Mond

[58] Mond (lat. Luna; hierzu die »Mondkarte« und Tafeln »Mond I-IV«), der unsrer Erde am nächsten stehende Himmelskörper, läuft in einer mittlern Entfernung von 384,750 km = 60,274 Erdhalbmessern in Zeit von 27 Tagen 7 Stunden 43 Min. 11,5 Sek. (vgl. Monat, S. 54) um die Erde, indem er dabei gleichzeitig an der Bewegung der letztern um die Sonne teilnimmt. Seine mittlere tägliche Bewegung in Länge beträgt 13°10´ 35,03´´. Seine wahre Bahn im Weltraum ist daher eine teilweise innerhalb, teilweise außerhalb der Erdbahn liegende Epizykloide, die der Sonne immer die hohle Seite zukehrt. Da die Exzentrizität seiner Bahn 0,05491 ist, so schwankt sein Abstand von der Erde zwischen 405,850 und 363,640 km. Seine Bahn ist 5°8´ 47,9´´ gegen die Erdbahn geneigt. Infolge der Anziehung der Sonne und der Planeten weicht jedoch die Bewegung des Mondes um die Erde erheblich von der rein elliptischen ab, und insbes. sind die unter dem Namen Evektion, Variation und jährliche Gleichung bekannten Störungen von kurzer Periode beträchtlich. Von den säkularen Störungen sind besonders die Bewegungen der Knoten- (Drachen-) linie und der Apsidenlinie bemerkenswert: die erstere geht jährlich durchschnittlich 191/3° zurück und vollendet in 18 Jahren 219 Tagen einen vollen Umlauf gegen die Ordnung der Zeichen; die Apsidenlinie aber macht bei jedem Mondumlauf eine Drehung von ungefähr 3° in direkter Richtung, sie dreht sich also in einem Jahr um etwa 402/3° und vollendet einen ganzen Umlauf in 8 Jahren 311 Tagen. Während eines Umlaufs um die Erde rotiert der M. zugleich einmal um eine um 931/2° gegen die Ebene seiner Bahn geneigte Achse, weshalb er uns immer im wesentlichen dieselbe Seite zukehrt; durch die Ungleichförmigkeit seiner Bewegung werden aber scheinbare Schwankungen oder Librationen hervorgerufen, infolge deren wir nicht immer und nicht von allen Punkten der Erde aus dieselben Teile der Mondoberfläche erblicken, so daß uns im ganzen nur etwa drei Siebentel dieser Fläche unsichtbar bleiben. Die von dem verschiedenen Standpunkt des Beobachters auf der Erde herrührende Libration heißt die parallaktische, sie kann nach jeder Seite hin stattfinden, beträgt höchstens etwas über 1°, weil die Entfernung des Mondes vom Erdmittelpunkt ungefähr 60 Erdhalbmesser beträgt, und würde bei größerer Entfernung geringer werden. Die andern ungleich größern Librationen des Mondes, die man Libration in Länge und Libration in Breite nennt, werden durch die doppelte Bewegung des Mondes, seinen Umlauf um die Erde und seine genau in derselben Zeit vor sich gehende Rotation, veranlaßt. Erfolgte der Umlauf wie die Rotation ganz gleichförmig, und stände die Rotationsachse senkrecht auf der Ebene der Bahn, so würde ein Beobachter in einem bestimmten Punkte der Erde immer genau dieselben Punkte am Rande des Mondes erblicken. Da aber die Bewegung in der Bahn mit wechselnder Geschwindigkeit erfolgt, so wird bald auf der einen, bald auf der entgegengesetzten Seite im Sinne der selenographischen Länge ein bis 7°54´ reichendes Stück der vorher unsichtbaren Seite des Mondes sichtbar. Und da auch die Achse von der senkrechten Lage abweicht, so kann man zeitweilig über den einen und dann wieder über den andern Pol des Mondes um 6°54´ hinaus beobachten; dies ist die Libration in Breite. Auf diese letztere und die parallaktische Libration hat zuerst Galilei 1637 aufmerksam gemacht, die in Länge fanden Hevel und Riccioli. Eine von diesen bloß scheinbaren oder optischen Librationen des Mondes verschiedene [58] physische Libration rührt von der von der Kugel abweichenden Gestalt des Mondes her, jedoch ist ihre Größe so klein, daß sie erst in neuerer Zeit durch die Beobachtungen nachgewiesen werden konnte. Zur Erklärung der merkwürdigen Erscheinung, daß Rotations- und Umlaufszeit übereinstimmen, hat George Darwin folgende Hypothese aufgestellt. Wenn der M. anfänglich seine in der Richtung von W. nach O. vor sich gehende Rotation in kürzerer Zeit als seinen Umlauf um die Erde vollendet hat und wenn derselbe teilweise mit einer flüssigen Hülle bedeckt war, so wird in dieser durch die Anziehung der Erde auf der dieser zugewendeten, wie auf der abgewendeten Seite eine Flutwelle erregt sein, die zweimal in Zeit einer Rotation um den Weltkörper gelaufen ist. Indem sie hierbei gegen die Ostseiten der festen Teile seiner Hülle (der Festländer) stieß, setzte sie der Rotation einen Wiederstand entgegen und verlangsamte dieselbe, bis endlich die Rotationszeit mit der Umlaufszeit zusammenfiel. Ist dieser Zustand erreicht, so findet, sofern dann überhaupt noch eine flüssige Bedeckung vorhanden ist, kein Wechsel von Ebbe und Flut mehr statt, sondern es besteht bloß auf der dem Zentralkörper zugekehrten und auf der entgegengesetzten Seite eine Erhöhung und in 90° Abstand von diesen Punkten eine beständige Depression.

