Muschelvergiftung

[297] Muschelvergiftung, eine durch den Genuß von Muscheln, wie Miesmuscheln, Austern, verursachte Vergiftung. Das Gift wird entweder von den Mollusken aus dem Wasser aufgenommen, namentlich wenn Kanalwässer in der Nähe einmünden, oder in den einzelnen Tieren gebildet, wie von den Austern während der Laichzeit (Austernvergiftung), analog der periodischen Giftigkeit mancher Fische. Die große Weinbergschnecke (Helix pomatia) soll giftig wirken, wenn sie Giftpflanzen, wie Tollkirche, Wolfsmilch etc., gefressen hat. Ost wirken nur einzelne Muscheln in einem größern Gerichte giftig. Die Symptome der M. sind ziemlich verschieden, wahrscheinlich liegen ihnen mehrere verschiedene Gifte zugrunde. Drei bis vier Stunden nach dem Genuß giftiger Muscheln bildet sich unter Prickeln und Jucken ein Hautausschlag, oft mit Schwellung im Gesicht und an den Gliedmaßen; in manchen Fällen stellen sich Erbrechen, Durchfall, Leibschmerzen, auch Schüttelfrost, Benommensein, Ohnmachten, Delirien, verstärkter Bewegungstrieb, Angstgefühl und Konvulsionen ein und im schlimmsten Falle sensible und motorische Lähmungserscheinungen, Taumeln, Schwindel und Taubsein der Hände. Der Tod kann ohne Bewußtseinsstörung und ohne Krämpfe in 2–5 Stunden erfolgen. Die Behandlung hat sich auf Bekämpfung der Symptome zu beschränken. Zur Verhütung der M. bedarf es zunächst der Vorsicht beim Einsammeln der Muscheln; aus unreinem Wasser dürfen keine Muscheln zum Genuß entnommen werden; giftige Muscheln können übrigens durch längeres Einlegen in reines Wasser entgiftet werden. In der heißen Jahreszeit soll man weder Muscheln noch Austern genießen; Austern, die abgestorben sind (die Schalen klaffen alsdann!) oder die nur leise schal schmecken, sind unbedingt zu verwerfen. Von den fliegenden Straßenhändlern in Italien und Südfrankreich soll man nie Austern zum Genuß entnehmen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 297.
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