[731] Lotos, antiker Pflanzenname, der sich auf sehr verschiedene Pflanzen bezieht. Unter dem L. der Lotophagen des Homer hat man Bäume oder Sträucher mit süßen, saftigen Beeren zu verstehen, und man glaubt ihn in Zizyphus lotus und Z. spina Christi, auch in Celtis australis zu erkennen. Der L., den bei Homer die Pferde fressen, ist wohl eine Kleeart, vielleicht Melilotus, aber nicht unser heutiger Lotus (s. d.).
Endlich hat man unter L. (Lotosblumen) verschiedene Wasserlilien zu verstehen, besonders Nymphaea lotus, N. caerulea, N. edulis und Nelumbium speciosum (s. Tafel »Wasserpflanzen«). Die symbolische Behandlung des L. in den Mythologien bezieht sich ausschließlich auf diese Wasserlilien, die Vorstellung einer Schöpfung aus dem Wasser und die befruchtende Wirkung des Wassers für das Land. Es kommt hinzu die sogen. Sympathie mit den großen Himmelsleuchten, sofern einzelne Seerosen morgens mit der Sonne aus der Flut emportauchen und abends mit ihr untersinken, andre mit einbrechender Nacht dem Mond ihren Kelch erschließen. Ägyptische, assyrische und indische Tempelwände, Säulen und Kultgeräte sind mit Lotosbildern bedeckt (s. Tafel »Pflanzenornamente I«, Fig. 1). Insbesondere hat die ägyptische Baukunst aus der Lotosblume das sogen. Lotoskapitell entwickelt, das zu den am meisten charakteristischen Gliedern ihres Systems gehört (s. Abbildung aus dem Tempel in Karnak, auch Tafel »Architektur I«, Fig. 13, 14). Vgl. Foucart, Histoire de l'ordre lotiforme (Par. 1897); Borchardt, Die ägyptische Pflanzensäule (Berl. 1897).