Größe und Gestalt. Phasen.

In mittlerer Entfernung erscheint uns der M. als eine Scheibe von 31´ 5,8´´ Durchmesser, der wahre Durchmesser beträgt daher 0,273 Äquatorialdurchmesser der Erde = 3480 km. Das Volumen des Mondes ist = 1/49,5 des Volumens der Erde, seine Masse = 1/81,45 der Masse der Erde, seine mittlere Dichtigkeit stellt sich auf 0,62 der Dichte der Erde oder 3,4 der des Wassers, etwa der des Granats entsprechend. Im Gegensatz zu den andern schnell rotierenden Himmelskörpern hat der M. die Gestalt eines dreiachsigen Ellipsoids; er ist an den Polen abgeplattet, außerdem ist aber auch die auf die Erde zu gerichtete Achse (a) infolge der Anziehung der Erde länger als die darauf senkrechte Äquatorachse (b), die wieder größer ist als die Polarachse (c). Aus den Schwankungen der Achse c, der physischen Libration des Mondes, hat man das folgende Größenverhältnis der drei Achsen abgeleitet:

a : b : c = 1,0003 : 1 : 0,9997.

Der Unterschied der drei Achsen beträgt daher nur 1–2 km. Diese Größe der Verlängerung der Mondgestalt gegen die Erde hin, die ein Ergebnis der durch die Erdanziehung auf dem M. erzeugten Flutwellen bildet, wird aber auch durch die Gezeitentheorie bestätigt; Hansen dagegen hatte aus gewissen Anomalien der Mondbewegung geschlossen, daß der Mondmittelpunkt der Erde um 59 km näher sei als der Mondschwerpunkt, und Gussew hatte aus der Ausmessung von zwei Mondphotographien von Warren de la Rue die Verlängerung des Mondradius nach der Erde zu 5,5 Proz. im Mittel berechnet. Franz hat die Unhaltbarkeit dieser Annahme nachgewiesen und durch Ausmessung von fünf Photographien des Mondes von der Lick-Sternwarte das Größenverhältnis des Monddurchmessers bestimmt und gefunden, daß sich für die Verlängerung des Mondes gegen die Erde der geringe Betrag von 2 km im Mittel ergibt, also ein Wert, der mit dem aus der physischen Libration und dem der Gezeitentheorie abgeleiteten übereinstimmt. 1° des Mondäquators beträgt 30,4 km und wird von der Erde unter einem Winkel von 16,6´´ gesehen.

Die auffallendste Erscheinung, die der M. uns darbietet, sind seine im Lauf eines synodischen Monats von 29 Tagen 12 Stunden 44 Minuten 2,8 Sekunden (vgl. Monat, S. 55) wechselnden Phasen oder Lichtgestalten, die eine Folge seiner veränderlichen Stellung gegen Erde und Sonne sind, welch letzterer er seine beleuchtete Seite zukehrt. Steht er in Konjunktion mit der Sonne, geht er also zugleich mit ihr durch den Meridian, so kehrt er uns seine unbeleuchtete Seite zu, wir haben dann Neumond. Da aber der M. eine rasche Bewegung in seiner Bahn nach O. hat, so befindet er sich bald nachher auf der Ostseite der Sonne, und wir erblicken an seinem westlichen (rechten) Rand eine schmale erleuchtete Sichel, die von Tag zu Tag größer wird; wir haben zunehmenden M., der abends nach Sonnenuntergang am westlichen Himmel sichtbar ist. Nach ungefähr sieben Tagen erscheint uns die ganze westliche (rechte) Hälfte der Mondscheibe erleuchtet; der M. steht jetzt 90° östlich von der Sonne, er kulminiert ungefähr, wenn diese untergeht, und erhellt die erste Hälfte der Nacht; wir haben erstes Viertel (Tafel I, Fig. 1). In den folgenden Tagen ist mehr als die Hälfte der Mondscheibe erleuchtet; der M. geht immer später in den Frühstunden unter, bis wir etwa 14 Tage nach dem Neumond die volle Scheibe erleuchtet sehen; wir haben dann Vollmond, Sonne und M. stehen in Opposition, der M. scheint die ganze Nacht hindurch. Von nun an tritt derselbe für uns auf die Westseite der Sonne, der erleuchtete Teil liegt nach O. (links), und da die Lichtgestalt immer kleiner wird, so haben wir abnehmenden M. Dieser geht abends nach Sonnenuntergang immer später auf; ungefähr sieben Tage nach dem Vollmond sehen wir nur noch die östliche (linke) Hälfte der Scheibe erleuchtet; wir haben letztes Viertel (Tafel I, Fig. 2). Der M. geht um Mitternacht auf und steht gegen Sonnenaufgang im S. Die Sichelgestalt, die wir auf der linken Seite der Scheibe in den Morgenstunden am Osthimmel sehen, wird immer kleiner in dem Maß, wie der M. sich für uns der Sonne nähert, bis sie endlich beim Neumond ganz verschwindet. Über den vermeintlichen Einfluß der regelmäßig wiederkehrenden Phasen des Mondwechsels (althochdeutsch auch Wadel, Wädel genannt) auf das irdische Leben und die Witterung s. unten.

Anblick des Himmels vom Mond aus.

