Thermoelektrizität

[477] Thermoelektrizität (griech.), durch Wärme hervorgerufene Elektrizität. Lötet man einen Bügel m n (Fig. 1) von Kupfer an einen Wismutstab o p und erwärmt die erste Lötstelle, so zeigt eine innerhalb des Bügels auf einer Spitze schwebende Magnetnadel a durch ihre Ablenkung, daß ein elektrischer Strom entstanden ist, der an der erwähnten Lötstelle vom Wismut zum Kupfer übergeht.

Fig. 1. Geschlossenes thermoelektrisches Element.
Fig. 1. Geschlossenes thermoelektrisches Element.

Die elektromotorische Kraft, die ihn hervorbringt, heißt thermoelektrische Kraft. Wird die Lötstelle unter die Temperatur der umgebenden Luft abgekühlt, so entsteht ein thermoelektrischer Strom von entgegengesetzter Richtung. Verbindet man einen Antimonstab mit dem Kupferbügel, so geht der Strom an der erwärmten Lötstelle vom Kupfer zum Antimon. Einen solchen aus zwei Metallen, die an zwei Stellen miteinander verlötet sind, gebildeten Bogen nennt man ein geschlossenes thermoelektrisches Element (Thermoelement).

Fig. 2. Offenes thermoelektrisches Element.
Fig. 2. Offenes thermoelektrisches Element.

Zwei Metallstäbchen, die bloß an einem Ende zusammengelötet sind, während die freien Enden Leitungsdrähte tragen, bilden ein offenes thermoelektrisches Element (Fig. 2), das zu einem geschlossenen wird, wenn man die Drahtenden miteinander in leitende Verbindung bringt. Die verschiedenen Metalle lassen sich in eine Reihe (thermoelektrische Spannungsreihe) derart ordnen, daß, wenn man aus zwei derselben ein Element bildet und die Lötstelle erwärmt, der positive Strom von dem in der Reihe höher stehenden Metall zu dem tiefer stehenden übergeht; diese Reihe ist: Wismut, Quecksilber, Platin, Gold, Kupfer, Zinn, Blei, Zink, Silber, Eisen, Antimon. Einige Schwefel- und Arsenmetalle sowie einige Oxyde, z. B. Kupferkies, Arsenikkies, Bleiglanz, Pyrolusit etc., stehen noch über dem Wismut, eine Legierung aus 2 Teilen Antimon mit 1 Teil Zinn noch unter dem Antimon. Zur Konstruktion möglichst wirksamer Thermoelemente wählt man zwei Metalle, die in der Spannungsreihe weit voneinander entfernt stehen, z. B. Wismut, und Antimon, speziell zur Konstruktion thermoelektrischer Pyrometer nach Le Chatelier, Platin und eine Legierung von Platin mit 10 Proz. Rhodium, deren Spannungsdifferenz mit der Temperatur regelmäßig zunimmt, und die auch hohe Temperatur ertragen können.

Fig. 3 u. 4. Thermosäulen.
Fig. 3 u. 4. Thermosäulen.

Die Wirkung wird verstärkt, wenn man mehrere Elemente nach Art der Voltaschen Säule zu einer thermoelektrischen Säule (Thermosäule, Fig. 3) verbindet; mehrere Stäbchenschichten, deren Zwischenräume mit einer isolierenden Substanz ausgegossen sind, werden, zu einem Bündel vereinigt, in eine Fassung p (Fig. 4) gebracht, so daß ihre Endstäbchen mit den Stiften x und y in leitender Berührung stehen. Eine solche Thermosäule in Verbindung mit einem Galvanometer (Multiplikator) wird Thermomultiplikator genannt und bildet ein sehr empfindliches Mittel zum Nachweis und zur Messung der strahlenden Wärme. Die sehr empfindliche Thermosäule von Rubens ist aus Eisen- und Konstantendrähten zusammengesetzt. Zur Verminderung der Wärmeverluste wird sie zweckmäßig in ein lustleeres Gefäß eingeschlossen. Eine Thermosäule, die geeignet ist, ein galvanisches Element zu ersetzen, ist die Sternsäule von Noë, deren 20 Elemente sternförmig angeordnet sind, von der Mitte aus durch einen Bunsenschen Brenner erwärmt werden und durch Vermittelung kupferner Blechspiralen die Wärme an die Luft abgeben. Von größern Thermosäulen sind namentlich diejenigen von Gülcher und Heil in Gebrauch, deren nach innen gerichtete Lötstellen mit Gas erhitzt werden. Bleche zu beiden Seiten dienen zur Ableitung der Wärme an die Luft, um die nach außen gerichteten Lötstellen zu kühlen. Solche Säulen dienen namentlich für elektrolytische Zwecke und zum Laden kleiner Akkumulatoren.

Fig. 5. Heils Thermosäule.
Fig. 5. Heils Thermosäule.

Heils [477] Säule (Fig. 5; Dynaphor) wird auch in großen Dimensionen zur Ausnutzung der Wärme von Abdampf, Abgas, Öfen etc. gebaut. Leitet man durch ein Thermoelement einen galvanischen Strom, so bringt derselbe an der Lötstelle eine Temperaturveränderung hervor, die derjenigen entgegengesetzt ist, die einen Thermostrom von gleicher Richtung erzeugen würde. Geht z. B. der galvanische Strom vom Antimon zum Wismut, so erwärmt sich die Lötstelle; sie kühlt sich dagegen ab, wenn der Strom vom Wismut zum Antimon übergeht (Peltiers Phänomen).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 477-478.
Lizenz:
Faksimiles:
477 | 478
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon