Standgericht

[846] Standgericht (Kriegsgericht, Standrecht), ein Ausnahmegericht bei Unterdrückung von Empörungen und innern Unruhen, dessen Urteile der in einem Ort oder Lager anwesende oberste Befehlshaber sofort bestätigen und vollziehen lassen kann. Das Standrecht proklamieren heißt der Einwohnerschaft und den Soldaten kundgeben, daß solche Ausnahmegerichte eingesetzt sind. Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen über die Standgerichte sind auch durch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz (§ 16) unberührt gelassen worden. Außerdem nennt man S. in Deutschland im Gegensatz zu dem mit der höhern Gerichtsbarkeit betrauten Kriegsgericht das Organ der niedern Militärgerichtsbarkeit, den Amtsgerichten entsprechend. Es ist zuständig im Frieden für Militärstrafsachen der niedern Militärgerichtsbarkeit, im Feld (s. d., Feldstandgerichte) und an Bord (s. d., Bordstandgerichte), auch für gewisse höher bestrafte Vergehen, die ihnen der höhere Gerichtsherr überweist (deutsche Militärstrafgerichtsordnung, § 45, 46, 63, 64), besteht nur aus drei Offizieren als Richtern, einem Stabsoffizier, einem Hauptmann (Rittmeister, Kapitänleutnant) als erstem, einem Oberleutnant (Oberleutnant zur See) als zweitem Beisitzer, an dessen Stelle an Bord im Bedürfnisfall ein Mitglied des Sanitätsoffizierkorps oder Maschineningenieurkorps oder ein Deckoffizier treten kann, und tritt nur auf Berufung des Gerichtsherrn der niedern Gerichtsbarkeit zusammen. Die drei Richter werden vom Gerichtsherrn alljährlich vor Beginn des Geschäftsjahres (Kalenderjahres) für die Dauer desselben als ständige Richter (nebst ständigen Stellvertretern) bestellt und bei Antritt des Amtes beeidigt. Als Richter kann in den Standgerichten, außer im Feld und an Bord, nur mitwirken, wer seit mindestens einem Jahre dem Heer oder der Marine angehört. Die Abstimmung geschieht nach dem Rang; der jüngste stimmt zuerst (§ 324). Im Feld und an Bord erfolgt die Berufung der Richter nicht ständig, sondern nur für den einzelnen Fall. Vgl. Endres, Das S. der Militärstrafgerichtsordnung (Münch. 1899) und Standgerichtliche Urteile und Beschlüsse, in Beispielen dargestellt (Leipz. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 846.
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