Da wir die Bewegung des Mondes genau kennen, so läßt sich auch angeben, wie sich für einen fingierten Standpunkt auf dem M. der Anblick des Himmels gestalten werde, wobei wir noch die Abwesenheit einer atmosphärischen Hülle auf dem M. als bekannt voraussetzen wollen. Denken wir uns zunächst einen Beobachter auf der Mitte der von der Erde stets abgewendeten Seite des Mondes, wenn es dort gerade Mitternacht ist, so wird derselbe den Himmel mit allen Gestirnen ganz so sehen, wie er uns auf der Erde erscheint, auch die Planeten, abgesehen von geringen Verschiedenheiten im scheinbaren Orte, die uns jetzt nicht weiter beschäftigen sollen. Die Dunkelheit des ganzen schwarzen Himmels ist vielleicht keine vollkommene, da das Gesamtlicht der Gestirne dort wegen der Abwesenheit einer lichtschwächenden Atmosphäre größer sein muß. Deshalb erscheinen auch die Sterne am Horizont wie im Zenit in demselben Glanz. Im O. wird die Stelle des Sonnenaufganges einige Zeit vor demselben angedeutet durch einen hellen Lichtglanz, die Corona der Sonne. Bald tritt in ungeschwächtem [59] Lichte der oberste Rand der letztern am Horizont hervor, und je mehr sie sich hebt, desto mehr beschränkt sich die Sichtbarkeit der Milchstraße und der kleinsten Sterne, die auf der Erde wegen der Dämmerung zu schwinden beginnen, lange bevor die Sonne sichtbar wird. Aber auch wenn die ganze Sonnenscheibe oberhalb des Horizontes steht, sind wahrscheinlich die größern Gestirne auch am Tage am schwarzen Himmel sichtbar. Wegen Mangels der Dämmerung und jeglichen durch die Luft vermittelten Zwischen- oder Halblichts wird die Landschaft stückweise sichtbar, nach Maßgabe der fortschreitenden Beleuchtung, wobei zwischen Licht und Schatten die größten Kontraste stattfinden. Ebenso ist die Wirkung des von Bergflächen reflektierten Lichts gegen beschattete Stellen auch nicht irgend einer Abschwächung durch die Wirkung der Luft unterworfen. Nach sieben Tagen hat die Sonne das Zenit erreicht, nach weitern sieben Tagen geht sie im W. unter, und es folgt, unvermittelt durch die Dämmerung, die Nacht, in der kein Polarlicht, kein Meteor, keine Sternschnuppe gesehen wird. Versetzen wir jetzt den Beobachter in die Mitte der gegen die Erde gewendeten Seite des Mondes und nehmen an, daß es die Zeit der dortigen Mitternacht sei. Am schwarzen, doch nicht völlig dunkeln Himmel steht im Zenit die voll erleuchtete Scheibe der Erde, 3,5mal größer im Durchmesser, als uns der Vollmond erscheint, und eine 28mal größere Lichtmenge herabsendend. Bei solchem Glanz wird zwar die Sichtbarkeit der kleinsten Sterne und der Milchstraße beeinträchtigt werden, aber diese wird ebensowenig ganz verschwinden wie der hellere Teil des Zodiakallichts. Während die Sterne der Ekliptik langsam hinter dem Erdkörper fortziehen, scheint dessen Ort in Beziehung auf Horizont und Zenit kaum merklichen Änderungen unterworfen; aber mehr und mehr nimmt das Vollicht der Erde an der Westseite ab, und nach sieben Tagen ist sie nur noch halb erleuchtet. Dem unbewaffneten Auge des Beobachters zeigen sich deutlich in großen Umrissen die Kontinente der Erde im Gegensatz zu den dunkeln ozeanischen Flächen, ebenso das weiße Licht (Nord- oder Südlicht) des einen oder andern der Pole, aber alles vielfältig verhüllt von Wolkenzügen, deren Lichtglanz jeden andern auf der Erde, mit Ausnahme der noch über die Wolken ragenden beschneiten Hochgebirge, übertreffen wird. Es zeigt sich auch die allgemeine Abnahme des Lichts gegen die Phase und gegen den Rand der Erdkugel hin sowie sehr leicht die Wirkung der Rotation an dem Verschwinden dieser und an dem Auftreten andrer Punkte auf der Oberfläche. In dem Maß, wie die aufsteigende Sonne sich dem Zenit und also auch der Erde nähert, hat die Phase dieser mehr und mehr abgenommen. Die letzte, sehr seine Erdsichel, im Durchmesser viermal größer als die Sonnenscheibe und dieser ganz nahe, wird unsichtbar, und es beginnt eine Sonnenfinsternis von langer Dauer in dem Fall, daß ein zentraler Vorübergang stattfinden sollte. Dann werden sich die Phänomene, die wir bei großen Sonnenfinsternissen beobachten, zum Teil in erhöhtem Maß zeigen, weil die Erdatmosphäre das Licht der verdeckten Sonne rings um die Erde zum Teil durchlassen und so eine große und farbenreiche Corona darstellen wird, deren Licht vielleicht nicht stark genug ist, um die vollständige Sichtbarkeit der Gestirne zu verhindern. Jedoch findet nicht jedesmal unter gedachten Umständen eine Finsternis statt, denn die Sonne kann auch seitlich an der Erde vorübergehen. Sobald die Sonne hinter der Erde wieder hervorgetreten ist, zeigt sich an letzterer bald wieder die seine Sichelform, und wenn sieben Tage später die Sonne untergeht, ist im Zenit die Erde wieder halb erleuchtet oder im ersten Viertel. Die Beleuchtung der Nachtseite des Mondes durch das von der Erde reflektierte Sonnenlicht gibt sich übrigens zu erkennen in der aschfarbenen Beleuchtung der Mondscheibe, die wir kurz vor und nach dem Neumond neben der glänzenden, der Sonne zugekehrten Lichtsichel gewahren (vgl. Erdschein).

