[614] Sontag, 1) Henriette, Opernsängerin, geb. 3. Jan. 1803 in Koblenz, wo ihre Eltern als Schauspieler wirkten, gest. 17. Juni 1854 in Mexiko, erhielt ihre musikalische Ausbildung im Konservatorium zu Prag, debütierte daselbst in ihrem 15. Jahr als Prinzessin in »Johann von Paris«, sang dann zuerst an der Deutschen und Italienischen Oper in Wien und wurde 1824 am Königstädter Theater in Berlin engagiert und zur Hof- und Kammersängerin ernannt. 1826 erregte sie in Paris unbeschreiblichen Enthusiasmus und nahm 1827 für zwei Jahre Engagement an. Nachdem sie sich 1828 mit dem Grafen Carlo Rossi, Geschäftsträger des sardinischen Hofes im Haag, verheiratet hatte, trat sie nur noch als Konzertsängerin auf. Bedeutende Vermögensverluste veranlaßten sie, 1849 zur Bühne zurückzukehren. 1853 unternahm sie eine Kunstreise mich Amerika und feierte auch hier die glänzendsten Triumphe, starb aber in Mexiko an der Cholera. Ihr Leichnam ward im Kloster Marienthal bei Ostritz in der sächsischen Lausitz beigesetzt. Frau S. erschütterte nicht durch imponierende Stimmfülle, bezauberte aber durch die Grazie ihres Gesanges, besonders in Koloraturen, die sie größtenteils mit halber Stimme, aber mit der vollkommensten Deutlichkeit vortrug. Gundling hat ihr Jugendleben zu dem Kunstroman »Henriette S.« (Leipz. 1861, 2 Bde.) benutzt. In der Selbstbiographie ihres Bruders (s. unten) sind zahlreiche sie betreffende biographische Einzelheiten enthalten.
2) Karl, Schauspieler, Bruder der vorigen, geb. 7. Jan. 1828 in Dresden, gest. 23. Juni 1900 daselbst, begann seine Bühnenlaufbahn 1848 am dortigen Hoftheater, war 185152 am Hofburgtheater in Wien tätig und folgte dann einem Ruf nach Schwerin, wo er sieben Jahre lang die ersten Helden- und Bonvivantrollen spielte. 1859 wurde er in Dresden, 1862 in Hannover angestellt, wo er sich ausschließlich dem Lustspiel widmete; seit 1877 gab er nur Gastrollen, die ihn wiederholt auch nach Nordamerika führten. Zu seinen bedeutensten Rollen gehörten Doktor Wespe, Orgon (»Tartüffe«), Petrucchio, Bolingbroke, Königsleutnant, auch Nathan, Carlos u. a. S. hat sich auch als Schriftsteller versucht; er veröffentlichte das Theaterstück »Frauenemanzipation« (Hannov. 1875), das die Runde über alle Bühnen machte, dann ein sehr rückhaltlos urteilendes selbstbiographisches Werk u. d. T.: »Vom Nachtwächter zum türkischen Kaiser« (3. Aufl., Hannov. 1876), das Veranlassung zu seiner Entlassung aus dem Verband des hannoverschen Hoftheaters (1877) wurde, und »Schimpfereien« (Skizzen verschiedenen Inhalts, Berl. 1894).