Seeuferbau

[276] Seeuferbau (Küstenbefestigung), der Inbegriff sehr mannigfaltiger wasserbaulicher Vorkehrungen, um die Ufer gegen die Angriffe der See zu schützen. Bei diesen Vorkehrungen handelt es sich nicht allein um den Nutzen, den sie dem unmittelbar bedrohten Lande gewähren, sondern auch um mittelbare Vorteile. Erst als man den bedeutenden Wert der Inseln an der Nordsee für das Festland und die Schiffahrt erkannt hatte, ergriff man, für Wangeroog fast zu spät, die nötigen Maßregeln gegen die Angriffe der See. An der Ostsee ist meist nur Festland von bedeutender Höhe zu schützen und der Angriff nicht so zerstörend. Hier kann man eher den Wert des Uferlandes den Kosten seines Schutzes gegenüberstellen. Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog waren nur an der Westseite gefährdet und sind in den letzten 20 Jahren des 19. Jahrh. fast an sämtlichen westlichen Ufern künstlich geschützt worden mit einem Kostenaufwande von etwa 6,5 Mill. Mk. Da der Angriff der Wellen stark und die Wahrscheinlichkeit der Verlandung gering ist, muß man kräftige Schutzmittel[276] anwenden, die aber trotzdem nicht kostspielig sein dürfen. Die Zerstörung eines ungenügenden Werkes kann größere Gefahren bringen, als vorher vorhanden waren. Einzelne weit vorspringende Uferteile, welche die zurückliegenden schützen, trachtet man zu erhalten. Sandufern wird zuweilen die Strömung gefährlich, die man durch weit vorspringende Bauten oder durch Abdämmen von Stromrinnen abzuhalten trachtet. Ist der zu schützende Boden weich und lose, so bildet man aus weichem Busch, Stroh, Heidekraut, Seegras eine Unterlage, die sich dem Boden vollkommen anschmiegt und die obere, aus großen harten, schweren Steinen herzustellende Decke gut trägt und vor Unterspülung schützt. Auf reinem Sandboden werden einzelne, selbst große Steine durch ihr Gewicht und die bei jedem Wellenschlag eintretende Bewegung des Sandes nach und nach ganz versenkt. Auch gestrandete Schiffe wühlen sich ja mit der Zeit völlig ein. Man hat auch den Sand an Ort und Stelle mit Zement gemengt und Platten gebildet, die einen guten Schutz gewähren. Pfähle dienen hauptsächlich zur raschen Verteidigung besonders gefährdeter Stellen. Parallele Schutzwerke sollen unmittelbar das da hinterliegende Ufer schützen. Dünen können durch sie mittelbar geschützt werden, indem sie in einiger Entfernung vor den Dünen stehen, um zunächst den Strand zwischen ihnen und den Dünen zu erhalten, auf dem Strand eine Vordüne zu bilden. Vorspringende Schutzwerke. Außer gewöhnlichen Fluß- oder Strombuhnen, die wohl nur in Flußmündungen vorkommen, sind die Strandbuhnen im Gebrauch. Sie unterscheiden sich von den Flußbühnen besonders durch sehr geringe Höhe und durch eine gegen heftigen Wellenschlag möglichst sichere Oberfläche. Sie sollen wie die Flußbühnen den überströmten Boden festhalten, nicht aber die Umbildung von Stromrinnen oder die Verdichtung einer Strömung bewirken. Man sucht mit jeder Bühne möglichst weit seewärts vorzudringen, um eine möglichst große Strandfläche in Schutz zu bringen. Man kann übrigens mit den Köpfen nicht leicht weiter hinausrücken als bis an die Grenze des Niedrigwassers. Da die Wurzelenden und der benachbarte Strand bei Sturmfluten besonders zu leiden haben, muß man die Wurzeln an feste Punkte des Ufers oder an ein paralleles Schutzwerk anschließen. Je geringer die Entfernung zwischen den Bühnen, desto besser wird ihre Wirkung sein. Da jedoch das Längenmeter von Strandbuhnen auf den Nordseeinseln 200–300 Mk. kostet, so wird man sich meist damit begnügen müssen, vorerst die Bauten (Hauptwerke) in größern Abständen, etwa gleich der dreifachen Länge anzulegen und später in den Zwischenräumen Unterstützungwerke von leichterer Bauart einzufügen. Die Krone läßt man, von 1 m über Hochwasserstand an der Wurzel, auf 1 m über Normalwasserstand am Kopf allmählich abfallen. Über den mit dem S. vielfach zusammenhängenden Dünenbau s. Dünen, S. 274. Die hierher gehörige Beförderung der Marschbildung besteht darin, daß man trachtet, den bei der Flut mit dem Wasser sich über eine gewisse Fläche verbreitenden Schlick tunlichst vollständig zur Ablagerung zu bringen und ihn vor dem Forttreiben bei Ebbe zu schützen. Dies geschieht durch zweckmäßig angelegte Gräben und Dämme, die das Flutwasser möglichst ungehindert eintreten und sich ausbreiten lassen und den Abfluß so verzögern, daß die nächste Flut eher eintritt, als das Ebbewasser wieder völlig abgeflossen ist. Der in den Gräben sich ablagernde Schlick muß von Zeit zu Zeit ausgehoben werden und dient zur Erhöhung der Dämme und Aufebnung der Beete. Man rechnet an den nördlichen Wattflächen Ostfrieslands, wo die Aufhöhung sehr planmäßig betrieben wird, daß von der halben Fluthöhe an jährlich etwa 25–50 mm Höhe anwachsen, bis nach 25 Jahren die etwa um 1 m größere volle Fluthöhe erreicht ist; daß danach aber noch etwa 25 Jahre vergehen, bis das Vorland 0,5 m über gewöhnlicher Flut liegt und zur Einpolderung reif ist. Ohne künstliche Nachhilfe würde bei gleich günstiger Lage die nämliche Aufhöhung etwa 100 Jahre beanspruchen. Der Pflanzenwuchs stellt sich von selber ein in bestimmter Reihenfolge, wie bei der natürlichen Marschbildung. An der schleswig-holsteinischen Marschküste werden mit Vorteil 2 m lange Bunde von Schilfrohr zur Bildung leichter Dämme (sogen. Lahnungen oder Fängen) verwendet, die sich lange Zeit halten. Sobald sie ganz verlandet sind, legt man eine zweite und dritte Lage solcher Dämme an. Vgl. L. Franzius, Einwirkungen des Meeres auf die Küsten und S. (im »Handbuch der Ingenieurwissenschaften«, Bd. 3: Wasserbau, 3. Aufl., Leipz. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 276-277.
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