Mondatmosphäre.

Verschiedene ältere Mondbeobachter, von Hevel bis herab auf Schröter, haben dem M. eine Atmosphäre zugeschrieben, andre, wie W. Herschel, haben dieselbe in Abrede gestellt, und diese Ansicht hat in der Hauptsache den Sieg davongetragen. Besäße nämlich der M. eine das Licht brechende Atmosphäre, so müßte uns ein Stern noch sichtbar sein, wenn er bereits hinter dem M. steht, gerade so wie wir auch die Sterne infolge der atmosphärischen Strahlenbrechung noch sehen, wenn sie sich bereits ein Stück unter dem Horizont befinden. Der aus der Dauer einer Sternbedeckung abgeleitete Durchmesser des Mondes müßte daher kleiner sein als der durch direkte Messung bestimmte. Da sich nun kein derartiger Unterschied er gab, so schloß Bessel, daß der M. keine Atmosphäre besitze, deren Dichte den 900. Teil der unsrigen übersteigt. Neuere Untersuchungen haben diesen Grenzwert allerdings auf 1/300 erhöht, doch ist sicher, daß die Mondatmosphäre, wenn eine solche existiert, nur eine sehr geringe Dichte besitzen kann, daß also auch beträchtliche Ansammlungen von Wasser auf dem M. nicht existieren können, weil dieses verdunsten und in die Atmosphäre übergehen würde. Dagegen wurde das Vorkommen von Eis auf dem M. möglich sein.

Mondkarten und Mondlandschaften.

Als Galilei das eben erst erfundene Fernrohr 1610 auf den M. richtete, erkannte er die Unebenheiten seiner Oberfläche, die Schatten der Gebirge, und wagte Vermutungen über die Höhe derselben. Gleiche Wahrnehmungen machten andre Beobachter, und schon um die Mitte des 17. Jahrh. gab es Mondkarten, unter denen jedoch nur die zahlreichen Abbildungen Hevels (1647) einen für die damalige Zeit erheblichen Wert beanspruchen können, wenn auch alles nur nach dem Augenmaß verzeichnet wurde. Noch vor der Mitte des 18. Jahrh. aber stellte Tob. Mayer in Göttingen zuerst die Lage verschiedener Hauptpunkte des Mondes durch wirkliche Messungen fest und brachte eine zwar kleine, aber sehr genaue Mondkarte zustande, die 1775 durch Lichtenberg veröffentlicht wurde. Mayer ist daher als der Begründer der wissenschaftlichen Selenographie zu betrachten. Seit 1784 begann Schröter in Lilienthal bei Bremen mit Hilfe großer Spiegelteleskope seine Mondstudien und leistete in der Spezialbeobachtung vieler Mondlandschaften bei wechselnder Beleuchtung für seine Zeit Bedeutendes. 1821–36 lieferte Lohrmann in Dresden, seit 1830 Mädler in Berlin (dessen Karte, eine ausgezeichnet seine Lithographie, 1837 erschien), dieser durch Wilhelm Beer unterstützt, nach langjähriger Arbeit Abbildungen des Mondes im Durchmesser von 3 Pariser Fuß, mit denen die frühern Versuche in keinen Vergleich gebracht werden können. Lohrmanns in Kupferstich ausgeführte Karte, die auch unsrer beifolgenden Mondkarte zugrunde liegt, ward erst 1878 durch J. F. J. Schmidt und 1892 von Ebert veröffentlicht (Leipz.), nachdem Lohrmann selbst nur vier Sektionen (1824) publiziert[60] hatte. Diese Arbeiten werden jedoch bei weitem übertroffen von Schmidts auf langjährigen eignen Beobachtungen in Bonn, Olmütz und Athen beruhender »Karte der Gebirge des Mondes nach eignen Beobachtungen in den Jahren 1840–1874« (Berl. 1878) in 25 Blättern, nebst einem Erläuterungsband. über 2000 Originalzeichnungen, zumeist nach Aufnahmen am Athener Refraktor, lieferten das Material zu dieser Darstellung, die den M. im Maßstab 1: 1,783,200 als Scheibe von 2 m Durchmesser zeigt. In neuerer Zeit haben besonders Weinek und Krieger eine große Reihe vortrefflicher Zeichnungen von Mondlandschaften geliefert. Plastische Darstellungen der Mondoberfläche haben Russel, Witte, Dickertsund in neuester Zeit LadeRelief-Mondglobus«, Berl. 1897) und Stuyvaert ausgeführt. Photographische Aufnahmen sind bereits von Warren de la Rue und Rutherford gemacht worden, in neuester Zeit aber in erheblich größerer Vollkommenheit ganz besonders auf der Sternwarte in Paris von Loewy und Puiseux (»Atlas photographique de la lune«, Par. 1897 ff., bisher 7 Lfgn. mit Tafeln) und auf der Lick-Sternwarte in KalifornienLick Observatory Atlas of the moon«, San Francisco 1896), die bei mehrfacher Vergrößerung eine ungeahnte Menge von außerordentlich seinen Details erkennen lassen. Weineks »Photographischer Mondatlas« (Prag 1897–1900) gibt auf 200 Tafeln Vergrößerungen der Aufnahmen der Lick-Sternwarte im Maßstab eines Monddurchmessers von 10 Fuß. Unsre Tafel I zeigt zwei Abbildungen des ab- und zunehmenden Mondes, Tafel II-IV Darstellungen verschiedener Mondlandschaften nach photographischen Aufnahmen von Loewy u. Puiseux auf der Pariser Sternwarte.

