutus und vor allen Coriolanus. Er schrieb auch einige Dramen. Seine Statue von Flaxman wurde 1833 in der Westminsterabtei aufgestellt. Vgl. Boaden, Memoirs of the life of J. Philip K. (Lond. 1825, 2 Bde.); Fitzgerald, Account of the Kemble family (das. 1871, 2 Bde.).
2) Charles, ebenfalls Schauspieler, geb. 27. Nov. 1775 zu Brecknock in Wales, gest. 12. Nov. 1854 in London, Bruder des vorigen, erhielt seine Bildung im katholischen Kollegium zu Douai und ward 1792 in London bei den königlichen Posten angestellt, ging aber noch in demselben Jahr in Sheffield zur Bühne über. Seit 1794 am Drurylane-, seit 1797 am Haymarket-Theater in London engagiert, entwickelte er nun sein Talent mit großer Schnelligkeit. 1802 bereiste er den Kontinent, übernahm nach seiner Rückkehr mit seinem Bruder die Direktion des Coventgarden-Theaters, die er von 1817 an allein führte, bereiste 1826 abermals Deutschland und Frankreich und eröffnete nach seiner Rückkehr die Bühne mit Webers »Oberon«. Auch später erwarb er sich um die Pflege der deutschen Musik in London Verdienste. Nachdem er 1832 noch die Vereinigten Staaten von Amerika besucht hatte, nahm er 1842 von der Bühne Abschied und starb als Theaterzensor. Schwester der beiden K. war die Schauspielerin Sara Siddons (s. d.). Seine Gattin Marie Therese, geborne de Camp, geb. 1774 in Wien, gest. 3. Sept. 1838 in London, trat schon in frühester Jugend in Noverres Balletten auf und wirkte dann als Tänzerin im Drurylane-, Coventgarden- und Haymarket-Theater mit großem Beifall. Sie hat auch zwei treffliche Lustspiele: »The first fault« (1799) und »The day after the wedding« (1808), verfaßt. Ihre Tochter Frances Anne s. unten 4).
3) John Mitchell, engl. Sprach- und Geschichtsforscher, Sohn des vorigen, geb. 1807 in London, gest. 26. März 1857 in Dublin, studierte in Cambridge[831] und seit 1829 unter Jakob Grimm in Göttingen, machte eine gute Ausgabe des »Beowulf« (Lond. 1833, 2. Aufl. 1837) und hielt 1834 in Cambridge Vorlesungen über angelsächsische Literatur, die er als »First history of the English language« drucken ließ (Cambridge 1834). Von seinen übrigen Schriften nennen wir: »Über die Stammtafeln der Westsachsen« (Münch. 1836), »Codex diplomaticus aevi Saxonici« (Lond. 184548, 6 Bde.), »State papers and correspondence illustrative of the social and political state of Europe« (das. 1857), und sein Hauptwerk, die auf 4 Bände angelegte »History of the Saxons in England« (1848, nur 2 Bde.; neue Ausg. 1876; deutsch von Brandes, Leipz. 1853). K. redigierte auch die »British and foreign Review« und hinterließ unfertig »Horae ferales, or studies in the archaeology of northern nations«, vollendet von Latham (Lond. 1864).
4) Frances Anne (Fanny), Schauspielerin, Schwester des vorigen, geb. 27. Nov. 1809 in London, gest. daselbst 17. Jan. 1893, wurde von ihrem Vater für die Bühne gebildet, debütierte 1829 als Julie und besuchte 1832 mit ihren Eltern Amerika, wo sie sich 1834 mit Pierce Butler aus Philadelphia verheiratete. Später trennte sie sich von ihrem Gatten, um von neuem die Bühne in England und Amerika zu betreten, und ließ sich 1856 zu Lenox in Massachusetts nieder. Ihre letzten Lebensjahre brachte sie in London zu, nachdem sie noch eine Zeitlang als Shakespearevorleserin tätig gewesen war. Sie veröffentlichte: »Journal of a residence in the United States« (Lond. 1834), »A year of consolation« (1847), »Journal of a residence on a Georgian plantation« (1863), »Poems« (1865 u. 1883), »Plays« (1864), worin unter anderm eine Übersetzung von Schillers »Maria Stuart« enthalten ist, und »Notes upon some of Shakespeare's plays« (1882). Ihre Memoiren erschienen unter den Titeln: »Records of a girlhood« (New York 1879) und »Records of a later life« (das. 1882, 3 Bde.; neue Ausg. 1891, 2 Bde.). Vgl. »Letters of Edward Fitzgerald to Fanny K.« (hrsg. von W. A. Wright, Lond. 1895).