Talg

[294] Talg (Unschlitt, Inselt), das Fett der Rinder, Schafe, Ziegen, Hirsche, ist farblos, riecht schwach eigentümlich, ist härter bei Trockenfütterung, im warmen Klima und bei männlichen Tieren, und am weichsten bei Fütterung mit den Abfällen der Brauerei und Brennerei, enthält durchschnittlich 75 Proz. Stearin und Palmitin und 25 Proz. Olein. Rindertalg schmilzt bei 43,5–45°, ist unlöslich in kaltem, schwer löslich in siedendem Alkohol; Hammeltalg ist härter, brüchig, fast geruchlos, schwer löslich in Alkohol, schmilzt bei 46,5–47,5°. Ziegentalg ist dem Rindertalg ähnlich, riecht aber stärker. Man beurteilt die Güte des Talges nach seinem Schmelzpunkt und dem der daraus abgeschiedenen Fettsäuren (Talgtiter). Zur Gewinnung des Talges erhitzt man das zerschnittene Fett (Talgliesen) unter Zusatz von etwas Wasser unter beständigem Umrühren im kupfernen Kessel, schöpft das geschmolzene Fett ab und preßt den Rückstand (Griefen, Grieben) aus. Vorteilhafter schmelzt man die Liesen mit Dampf in hölzernen, mit Blei ausgeschlagenen Bottichen und leitet die übelriechenden Dämpfe durch ein mit der Feuerung in Verbindung stehendes Rohr ab. Oft wird beim Schmelzen zur Vergrößerung der Ausbeute 1 Proz. Schwefelsäure[294] oder 0,1 Proz. Ätznatron zugesetzt. Die Ausbeute beträgt 75–92 Proz. und ist im allgemeinen beim Schmelzen mit Dampf größer als beim trockenen Schmelzen. Zur Reinigung wird der T. wiederholt mit 5 Proz. Wasser, auch mit Alaunsalz- oder Salpeterlösung umgeschmolzen, in kaltes Wasser gegossen und in Spänen an der Sonne gebleicht. Auch durch Schmelzen mit etwa 1 Proz. Braunsteinpulver, 2 Proz. Schwefelsäure und 30 Proz. Wasser, Abgießen, Versetzen mit 1 Proz. Oxalsäure und abermaliges Abgießen kann T. gebleicht werden. Zum Härten schmelzt man T. mit 0,5 Proz. Schwefelsäure und 0,5 Proz. Salpetersäure, wäscht aus und erhitzt bis zum Verdunsten des Wassers, oder man rührt 0,007 Proz. (giftigen) Bleizucker in das geschmolzene Fett ein. Man läßt auch geschmolzenen T. auf 35° abkühlen und preßt das flüssig gebliebene Olein ab. Der Rückstand ist Primapreßtalg, das abgepreßte breiförmige Margarin dient zur Darstellung von Kunstbutter (s. d.). Preßt man bei niederer Temperatur, so erhält man Talgöl. Die größte Menge T. liefert Rußland, im Süden mehr Hammeltalg (weißer T.), im Norden hauptsächlich Rindertalg (gelber T.). Je nach der Reinheit und Konsistenz unterscheidet man auch Lichtertalg und Seifentalg, welch letzterer namentlich aus Sibirien kommt. Auch Polen, Holland und Dänemark, Australien und die La Plata-Staaten liefern viel und guten T. Deutschland führte 1905: 266,705 dz T. ein und 6895 dz aus. Man benutzt T. als Nahrungsmittel, zu Kerzen, zur Darstellung von Stearinsäure und Seife, in der Wollspinnerei, Lederbereitung, zu Schmiermitteln, Pflastern, Salben etc.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 294-295.
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