Wenn man durch Betrachtung der Mondkarten sich ein richtiges Bild von der Oberflächenbeschaffenheit unsers Trabanten verschaffen will, so muß man wohl berücksichtigen, daß diese Karten die uns zugewendete Halbkugel des Mondes in orthographischer Projektion zur Anschauung bringen. Demnach müssen die Oberflächenteile, je weiter sie von der Mitte des Bildes abstehen, mehr und mehr verkürzt und gegen die Ränder zu ganz hintereinander gedrängt erscheinen. Es wird also ein kreisförmiges Ringgebirge eine mehr und mehr elliptische Form annehmen, nach Maßgabe seines Abstandes von der Mitte, und wird dieser Abstand = 90°, so liegt das Ringgebirge im Rande des Mondes und stellt sich nun als eine Linie oder als einfacher Bergwall dar. Das Erkennen wie das Zeichnen der Landschaften wird also um so schwieriger, je näher diese am Rande liegen. Da aber die störende Trübung einer Mondluft nicht stattfindet, wird wenigstens die Klarheit oder Lichtstärke der Bilder am Rand sich von der der Mitte nicht unterscheiden. Als Übersichts- oder Gesamtbild betrachtet, kennen wir die eine Seite des Mondes besser als die Oberfläche unsrer Erde, weil auf dieser vieles noch gar nicht entdeckt oder nur unvollkommen erforscht ward; es genügt, an das Innere von Asien und Afrika sowie an die polaren Regionen zu erinnern. Auch die Ortsbestimmungen erster Ordnung auf dem M. sind, im ganzen betrachtet, wohl genauer, als es noch vor der Mitte des 18. Jahrh. sehr viele Längen- und Breitenbestimmungen auf der Erde waren. Erwägt man, daß die Karten von Lohrmann und Mädler ungefähr je 8000 einzelne Gegenstände darstellen, die größere Karte von Schmidt deren wenigstens 40,000 enthält, so folgt, daß sich die Selenographie in mancher Beziehung wohl mit der Geographie messen kann.

[Form und Höhe der Mondberge.] Die Formen auf dem M., die man mit Hilfe des Fernrohrs erblickt, zeigen sich bei günstiger Beleuchtung durch die Sonne in vorzüglicher Schärfe wegen des strengen Kontrastes von Licht und Schatten und wegen des Mangels an Übergängen zwischen jenen beiden Grenzen. Die völlige Schärfe und reine Begrenzung der Schatten gestattet sehr genaue Messungen, und wie man aus dem Schatten eines Turmes leicht seine Höhe findet, so kann man auf ähnliche Art zur Kenntnis der Höhe der Mondberge gelangen. Da aber auf unserm Trabanten ein allgemeines Niveau, entsprechend dem Meeresspiegel bei uns, fehlt, so können wir die Höhen nicht als absolute auffassen, sondern müssen uns darauf beschränken, anzugeben, wie groß der Höhenunterschied zwischen dem Gipfel und jenem Punkt sei, der zur Zeit der Messung vom Schatten des Gipfels berührt ward. Die Rechnung gibt dann nach geschehener Messung für jenen Punkt die Sonnenhöhe = H und die relative Berghöhe = h. Wird ein Berg mehrfach gemessen, also bei ungleicher Höhe der Sonne, so wird auch das Resultat für h verschieden ausfallen, sowohl wenn der Gipfel abgerundet ist, als auch, wenn das Ende des Schattens auf bergiges Terrain fällt.

Ähnlich wird man nun aus Messungen für die Tiefe eines Kraters die Werte h nach H ordnen, das Maximum der Tiefe erkennen und selbst annähernd die Krümmung der Bodenfläche des Kraters ermitteln können. Nachdem viele Hunderte von Bergen in solcher Weise vermessen und auch beiläufig hinsichtlich ihrer Neigungsmittel untersucht worden sind, war es möglich, ein Bild der Oberfläche des Mondes ganz in derselben Weise zu entwerfen, wie dies mit der Darstellung der Erdoberfläche, also auf den Landkarten, geschieht. Ein solches Nivellement der Mondoberfläche hat Franz ausgeführt, dessen Ergebnis in der Figur auf S. 62 dargestellt ist. Die Südhälfte des Mondes, auf der sich die zahlreichen Ringgebirge von den größten bis zu den kleinsten Dimensionen befinden, liegt durchschnittlich hoch, die Nordhälfte dagegen, wo die großen Meeresflächen sich befinden, zeigt wesentliche Depressionen. Im allgemeinen scheinen die Niveauunterschiede größer zu sein als auf der Erde, was zum Teil auf die viel geringere Schwere auf dem M., zum Teil auf die nicht vorhandene nivellierende Einwirkung von Wasser und Wind zurückzuführen sein dürfte. Was die Höhen der Mondberge anlangt, so erreichen die höchsten etwa 7500 m, 22 unter den 1100 von Beer und Mädler gemessenen sind über 4800 m, 6 über 5800 m hoch.

Die Form der Gebirge auf dem M. ist eine doppelte; Gebirge, die denen auf unsrer Erde gleichen, und ringförmige Bildungen. Der erste Typus ist nur wenig vertreten, hauptsächlich durch die Gebirgsketten, die sich ungefähr in der Mitte der nördlichen Mondhälfte in einem flachen Bogen durch mehr als 30 Breitengrade von S. nach N. ziehen und mit den Namen Apenninen, Kaukasus und Alpen (Tafel II) belegt werden. Weit häufiger ist der Typus der ringförmigen Berge, die charakterisiert sind durch einen kreisförmigen Wall, in dessen Innerm eine tiefe Ebene liegt, aus der oft ein oder auch mehrere Berge hervorragen, ohne indessen die Höhe des Walles zu erreichen. Nach ihrer Größe und sonstigen Beschaffenheit bezeichnet man diese Gebilde mit verschiedenen Namen. Die größten von 75–275 km Durchmesser, mit unregelmäßigem, oft durchbrochenem Wall, heißen Wallebenen. Ihr Inneres ist verhältnismäßig[61] eben, nur manchmal von unregelmäßigen Bergen besetzt oder durch Gebirgsarme geteilt. Schon Galilei hat dieselben mit dem großen geschlossenen Becken von Böhmen verglichen. Die Mehrzahl derselben liegt auf der Südseite der sichtbaren Mondscheibe, wo sie mehrfach zusammenhängende Reihen in meridionaler Richtung bilden, wie die mit den Namen Catharina, Cyrillus und Theophilus (Tafel IV) bezeichneten.

Durchschnittsniveau des Mondes nach J. Franz.
Durchschnittsniveau des Mondes nach J. Franz.

Von kleinern Dimensionen sind die Ringgebirge, deren Durchmesser 10–40 km beträgt. Sie sind regelmäßig gebaut, von einem kreisrunden, nach innen steiler als nach außen abfallenden Wall umschlossen, der auf der innern Seite oft zwei- oder dreimal so hoch ist als auf der äußern; in der Mitte erhebt sich oft ein steiler Berg, der aber nicht die Höhe des Walles erreicht. Bei einzelnen Ringgebirgen treten auch mehrere Zentralberge auf. Merkwürdig ist das paarweise Vorkommen von Ringgebirgen, die in Form und Größe auffallend übereinstimmen. Krater sind kreisförmige Berge von 1–20 km Durchmesser, die zu mäßiger Höhe ansteigen und nach innen meist sehr steil abfallen. Sie gehören zu den hellsten Objekten auf dem M., und ihre Zahl ist außerordentlich groß. Namentlich sind die kleinen Krater von 1–8 km Durchmesser in unzähliger Menge überall, an den Abhängen der Ringgebirge wie auf den Ebenen, zerstreut; oft sind auch zahlreiche Krater in langer Linie aneinander gereiht, so daß ihre Wälle sich berühren. Gruben oder Kratergruben nennt man Vertiefungen ohne sichtbaren Wall und meist von geringer Tiefe, daher sie bald, weil ihr Boden von den Strahlen der Sonne erreicht wird, unsichtbar werden. Sie kommen in großer Zahl, oft kettenartig, vor.

Eine andre merkwürdige Erscheinung auf dem M. sind die sogen. Rillen oder Lichtadern. Mit diesem Namen bezeichnete man grabenartige Furchen, die bis 500 km lang, sehr schmal (höchstens 1 km breit), nach innen mäßig steil, oft ganz geradlinig, mitunter flach oder wellenförmig gekrümmt sind. Solche Rillen finden sich überall auf dem M., doch sehr selten in der Mitte der großen Ebenen, auffallend häufig dagegen am Rande derselben und diesem parallel laufend. Sie durchbrechen Berge und Kraterwälle, durchziehen Krater auch wohl mit eignenWällen, wie im Hyginus (Tafel III), setzen an Bergen aus, um auf der gegenüberliegenden Seite wieder aufzutreten, und bilden mitunter den Übergang zu gewöhnlichen Tälern. Schröter entdeckte die ersten; Lohrmann und Mädler brachten ihre Zahl auf ungefähr 100. Der im J. 1866 von Schmidt publizierte Katalog zählt über 400 Rillen auf. Sie gehören meistens zu den schwierig erkennbaren Objekten.

[Mare u. Strahlensysteme.] Die grauen, auch dem unbewaffneten Auge gut sichtbaren Flecke auf dem M. sind Ebenen, die man früher für Meere hielt, und die daher den Namen Mare noch jetzt führen. Ihre Farbe wechselt vom tiefen Grau bis zum Grün und Braun, stellenweise vielleicht bis zum Violett und wird ebenso wie ihre Begrenzung am besten bei hoher Beleuchtung gesehen. Die sehr dunkle stahlblaue Farbe auf grauem Grund ist mehr einzelnen Ringflächen mittlerer Größe eigen. Im Schickard und Mare Humboldtianum ist die innere Ringfläche bunt gezeichnet im Grau der Ebene; aber im Plato, Grimaldi, Krüger, Billy, Apollonius ist die ganze Ebene grau. Sehr dunkle und ziemlich scharf begrenzte Flecke auf hellem Boden findet man im Alphonsus, Petavius, Wilhelm Humboldt, Atlas. Zu Gruppen vereinigt, bald in Kratertiefen, bald in Tälern, findet man bedeutende graue Flecke im Süden des Mare crisium, und das Mare australe scheint nur aus solchen Flecken zu bestehen. Die großen grauen Ebenen heißen: Oceanus procellarum, Mare imbrium, Mare nubium, und diese, zusammenhängend, gehören der Ostseite der Mondscheibe an. Westlich vom mittlern Meridian liegen die großen, ebenfalls miteinander verbundenen. Mare serenitatis, M. tranquillitatis, M. foecunditatis. Mehr oder weniger isoliert und kleiner sind. Mare crisium, M. Humboldtianum, M. Smythii, [62] M australe, M. frigoris, M. vaporum und M. humorum.

Alle diese Ebenen sind verhältnismäßig arm an Kratern und größern Gebirgen, von denen die letztern oft die schroffen Grenzen der Mare bilden. Häufig sind in ihnen die Bergadern und besonders auffällig zahlreiche Lichtflecke. Diese, des dunkeln Grundes wegen gut sichtbar, gehören zwar in den meisten Fällen Bergen und Kratern an; oft jedoch ist an ihrem Ort keine Unebenheit vorhanden. In besonderer Großartigkeit zeigen sich aber die Strahlensysteme in den Maren, wo sie des Kontrastes wegen viel besser als im hellen Berg- und Hügelland erkannt werden. Ihren Anfang bezeichnen große Kratergebirge, von denen sie radienartig, bald geradlinig, bald wenig gekrümmt, nach allen Richtungen Hunderte von Kilometern weit auslaufen, gelegentlich auch mit Hügel- und Bergzügen zusammenfallend, die zufällig dieselbe Richtung haben. Alle diese Lichtstreifen sind nur bei hoher Beleuchtung gut sichtbar und verschwinden an der Phase, wo an ihrem Ort niemals ein Schatten gesehen wird. Sie sind also weder Erhöhungen noch Vertiefungen und ziehen durch alle Tiefen und über alle Höhen hinweg, ohne ihre Richtung zu ändern. Es sind also Teile der Oberfläche des Mondes, die lebhafter Licht reflektieren als ihre Nachbarschaft, und wahrscheinlich Abflüsse von Quellen, die durch Ablagerung ihres Kalkgehalts ihre Spuren hinterlassen haben, ehe die vulkanischen Eruptionen auf dem M. ihr Ende erreicht hatten. Das größte Hauptstrahlensystem ist das des Tycho; ziemlich hervortretend sind ferner die des Kepler, Kopernikus und Aristarch; weniger deutlich die des Olbers, Byrgius, Zuchius, Anaxagoras, Aristyllus, Dionysius, Proclus und Langrenus. Die unvollkommenen Formen mitgerechnet, kennt man über 30 solcher Systeme. Die Benennung der ringförmigen Bergbildungen nach hervorragenden Gelehrten rührt im wesentlichen von Riccioli her, der sie 1651 in seinem »Neuen Almagest« gab; einige neuere Namen rühren von Mädler und Schmidt her; von der ältern Hevelschen Terminologie sind uns noch die Namen der Gebirge, wie Karpathen, Apenninen, Kaukasus etc., und die Benennungen der Mare geblieben.

[Licht und Wärme des Mondes.] Die gesamte Lichtmenge, die uns vom Vollmond zugesandt wird, beträgt nach Zöllners photometrischen Messungen 1/619000 der Lichtmenge der Sonne; die Beleuchtung einer Fläche durch den im Zenit stehenden Vollmond ist gleich der Beleuchtung durch eine Kerze in 2 m Entfernung. Über die Temperatur der Mondoberfläche waren bisher die Ansichten sehr verschieden. Bereits John Herschel glaubte für die Zeit der langen Bestrahlung durch die Sonne eine Temperatur von 100–150° annehmen zu müssen, während der ebenso langen Mondnacht eine ebenso tiefe Temperatur unter dem Gefrierpunkt; zu ähnlichen Resultaten kam auch Lord Rosse. Nach Langleys Meinung konnte aber die Maximaltemperatur nicht höher als +50° sein. Auf Grund von sehr sorgfältigen bolometrischen Messungen hat aber Frank Very gefunden, daß die höchste Temperatur, welche die Mondoberfläche unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen annimmt, etwa 180° beträgt, daß dagegen während der Mondnacht die Temperatur bis zu 200–250° unter den Gefrierpunkt fällt. Selbst während der wenigen Stunden einer Finsternis ist der Wechsel der Temperatur auf dem M. größer als der Übergang von der Tropentemperatur zur arktischen Kälte unsrer Erde. Übrigens sind es äußerst geringe Wärmemengen, auf die sich Verys Untersuchungen beziehen: die gesamte Wärmestrahlung des Mondes auf unsrer Erde würde, auf die geschwärzte Kugel eines Theromometers konzentriert, nur ein Steigen desselben um 1/6000° hervorrufen.

[Veränderungen auf der Mondoberfläche.] Viel bestritten ist die Frage, ob noch gegenwärtig Veränderungen auf dem M. vorgehen, wie insbes. Schröter und Gruithuisen solche in großem Maßstabe beobachtet haben wollen. Zunächst ist hier daran zu erinnern, daß man mit der Benennung »Krater« nicht die Vorstellung von einer noch jetzt fortdauernden vulkanischen Tätigkeit auf dem M. zu verbinden hat, daß vielmehr jener Name nur auf äußere Formähnlichkeit sich stützt. Während man nun früher in Ermangelung ausführlicher topographischer Arbeiten die Frage, ob Neubildungen auf dem M. stattfinden, kaum zuverlässig beantworten konnte, hat man sich seit den sorgfältigen Beobachtungen von Beer und Mädler gewöhnt, sie zu verneinen und ältere gegenteilige Wahrnehmungen als auf Täuschung beruhend anzusehen. Doch haben einige Beobachtungen der Neuzeit wieder Zweifel an der Richtigkeit dieser Ansicht wachgerufen. Dahin gehört namentlich das Verschwinden des 9 km im Durchmesser haltenden, sehr tiefen Kraters Linné im Mare serenitatis, an dessen Stelle ein heller, wolkenartiger Fleck getreten ist, wie Schmidt in Athen 1866 konstatiert hat. Umgekehrt haben Klein und Krieger Neubildungen von Kratern zu konstatieren geglaubt, indem sie solche an Stellen entdeckten, die früher von andern Beobachtern, zum Teil auch von ihnen selbst sorgfältig durchforscht worden waren. Wenn auch die Möglichkeit, daß noch gegenwärtig Veränderungen auf der uns zugewendeten Seite des Mondes vor sich gehen, nicht unbedingt in Abrede gestellt werden kann, so sind solche doch durch die bisherigen Beobachtungen nicht zweifellos erwiesen; denn die Auffindung kleiner Objekte, die von frühern Beobachtern nicht bemerkt worden sind, beweist nichts. Auch hier scheint die Photographie berufen, eine sichere Entscheidung herbeizuführen.

Schon seit den ältesten Zeiten wird dem M. ein Einfluß auf das Wetter zugeschrieben, doch sind die meisten Lehren darüber nur aus zufälligen Beobachtungen abgeleitet und verallgemeinert worden. Besonders verbreitet war und ist dieser Aberglaube unter den Landleuten und Gärtnern. Am häufigsten hört man die Meinungen, daß »der M. die Wolken vertreibt«, daß »beim Mondwechsel auch Wetterwechsel eintritt«, und daß »der Mondschein den Pflanzen schade«. Die ersten beiden Sprüche sind durch vieljährige sorgfältige Beobachtungen einwandsfrei widerlegt; der Glaube von der wolkenverzehrenden Kraft des Mondes ist dadurch entstanden, daß man das Sichtbarwerden des Mondes nach schlechtem Wetter ihm als Wirkung zuschrieb, während er umgekehrt erst gesehen werden kann, wenn die Wolken infolge der Witterungsänderung (besonders Windwechsel) sich auflösen. Ebenso wird nicht der Mondschein den Pflanzen gefährlich, sondern die nur bei wolkenlosen, also mondscheinklaren Nächten mögliche Ausstrahlung (Nachtfrost) – eine Verwechselung von Ursache und Folge. Bei dem häufig zitierten Wort Lichtenbergs, »der M. sollte zwar keinen Einfluß auf das Wetter haben, er hat aber einen«, ist er selbst den Beweis schuldig geblieben. Abgesehen von einigen positiven Ergebnissen hinsichtlich des Luftdruckes (s. Atmosphärische Ebbe und Flut) sind die sonstigen Untersuchungen über den Einfluß des Mondes auf das Wetter[63] noch sehr fraglich, und die Resultate widersprechen sich meist. Eine Prognose darauf zu gründen, ist jetzt noch ganz aussichtslos und nur täuschend.

Im Volksglauben spielt der M. noch heute eine große Rolle. Dem M. ist Ehrfurcht zu zollen, bei Mondschein darf man nicht arbeiten, besonders nicht spinnen, auch nicht tanzen. Der Mondwechsel wird beim Feld- und Gartenbau, bei den meisten Kuren, beim Haarschneiden, Häuserbauen, bei Hochzeiten etc. als wichtiges Bestimmungsmittel angesehen. Alles, was zunehmen soll, muß bei zunehmendem, alles, was abnehmen soll, bei abnehmendem M. geschehen. Als feststehend gilt, daß der M. einen Einfluß auf das Leben der Pflanzen und Tiere, also auch des Menschen, besonders bei Krankheiten besitzt. Wer lange in den M. sieht, bekommt Kropf, Schwangere dürfen sich nicht vom M. bescheinen lassen, sonst wird das Kind mondsüchtig und blöde. Die Berechtigung aller dieser Meinungen ist durch nichts erwiesen.

Vgl. außer den oben (S. 61) angegebenen Kartenwerken: Schröter, Selenotopographische Fragmente (Götting. 1791 u. 1802, 2 Bde.); Lohrmann, Topographie der sichtbaren Oberfläche des Mondes (1. Abt., Leipz. 1824; das ganze Werk mit 25 Tafeln, redigiert von J. F. J. Schmidt, das. 1878; neue Ausgabe von Ebert, das. 1892); Beer u. Mädler, Der M., oder allgemeine vergleichende Selenographie (Berl. 1837); Schmidt, Der M. (Leipz. 1856) und Über Rillen auf dem M. (das. 1865); Neison, Der M. und die Beschaffenheit und Gestaltung seiner Oberfläche (deutsch, 2. Aufl., Braunschw. 1881); Nasmyth u. Carpenter, Der M. (deutsch von H. J. Klein, 4. Aufl., Hamb. 1906); Elger, The Moon (Lond. 1895); Franz, Die Figur des Mondes (Königsberg 1899); Pickering, The Moon (Lond. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 58-64.
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